Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Gut gemeint aber vergeblich

Er schrieb, dass muß man ihm auch im Nachhinein bestätigen, in besonders griffiger Form. Großen "Eiertanz" mit pseudotheologischen Argumenten, machte er nicht. Er kam schnell auf den eigentlichen Punkt. Und er unterschied sich damit wohltuend von anderen seiner Zunft. Die Rede ist von dem zu früh verstorbenen Pfarrer Friedrich Wilhelm Haak.

Noch heute, etliche Jahre nach seinem Tode, herrscht "Zeter und Mordio" bei der Nennung seines Namens in gewissen Sektenkreisen und bei den von ihnen angeheuerten "Gesundbetern". Mögen sie nun Y... oder Mynarek oder sonstwie heißen. Genannte Namen, stellvertretend auch für andere.

Mynarek beispielsweise, meint ihm noch heute (nicht sonderlich überzeugend) den Begriff Inquisitor anhängen zu müssen. Nachstehend mal eine Kostsprobe von diesem vorgeblichen "Inquisitor". Entnommen der CV Nr. 62 vom Juli 1974

Berechnung gut gemeint, aber vergeblich

Ob die Welt untergeht oder nicht, ist für viele keine sonderlich aufregende Frage. Man plagt sich mit den täglich anfallenden Sorgen sowieso genügend. Die "Evangeliumsverkünder" der Zeugen Jehovas merken an den Haustüren oft genug, daß sie zu diesen alltäglichen Plagen gerechnet werden. Ihre Botschaft vom demnächst stattfindenden Ende kauft nur allzu selten jemand ab. Meist reicht der hingehaltene Wachtturm, um die Tür zufallen zu lassen. Draußen vor der Haustür wird sich der abgewiesene Wachtturm-Missionar dann eine kurze Notiz auf seinem "Haus-zu-Haus"-Zettel machen und in sein kleines Büchlein eintragen: "Will nichts von J. Z. wissen". Vielleicht schiebt er dann noch einen älteren Wachtturm in den Briefkasten. Bezahlt hat er ihn in der Versammlung sowieso und auf diese Weise kann er wenigstens eine verteilte Schrift mehr in seinen Wochenbericht eintragen. Bei zu wenig Aktivität wird der Versammlungsdiener oder sonst jemand aus der Leitung ungehalten.

Sektenmissionare haben es schwer. Sie gehen von Haus zu Haus und haben nur äußerst geringe Erfolge, Mancher tröstet sich mit dem Gedanken: "Ich habe wenigstens meine Pflicht erfüllt". Daß das Ende unausweichlich nahe herbeigekommen ist, gehört zu den Lehren fast aller Sekten der Neuzeit. Zeugen Jehovas, Neuapostolische und Pfingstler, Zeltprediger und Jesus-People-Missionare treten mit dieser Botschaft auf. Sie empfangen von ihr sogar die Beauftragung für ihren Dienst. Häufig werden ihnen fehlgeschlagene Endzeitprognosen vorgehalten. In der Tat dürfte kaum ein Jahr in der Menschheitsgeschichte vergangen sein, für das nicht irgendwo das "Ende der Welt" vorausgesagt worden wäre. Jubiläen, wie das Jahr 1000, das Jahr 1500 und die Wende zum dritten Jahrtausend lassen die Zahl der Endprophezeiungen erheblich anschwellen.

Die spektakulärste und folgenschwerste Endzeitverkündigung der Neuzeit dürfte die für das Jahr 1844 gewesen sein. Zehntausende hatten sich in Amerika auf Weltende und Wiederkunft Christi eingestellt. Als der Stichtag 21. März .1841 ohne das erhoffte Ereignis vorüberging, vertröstete, sich um ein halbes Jahr, eingedenk des biblischen Wortes: "Der Bräutigam verzog bis Mitternacht".

"Wir sind nur noch wenige Tage von diesem Ereignis entfernt. 0 schrecklicher Augenblick für diejenigen, die unvorbereitet sind - aber ein herrlicher für die, die bereitet sind", hieß es noch am 3. Oktober 1844 in einer Zeitung. Es wurde ein schrecklicher Tag für die, die gewartet hatten. Spott und Verachtung ergossen sich über sie. Ein Chronist berichtet danach: "Sie hatten sich beraten und gebetet mit ihren Verwandten, hatten Abschied genommen von denjenigen, die Gott noch nicht ihr Herz gegeben hatten. Sie hatten sich von allem Irdischen verabschiedet mit einer Feierlichkeit, die nur derjenige empfindet, der im Begriff steht. dem Richter des Weltalls gegenüberzutreten. So vorbereitet versammelten sie sich in beinahe atemloser Stille in ihren Gebetshäusern voller Erwartung, jeden Augenblick die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes zu hören und den Himmel erleuchtet zu sehen von der Herrlichkeit ihres kommenden Königs".

Es ist eine Szene, wie sie vergleichbar wohl kaum zu finden ist. Vielleicht warten Kinder so auf ihre Mutter, die lange fortgewesen war. "Langsam verstrichen die Stunden, und als endlich die Sonne am westlichen Horizont sank, da war der zehnte Tag des siebenten Monats (dieses Wartens) zu Ende. Die Schatten der Nacht breiteten sich wie ein Leichentuch über die Welt und mit ihnen drang ein Schmerz in die Herzen der Adventgläubigen"

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Das Debakel von 1844 hat trotzdem kein Ende der Endzeitberechnungen gebracht. Russell, der Gründer der Zeugen Jehovas, erklärte 1844 einfach zur Fehlberechnung. Er gibt andere Termine an. Zuerst hatte er sich einer Gruppe verschrieben, die Endzeittermine für 1873. 1874 und wohl auch 1876 angesetzt hatte. Russell übernimmt das Jahr 1874 und setzt die Wiederkunft Christi als "unsichtbar geschehen" voraus. Ein Trick, der auch mit dem Jahre 1844 nachträglich probiert worden war. Schließlich legte er sich auf 1914 als endgültigen Termin fest, verschiebt ihn aber noch einmal. Sein Nachfolger Rutherford probiert es mit 1921, 1925 und 1980. Der dritte Präsident der Zeugen Jehovas wird dann 1975 als Endzeitdatum ankündigen.

Heute ist man bei den Zeugen Jehovas sicher: "1975 wird etwas geschehen". Auch wenn die oberste Leitung der Sekte im Moment sehr zurückhaltend mit genauen Berechnungen ist, lebt dieser Termin doch im Glauben der Wachtturmverkündiger, die mit ihren Zeitschriften Tag für Tag von Haus zu Haus gehen. Ohne diese Erwartung würden sie den schweren und häufig enttäuschenden Dienst gar nicht aushalten.

Kirchenchristen wundern sich oft, wenn andere ihre Glaubenshoffnungen so verzweifelt an ein Endzeitdatum binden können. Jahrzehntelang hatte man bei den Neuapostolischen die Wiederkunft Christi zu Lebzeiten des letzten Stammapostels J. G. Bischoff vorausgesagt. Als er 1960 starb, gab es zwar kurze Zeit Unruhe unter den Gläubigen, bald jedoch vertraute man auf den neuen Stammapostel, daß er die Herde "ins gelobte Land führen werde".

Die Bibel verwehrt den Glauben an einen bestimmten Termin der Wiederkunft. Jesus Christus selbst weist einmal seine Jünger zurück: ."Es gebührt euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde". Der Christ soll so leben, daß er ständig mit der Wiederkunft Christi rechnet, aber auch die Verantwortung für dieses Leben dabei nicht aufgibt. Eine schöne, wenn auch erfundene Geschichte berichtet, Martin Luther habe einmal gesagt: "Und wenn ich wüßte, daß morgen die Weit untergeht, so würde ich doch heute noch ein Bäumchen pflanzen". Genauso versteht sich die christliche Endzeiterwartung. Den Verkündigern von "demnächst, ganz bald, in absehbarer Zeit" kommenden Endzeiten dürfen wir einfach diese Haltung entgegensetzen. Ihre Berechnungen sind gut gemeint, aber vergeblich.

 

Gelesen von Friedrich-Wilhelm Haak in der "Christlichen Verantwortung" Nr. 75

Erst war Annegret Kohler froh, dann war sie ehrlich erbost. Jahrelang hatte man von ihr einen wöchentlichen "Verkündiger-Felddienst-Bericht" gefordert. Nun sollte er plötzlich nicht mehr nötig sein. Jahrelang hatte sie sich über diese wöchentliche Kontrolle geärgert. Jetzt war der Druck fort aber Annegret Kohler, deren Name aus verständlichen Gründen geändert worden ist, fühlte sich mit einem Male jahrelang genasführt.

Einmal hatte sie sich alles von der Leber geredet. Ausgerechnet bei mir, obwohl sie wußte, daß ich für meine Landeskirche als Sektenbeauftragter tätig bin. "Diese ständige Kontrolle ist wie ein ständiges Mißtrauen", hatte sie geklagt. "Das haben wir doch nicht verdient". Und jetzt, wo der eine ärgerliche Kontrollzettel weggefallen war, da ärgerte sie sich noch mehr als zuvor.

Ich weiß bis heute nicht genau, warum Annegret Kohler mich immer besucht. Eigentlich darf sie gar nicht, denn meine Wohnung gehört nicht in ihr "Gebiet". Sie ist aus einer ganz anderen Versammlung. Alles, was man Annegret Kohler beigebracht hat, nimmt sie folgsam auf. "Der treue - und verständige Sklave kann sich nicht irren. Das steht doch in der Bibel". Als ich ihr erwidere, daß die Bibel damit bestimmt nicht die Wachtturmgesellschaft in Brooklyn meine, antwortet sie leicht verstört: "Aber die Kirche kann es doch nicht sein".

Einmal hat mich Annegret K. einen Blick in ihr kleines persönliches Notizheft tun lassen. Es ist der Bericht vom "Haus-zu-Haus"-Dienst, von einem dornigen treppauf, teppab. Manchmal überschlägt Annegret auch eine Wohnungstür. Nur ein Mann im ganzen Gebiet hört ihr länger zu. Vielleicht hat sie auch die Gespräche mit mir dankbar als Missionsgespräche eingetragen.

Es sind im Grunde genommen arme Zeitgenossen. Sie glauben bedingungslos, was aus dem Brooklyner oder Wiesbadener "Bethel" kommt. Sie stehen unter ständigem Druck und hoffen auf das "Ende dieses Systems der Dinge" und die Neue Welt für Zeugen Jehovas und sogenannte "Menschen guten Willens". Zu diesen Gutwilligen gehört jeder, der den Anhängern der Wachtturmlehren nicht unfreundlich gegenübersteht.

Nur wer etwa der Meinung ist, daß hier eine Gruppe von über einer Million Gutgläubiger durch einen Schriftenherstellungs- und verkaufskonzern mißbraucht wird, wer meint, daß hier eine unverantwortliche Clique von Machthabern selbst den Tod ihrer Anhänger in Kauf nimmt, wenn sie ihnen beispielsweise die Bluttransfusion verbietet, wer daran zweifelt, daß eine Aktiengesellschaft mit dem Firmenzeichen des Wachtturms Gottes Willen vertritt - er wird vom theokratischen Gewalttäter "Christus" in Harmagedon zur höheren Ehre Jehovas und zur Bestätigung der Wachtturmlehren "endgültig vernichtet".

Glücklicherweise hat das ganze System einen Fehler: Gott läßt uns seinen Willen nicht durch die Wachtturmbrille, sondern durch die Bibel erkennen. Und derzufolge ist Christus kein Endzeit-Terrorist, sondern unser Fürsprecher und Heiland.

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