Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Eckhard Tuerk

Der katholische Sektenbeauftragte für das Bistum Limburg, Eckhard Türk, wurde von der Wachtturmgesellschaft in einen Rechtsstreit hineingezogen. Türk, ist zugleich der Verfasser des 1996 erschienenen Buches „Die Zeugen Jehovas kommen. Streitpunkte, Argumente, Klärungen." Gerichtlicherseits wurde die Klage der Wachtturmgesellschaft zurückgewiesen, die jedoch darauf hin in Revision ging.

„Kaum nachvollziehbar" sei nach den Gewährsmännern der Wachtturmgesellschaft, respektive deren Rechtsanwälte, die Argumentation die Türk zur Finanzierung vortrug. Das was Türk diesbezüglich zu sagen hat, kann man auf den Seiten 76-85 seines Buches nachlesen. Ich zitiere mal einige Sätze daraus:

„Die Finanzierung der Wachtturm-Gesellschaft und der Zeugen Jehovas ist recht undurchsichtig. Bisher ist keine offizielle Bilanz des Finanzgebarens der Zeugen Jehovas zu erhalten, aus der Einnahmen und Ausgaben einigermaßen einsichtig zu machen wäre. Die Antworten, die man auf die Frage der Finanzierung erhält, ist in der Literatur wie bei den einzelnen Zeugen Jehovas über die Jahre hin stereotyp: 'Alles wird über Spenden finanziert.'" (S. 76).

Türk zitiert dann die bis 1990/91 bestehende Praxis, dass Literatur an die einzelnen Zeugen Jehovas gegen Zahlung eines genau definierten Abgabepreises abgegeben wurde. Die danach eingetretene Änderung beschreibt er mit den Worten:

„Seit dem 1. Juli 1990 findet man offiziell keine Preisangaben mehr zu den Druckerzeugnissen der Wachtturm-Gesellschaft. Die Veröffentlichungen von der Zeitschrift Wachtturm bis zum Buch werden verschenkt, und es wird nur hier und da verschämt um eine Spende gebeten. Dieser Sinneswandel bei den Zeugen Jehovas ist nicht auf eine übergroße Nächstenliebe zurückzuführen.

Der Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass im Februar 1990 die Steuerbehörden die 'Produktionsbetriebe' des Zweigbüros der Wachtturm-Gesellschaft in Selters im Taunus zur Kasse bitten wollten. Das Finanzamt Limburg hatte bis dahin die 'Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft e. V.' mit den über 500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als gemeinnützig anerkannt und z. B. nicht der Gewerbesteuer unterzogen. Mit den Steuerbehörden wurde folgender Kompromiss ausgehandelt:

Die Gemeinnützigkeit bleibt erhalten, aber bestimmte Bereiche des Geschäftsbetriebes der Wachtturm-Gesellschaft werden rückwirkend der Steuer unterzogen. Als gemeinnützig anerkannter Idealverein zahlt die Wachtturm-Gesellschaft in Deutschland lediglich Umsatzsteuer mit einem geringen Steuersatz.

Für den Finanzierungsweg bleibt mit der Regelung, in Deutschland und einigen anderen Ländern keine Preise mehr anzugeben, alles beim alten. Durch das Verschenken der Literatur an Interessierte kann man sich nach außen hin als gemeinnützig darstellen und kommt intern ebenfalls zu entsprechenden Summen.

Der Dumme in dieser Finanzierungskette ist allerdings der Zeuge Jehovas vor Ort. Während er bis 1991 vom Interessierten seinen ausgelegten Betrag zurückfordern konnte, so geht er heute, da er die Literatur verschenkt, leer aus. Das Literaturgeschenk an der Haustür ist kein Geschenk der Wachtturm-Gesellschaft, sondern der einzelne Zeuge Jehovas hat es zuvor mit einem 'Spendenbeitrag' bei der Wachtturm-Gesellschaft bezahlt; es ist also ein Geschenk des einzelnen Zeugen Jehovas." (S. 80).

„Die Finanzierung der Wachtturm-Organisation geschieht aber noch auf eine andere Art und Weise. Es ist die unentgeltliche Arbeitsleistung, die Tausende von Zeugen Jehovas für den Wachtturm-Konzern weltweit erbringen. Eine solche unentgeltliche Arbeitsleistung kann vom 'Pionierdienst' bis zum 'theokratischen Baupropgramm' reichen. Die Zeugen Jehovas sehen darin einen Ausdruck ihrer Dankbarkeit gegenüber Jehova Gott und merken nicht, wie sie durch subtilen Druck der Wachtturm-Gesellschaft zu dieser Dankbarkeit gedrängt werden." (S. 83).

Soweit die diesbezüglichen Zitate aus dem Buch von Türk. Hat Türk damit der schleichenden Katze ein Glöcklein ans Bein gebunden?!

Wenn also von „nicht nachvollziehbarem" die Rede ist; dann kann man dazu nur sagen: In der Tat „nicht nachvollziehbar" ist hierbei einiges. Allerdings in umgekehrter Richtung. Nicht nachvollziehbar ist, was an diesen Feststellungen von Türk denn nun eine „unwahre Tatsachenbehauptung" sein soll!


Das Finanzgebaren der Wachtturmgesellschaft ist schon anderen unangenehm aufgefallen. So schrieb der "Spiegel" am 7. 11. 1994:

"Geschickt nutzt der Konzern sein weltweites Finanznetz für Finanztransfers. Die frommen Brüder treten wie Tenniscracks und Formel-1-Piloten als Steuerflüchtige auf - allerdings jonglieren sie mit ungleich höheren Beträgen."

Der "Spiegel" nennt dann noch ein konkretes Beispiel:

"So gelang es in der Schweiz letztes Jahr, den Gewinn mit null Franken zu deklarieren. Dort gelten die Zeugen Jehovas als steuerpflichtiger Kommerzbetrieb mit einem Kapital von 10, 37 Millionen Franken. In Luxemburg hingegen lag der - dort steuerfreie - Gewinn letztes Jahres bei 6, 1 Millionen Francs (300 000 Mark), trotz üppiger Überweisungen nach Brooklyn."

Hat die Wachtturmgesellschaft vor Gericht je gegen diese Aussagen geklagt? Das wäre mir dann neu. Eine diesbezügliche Information besitze ich nicht. Der "Spiegel" tituliert diesen Konzern ganz unverblümt als Steuerflüchtling. Wäre das nicht eine Klage wert, für die so sehr auf ihre "Ehre" bedachte Wachtturmgesellschaft?!

Wie verhält sich ihr Finanzgebaren auch bezüglich des Druckes ihrer Literatur in zahlreichen Osteuropäischen Sprachen, durch ihren Druckereikomplex in Selters. Diese Literatur wird auch in diesen Ländern, dem Buchstaben gemäß, nicht "verkauft", wohl aber "verschenkt" und für diese "Schenkungen" werden entsprechende "Spenden" entgegengenommen. Wird von diesen "Spenden" auch soviel Geld nach Selters transferiert, dass dort die ohne Zweifel entstandenen Herstellungskosten, damit beglichen werden können?

Oder wird auch hier wieder das Steuerflüchtlingsprinzip zur Anwendung gebracht. Die Wachtturmgesellschaft hätte in der Tat mehr als Genug Anlass, für Aufklärung zu sorgen. Jedoch keinerlei Anlass für ihre Klagen.

Im InfoLink-Forum meinte ein Zeuge Jehovas zu Türk:

"Im Buch von Herrn Türk werden eine Reihe 'getürkter' Informationen vertreten. Aber Herr Türk muss die Zeugen Jehovas so beschreiben, wie er sie aus der Sicht des Sektenbeauftragten der katholischen Kirche darstellen MUSS. … Natürlich kann Herr Türk nichts Positives über den erklärten Gegner darstellen."

Also, ich würde dazu sagen wollen, dass mir dieses Urteil zu pauschal ist. Ich rechne mich nicht unbedingt zu den "Freunden" der katholischen Kirche. Ich schließe mich eher der zeitgenössischen Bibelforscher/Zeugen Jehovaskritik aus den Dreißiger Jahren an. Nicht allen Formulierungen, aber doch wesentlichen Aussagen. Ich habe in meinen Ausführungen (Jonak, Toedtli usw.) selbst eigenständige Kritik an ihr vorgetragen. Ich vermisse auch bei der katholischen Kirche ein ehrliches Aufarbeiten ihrer eigenen Geschichte. Die in ihren Reihen geduldete katholische Sekte "Pro fide Catholica" erfährt meine schärfste Kritik. Also ich sehe mich durchaus nicht als "Lobsänger" der katholischen Kirche. Dennoch weise ich die vorgenannte Stellungnahme eines Zeugen Jehovas zurück.

Es geht hier nicht um den Komplex Katholizismus insgesamt, es geht hier lediglich um ein einzelnes Mosaiksteinchen namens Türk und seinem Buch über die Zeugen Jehovas. Dem genannten Zeugen Jehovas habe ich mir daher erlaubt zu antworten:

"Dein Urteil ist mir zu pauschal. Ich habe schon von katholischen Autoren Schriften gelesen, wo ich bildlich die Hände über den Kopf zusammen geschlagen habe, und mich gefragt habe, ob die überhaupt verstehen, wovon sie schreiben. Aber das würde ich zu Türk nicht sagen. Er bleibt in der Regel sachlich. Allerdings schreibt er keine 'Heldenhagiographie'. Dazu hat er auch keinerlei Anlass.

Zwei Beispiele nur. Auf Seite 134 schreibt er:

'Das Ende des Königtums in Israel setzen die Zeugen Jehovas mit der Zerstörung Jerusalems an. Nach ihrer Auffassung soll die Zerstörung Jerusalems im Jahr 607 v. Chr. geschehen sein. Eine solche Annahme ist historisch falsch ....' Wer also 'türkt' in dieser Frage. Doch ganz offensichtlich die WTG. Weiteres dazu kann man bei Franz und Jonsson nachlesen.

Auf S. 212 schreibt er:

'Es gibt keine echte Kinder- und Jugendarbeit bei den Zeugen Jehovas. … Kinder und Jugendliche werden in die Versammlungen der Erwachsenen … mitgenommen, ohne dass in irgendeiner Weise pädagogisch auf sie Rücksicht genommen wird.'

Auch da hat Türk den Nagel auf den Kopf getroffen. Jehovas Zeugen machen es sich zu einfach, durch ihr ignorieren, diese Kritik nicht zur Kenntnis zu nehmen. Diese Kritik hat überhaupt nichts damit zu tun, dass Türk nun mal Bekannterweise katholisch ist. Diese Kritik kann und wird auch von solchen ausgesprochen, die mit der katholischen Kirche nichts am Hut haben. Im übrigen scheint mir, dass der katholische Akzent in seinem Buch sich auf einer maßvoll zurückhaltenden Ebene bewegt."

Am 9. 12. 1999 kam es zu der von der Wachtturmgesellschaft angestrengten Revisionsverhandlung in Sachen Türk. Schon am 10. 12. verbreitete die Wachtturmgesellschaft dazu eine Presseerklärung, in der sie aussagte:

"Türk räumte sachliche Fehler in seinem Buch ein und verpflichtete sich zur Unterlassung. Für den Fall eines Verstoßes muss er 10001 DM Strafe bezahlen. Türk hatte in einem Buch über die Wachtturm-Gesellschaft und die Zeugen Jehovas u. a. geschrieben, dass die Religionsgemeinschaft durch die Abgabe von Literatur Gewinne erziele und darin ihre Haupteinnahmequelle habe. Diese Behauptung musste Türk in dem gerichtlichen Vergleich als sachliche Unwahrheit einräumen und sich verpflichten, diese Behauptung nicht weiter zu äußern. Um eine gütliche Einigung zu erreichen, verzichteten Jehovas Zeugen darauf, weitere strittige Äußerungen von Türk gerichtlich zu verfolgen. Das Landgericht Limburg hatte einige Aussagen in erster Instanz zum Teil als nicht einklagbare Werturteile, zum Teil als nicht ehrenrührige Unwahrheiten eingestuft und die Klage deshalb abgewiesen."

Die Zeugen Jehovas konnten daraufhin den Triumph registrieren, dass einige "Hofberichterstatter", die sich da wohl irrtümlich als Journalisten betrachten, diese ihre Pressemeldung in der Sache übernahmen, ohne jedoch zu recherchieren, was die Gegenseite dazu zu sagen hätte. Letztere meldete sich dazu auch noch zu Wort. Durch die Stellungnahme der Gegenseite gewinnt dieser Vorgang ein ganz anderes Gesicht. In dieser Stellungnahme war zu lesen:

"Übler Versuch der Zeugen Jehovas aus Scheitern vor Gericht Sieg zu machen.

Oberlandesgericht gab Sektenbeauftragten Türk in allen wichtigen Punkten Recht.

Mainz. Der Diözesanbeauftragte des Bistums Mainz für Sekten- und Weltanschauungsfragen, Diplomtheologe Eckhard Türk, hat sich im Rechtsstreit mit den Zeugen Jehovas vor dem Oberlandesgericht Frankfurt auf einen Vergleich eingelassen, der nun von der Wachtturm-Gesellschaft in übler Weise gegen ihn ausgeschlachtet wird. 'Wenn ich geahnt hätte, auf welche Weise die Zeugen Jehovas versuchen, mit ihrer Falschdarstellung in der Öffentlichkeit aus ihrem Scheitern vor Gericht propagandistisch einen Sieg zu machen, dann hätte ich dem Antrag der Zeugen Jehovas auf einen solchen Vergleich niemals zugestimmt', erklärte Türk am Donnerstag, 16. Dezember, in Mainz.

Türk ist empört darüber, dass die Zeugen Jehovas unmittelbar nach dem Gerichtsentscheid vom 9. Dezember 1999 in einer Pressemitteilung behaupteten, Türk habe sachliche Fehler und Unwahrheiten in seinem Buch 'Die Zeugen Jehovas kommen, Streitpunkte-Argumente-Klärungen' (Lahn-Verlag Limburg) eingeräumt und sich zur Unterlassung verpflichtet. Demgegenüber stellt Türk klar, seine einzigen Zugeständnisse in dem Vergleich seien, dass in einer möglichen Neuauflage des Buches an einer Stelle das Wort 'nahtlos' weggelassen und an einer anderen Stelle des Präsens die Vergangenheitsform gewählt werden muss.

In allen Hauptpunkten dagegen konnten sich die Zeugen Jehovas wie schon vor dem Limburger Landgericht im Januar dieses Jahres auch in der Berufsverhandlung in Frankfurt nicht durchsetzen. Mit ihrer Klage wollten sie die Streichung von 13 Sätzen aus Türks Buch erzwingen. Auch der Frankfurter Vergleich gibt dem Sektenbeauftragten des Bistums Mainz in allen 13 Punkten recht. Nach der Feststellung des Oberlandesgerichts kann das Buch 'Die Zeugen Jehovas kommen' unverändert weiterverbreitet und verkauft werden.

Die Zeugen Jehovas haben weiterhin hinzunehmen, dass Türk in seinem Buch die Auffassung vertritt, dass die 'Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft Deutscher Zweig e. V.' durch die Abgabe von Literatur Gewinne erzielt und darin ihre Haupteinnahmequelle besteht. Gerade dieser zentrale Punkt wird jedoch erstaunlicherweise in der genannten Pressemitteilung der Zeugen Jehovas im Widerspruch zur Gerichtsentscheidung ausdrücklich bestritten.

Darüber hinaus darf Türk auch weiterhin verbreiten, dass die Zeugen Jehovas durch die Weitergabe von Informationen einen umfassenden Datenbestand ansammeln, dass sie Leistungsquoten zu erfüllen haben, dass sie mit dem 'Blutdokument' die Loyalität ihrer Anhänger überprüfen, und dass die Zeugen Jehovas die UNO auf übelste Weise verunglimpfen.

Auch darf er weiterhin behaupten, dass die Zeugen Jehovas die Ableistung ziviler Dienste in einem Staat kategorisch ablehnen, und dass der neuerdings scheinbar veränderte Standpunkt zu dieser Frage nur ein öffentlichkeitswirksamer Trick zur Erlangung der Körperschaftsrechte darstellt.
Mit freundlichen Grüßen
Bischöfliche Pressestelle Mainz/ Jürgen Strickstrock
Mainz, 16. Dezember 1999."

Die Art und Weise, wie die Zeugenführung in dieser Sache agiert, erinnert schon merkwürdig an einen ähnlichen Vorgang in ihrer Geschichte.

Es gab schon einmal solch einen Vergleich in den zwanziger Jahren. Damals hatte der Kritiker Bomsdorff-Bergen in alle Welt hinausposaunt, die Bibelforscher würden von amerikanischen Freimaurern finanziell unterstützt. Etliche Einschüchterungsversuche, vermochten es nicht zu erreichen, dass Bomsdorff-Bergen auch nur einen Millimeter von seiner These abwich. Dennoch gab es schließlich auch dort einen Vergleich. Zwar nicht zwischen Bomsdorff-Bergen und der WTG; wohl aber zwischen dem Verleger des Bomsdorff-Bergen und der WTG, übrigens hinter dem Rücken des Autors und ohne dessen vorherige Kenntnis und Zustimmung. Und was besonders bezeichnend ist, die WTG übernahm die finanziellen Kosten dieses Vergleichsverfahrens.

Man fragt sich, warum wohl? Wenn sie ihrer Sache so "sicher" war. Aber gegenüber der nichtinformierten Öffentlichkeit posaunte sie anschließend herum, es habe einen Vergleich gegeben. Vermied es aber hinzuzufügen, wer dessen Kosten getragen hatte.
Theokratische Kriegslist in Reinkultur!

Faktisch wurde durch den genannten Vergleich das vorangegangene Gerichtsurteil in dieser Sache bestätigt. Nachstehend einige Zitierungen daraus (gekürzt um einige spezifisch juristische Komponten - um einer besseren Verständlichkeit willen). Die Auslassungen aus dem nachfolgenden Text werden nicht immer als solche kenntlich gemacht (aus obigem Grunde). Zugleich werden jedoch alle wesentlichen Aspekte berücksichtigt:

4 Q 551/97
Verkündet am 29. Januar 1999.
Urteil Im Namen des Volkes!
(Es) hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg a. d. Lahn aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 1998 … für Recht erkannt:

Die Klage (der Bevollmächtigten Vertreter der Zeugen Jehovas) wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4000,-- DM vorläufig vollstreckbar.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Unterlassung einzelner Äußerungen des Beklagten (aus einer) veröffentlichten Publikation.
Der Kläger führt den Namen Wachtturm- Bibel & Traktat-Gesellschaft, Deutscher Zweig und veröffentlicht religiöse Schriften, die vor allem für die Religionsgemeinschaft "Zeugen Jehovas" im deutschsprachigen Raum veröffentlicht wurden. …

Der Beklagte ist u. a. Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen im Bistum Limburg. 1996 veröffentlichte die Beklagte in ihrem Verlag ein von dem Beklagten verfasstes Buch mit dem Titel: "Die Zeugen Jehovas kommen: Streitpunkte, Argumente, Klärungen".
In seinem Buch setzt sich der Beklagte kritisch mit der Glaubensgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" und dem Kläger auseinander.

Der Kläger rügt Äußerungen des Beklagten in seinem Buch. … Im wesentlichen rügt der Kläger die Beschreibung seiner Finanzierung, einzelne Umstände im Rahmen der Missionsarbeit der Zeugen Jehovas, sowie Äußerungen des Beklagten zu den religiösen Überzeugungen der Zeugen Jehovas hinsichtlich Bluttransfusionen, Auslegung der Offenbarung des Johannes, sowie Stellung der Zeugen Jehovas zum Zivildienst bzw. zivilen Diensten in Staat und Gesellschaft.

Der Kläger behauptet, die in dem Buch des Beklagten im einzelnen angegriffenen Äußerungen seien unwahre Tatsachenbehauptungen. Durch diese Aussagen sei das Ansehen des Klägers als ehrbare Religionsgemeinschaft herabgesetzt, wodurch der Kläger in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt werde. Der Beklagte beabsichtige, die gezielte Herabsetzung des Ansehens des Klägers in der Öffentlichkeit. Durch die synonyme Verwendung der Begriffe "Wachtturmgesellschaft" und "Zeugen Jehovas" sei der Kläger auch insoweit betroffen, als sich der Beklagte kritisch mit der Religionsgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" auseinandersetze.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß oder durch den äußeren Zusammenhang den Eindruck erweckend die Behauptung aufzustellen und / oder zu verbreiten, wie dies in dem Buch "Die Zeugen Jehovas kommen" geschehen ist:
Die Wachtturm-Gesellschaft bezahle Lizenzgebühren nach "Brooklyn".
Der Kläger erziele durch die Abgabe von Literatur Gewinne, er hätte hieraus seine Haupteinnahmequelle, er liefere Literatur an die Versammlungen (örtlichen Gemeinden) auf Kredit und die Versammlung bezahle die Literatur nach Weitergabe an die einzelnen Zeugen Jehovas; der einzelne bezahle die Literatur mit einer Spende.

Die Bilanz der Watchtower Society in Großbritannien könne auf den Kläger angewandt werden, wobei der Ertrag aus der Abgabe von Literatur 6,5 mal größer als der Spendeneingang sei; die Erträge aus dem Vertrieb von Literatur seien 6 mal größer als die Druckkosten.
Die Wachtturm-Gesellschaft habe inoffizielle Preislisten für die Druckerzeugnisse.

Die Ältesten würden einen gründlichen Datenbestand über eine ganze Region durch die Weitergabe von Informationen der einzelnen Zeugen Jehovas an die Ältesten besitzen.
Es gäbe bei den Zeugen Jehovas Leistungsquoten, die der einzelne erfüllen müsse.

Das Formular, in dem ein Zeuge Jehovas seine Ablehnung der Bluttransfusionen bekunde, werde von weiteren Personen unterschrieben und könne somit dazu dienen, die Loyalität der einzelnen Zeugen Jehovas zum Standpunkt der Verweigerung von Blut zu überprüfen.

Mit dem Begriff "Babylon die Große" würden Jehovas Zeugen die UNO sowie den Anglo-Amerikanismus bezeichnen.
Der veränderte Standpunkt zur Ableistung des Zivildienstes stünde im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland.
Die Zeugen Jehovas lehnten die Ableistung ziviler Dienste in einem Staat kategorisch ab.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie vertreten die Ansicht, der Kläger sei bereits nicht betroffen, soweit es um kritische Äußerungen über die Zeugen Jehovas als Religionsgemeinschaft ginge. Die Klage habe auch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, darüber hinaus sei der Kläger nicht individuell betroffen und eine Persönlichkeitsrechtsverletzung aus den Äußerungen nicht zu entnehmen. Vielmehr stellten die meisten Äußerungen Werturteile dar, zum anderen seien diese in dem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen wahr.

Wegen des übrigen Parteivorbringens, insbesondere die zur Stützung der jeweiligen Rechtsargumente und Tatsachenbehauptungen vorgetragenen Details wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe.
Die Klage ist nicht begründet.
Ein derartiger Anspruch auf Unterlassung der gerügten Äußerungen steht dem Kläger nicht … zu.

§ 1004 BGB, der nach seinem Wortlaut nach ausdrücklich nur auf Unterlassung von Eigentumsbeeinträchtigungen gerichtet ist … sowie § 823 … auch auf Störungen und Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes anzuwenden. Diese Grundsätze sind auch auf juristische Personen anwendbar, wenn diese hinsichtlich ihrer Öffentlichkeitswirkung von anderen klar abzugrenzen sind.

Eine derartige Verletzung kann der Kläger indes nicht dartun. Es fehlt bereits für einen großen Teil der von dem Kläger gerügten Äußerungen in dem streitgegenständlichen Buch an einer individuellen Betroffenheit des Klägers. Dies bezieht sich insbesondere auf die Klageanträge … die sich kritisch mit Überzeugungen und Praktiken der Glaubensgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" auseinandersetzen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der klägerische Verein, der auch … "Wachtturm Bibel und Traktat-Gesellschaft" genannt wird, nur aus einem kleinen Kreis von besonders vertrauenswürdigen Zeugen Jehovas besteht. Dagegen stellt die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas einen nicht abzugrenzenden Teil von religiös Überzeugten dar. Diese sind, wie die Beklagten in nachvollziehbarer Weise dargelegt haben, teilweise in Rechtsform organisiert, teilweise aber auch nicht. Denn nach der Glaubenslehre, die auch vom Kläger vertreten wird, bemesse sich die Zugehörigkeit zur "Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas" an bestimmten religiösen Überzeugungen und der hierzu folgenden Glaubenspraxis, nicht jedoch aus der Zugehörigkeit zu bestimmten juristischen Personen.

Ein synonymer Gebrauch der "Wachtturm Bibel & Traktat-Gesellschaft" mit der religiösen Gemeinschaft der "Zeugen Jehovas" mag hinsichtlich der Zuordnung des Klägers zu der Religionsgemeinschaft vorhanden sei. Da der Kläger als juristische Person jedoch die Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes rügt und für einen derartigen Grundrechtseingriff und einen hieraus folgenden Unterlassungsanspruch eine individuelle Betroffenheit und eine abgrenzbare Personengemeinschaft erforderlich ist, folgt allein aus der Nähe des Klägers zu der Religionsgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" noch nicht dessen individuelle Betroffenheit. Denn es handelt sich bei den in den Klageanträgen … angegriffenen Äußerungen um kritische Bewertungen und möglicherweise auch Tatsachenbehauptungen hinsichtlich der Glaubensüberzeugungen und Glaubenspraxis einzelner Gläubiger oder Anhänger der Religionsgemeinschaft bzw. um die Überzeugung oder Glaubenspraxis einzelner Versammlungen der "Zeugen Jehovas".

Soweit in anderen Publikationen die Begriffe "Wachtturm-Gesellschaft" und "Zeugen Jehovas" synonym gebraucht werden, folgt hieraus keine abweichende Beurteilung. Aus welchen Gründen in anderen kritischen Publikationen über die "Zeugen Jehovas" und / oder den Kläger eine Gleichsetzung erfolgt, entzieht sich der Kenntnis der Kammer und bedarf auch insoweit keiner weiteren Aufklärung.
Die Klage ist auch aus sonstigen Gründen hinsichtlich jedes einzelnen Antrages unbegründet, weil der Beklagte keine unwahren Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, die geeignet wären, den Kläger in seinen Persönlichkeitsrechten zu verletzen. Vielmehr handelt es sich bei den Äußerungen jeweils um Werturteile, welche nur teilweise einen Tatsachenkern beinhalten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Frage, ob eine Schlußfolgerung oder ein Werturteil falsch oder richtig, wertvoll oder nicht wertvoll ist, im Hinblick auf den weiten Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich außer Betracht zu lassen, sofern nicht die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist. Ob eine bestimmte Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist, muss bereits auf der Tatbestandsebene im Lichte des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewertet werden. (BVerf G v. 11. 11. 1992, abgedr.: NJW 1993, S. 1845).

Vermengen sich in einer Äußerung wertende und tatsächliche Elemente in einer Weise, daß die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, können im Rahmen der Abwägung die Richtigkeit und die tatsächlichen Bestandteile eine Rolle spielen. Enthält die Meinungsäußerung erwiesen falsche oder bewusste unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter dem Rechtsgut, welches durch das Grundrecht beschränkende Gesetz geschätzt wird, zurücktreten. Auch in diesem Fall ist zu beachten, daß an die Wahrheitspflicht im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen oder nur auf die Meinungsfreiheit insgesamt wirken können (BVerfG a.a.0.).

Für die Zivilgerichte hat dies nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 1994, S. 124 ff.) zur Folge, daß eine Meinungsäußerung, mit der der Äußernde einen Beitrag zu einer im geistigen Meinungskampf in der Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage leisten will, die Vermutung der Zulässigkeit für sich hat, solange nicht die Grenze zur bloßen Schmähkritik erreicht ist. Je extentieller das Sachanliegen des öffentlichen Meinungskampfes ist, desto eher muss eine juristische Person oder dessen personalisiertes Organ hinnehmen, daß das durch die Personalisierung und durch das Sachanliegen geweckte abwertende Urteil in der Öffentlichkeit besonders kritisch wahrgenommen wird.

Insoweit ist allgemein zu berücksichtigen, daß es sich beim Kläger um einen Verein handelt, der in seinen eigenen religiösen Publikationen gleich der Beklagten religiöse Streitschriften veröffentlicht, die sich kritisch mit Weltanschauungsfragen beschäftigen, dabei vom Kläger abweichende Weltanschauungen kritisiert werden und sich insbesondere auch kritisch mit der Religionsgemeinschaft auseinandersetzen, der der Beklagte angehört.

Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Voraussetzungen erreichen die Darlegungen des Beklagten an keiner Stelle die Grenze der unzulässigen Schmähkritik und sind in jedem Falle von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Der Kläger hat diese gemäß 1004 Satz 2 BGB hinzunehmen.

Im einzelnen:
Diesem Unterlassungsbegehren liegt im wesentlichen das Kapitel ."Finanzierung" des Beklagten ab S. 76 des streitgegenständlichen Buches zugrunde, insbesondere Äußerungen des Beklagten zu auf S. 78 und 79 sowie S. 81.

Die hinsichtlich der Klageanträge gerügte Äußerungen beruhen allerdings auf einem Zitat des Beklagten auf S.81. Hier zitiert der Beklagte einen Aufsatz, in welchem er Autor und Belegstelle benennt und das Zitat auch durch eine besonders hervorgehobene andere Schriftart kennzeichnet. Die …gerügten Äußerungen stammen nicht vom Beklagten sondern aus der von ihm zitierten Publikation, die sich auch nicht mit dem Kläger, sondern der Wachtturmgesellschaft Großbritanniens auseinandersetzt.

Diese Beschreibung wird nicht dadurch zu einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung, das der Beklagte Schluss des Zitates hinzufügt: "Man kann hinzufügen, daß diese Bilanzzahlen nahtlos auf Deutschland, das gegenüber Großbritannien noch etwa 40.000 Verkündiger mehr aufweisen kann, übertragen werden können".

Hierdurch machte der Beklagte nämlich deutlich, daß seine abschließende Äußerung eine reine Schlussfolgerung ist, die allenfalls durch die Verwendung des Begriffes "nahtlos" einen bestimmten Tatsachenkern enthält. Dieses Urteil haben die Kläger jedoch hinzunehmen.

Denn der Beklagte behauptet hier nicht positiv, daß der Kläger Literatur veräußert, sondern beschreibt den aus seiner Sicht vorhandenen Finanzierungsweg. Hierbei ist zudem von Bedeutung, daß der Beklagte auf S. 79 unten weiter schlussfolgernd zusammenfasst, was er nach seiner Ansicht aus einem dieser Zusammenfassung vorangestellten Zitat einer Publikation des Klägers zu entnehmen glaubt.

Die Darstellung des Beklagten der Kläger erziele durch die Abgaben von Literatur Gewinne, und hätte hieraus seine Einnahmequelle, ist lediglich die vom Beklagten vorgenommene Bewertung des aus seiner Sicht gegebenen Zusammenhangs zwischen der zur Verfügungstellung von Literatur und der Gabe von Spenden.
Der Kläger hat im Hinblick auf das zuvor Ausgeführte hinzunehmen, daß aufgrund der Darstellung des Beklagten der von ihm auch beabsichtigte Eindruck entstehen soll oder kann, welchen der Kläger als persönlichkeitsrechtsverletzende Tatsachenbehauptung wertet.

Eine kritische Bewertung darf auch in scharfer Form erfolgen. Sie ist nach dem Dargelegten noch nicht als persönlichkeitsrechtsverletzender Grundrechtseingriff zu Lasten des Klägers anzusehen. Sie ist durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Eine Schmähkritik ist sie nicht.

Unerheblich ist auch, daß auf S. 79 am Ende der Seite in dem Schaubild die Worte "spenden" und "bezahlen" möglicherweise tatsächlich synonym gebraucht werden (wegen des Zeichens: "=" und dieser Gebrauch vom Beklagten auch beabsichtigt ist. Der Beklagte hat diesem Schaubild indes die Formulierung vorangestellt. "Der in der Abbildung noch einmal schematisch dargestellte Weg galt so bis 1991 und gilt in seinen Hauptzügen auch
noch heute".

Der Beklagte hat ausdrücklich klargestellt, daß Literatur nicht veräußert wird, sondern lediglich Spenden durch den Kläger eingenommen werden. Soweit der Beklagte aus der Spendenpraxis des Klägers andere Schlussfolgerungen zieht als der Kläger selbst, ist dieses Werturteil des Beklagten nicht als rechtswidrige Beeinträchtigung des klägerischen Persönlichkeitsrechts zu werten.

Überdies ist der Antrag bereits deshalb unbegründet, weil der Beklagte nicht behauptet hat, die Wachtturm-Gesellschaft habe "inoffizielle Preislisten für die Druckerzeugnisse". Diese Äußerung ist dem Buch des Beklagten nicht zu entnehmen, da es auf S. 80 des streitgegenständlichen Buches lediglich heißt - "Seit. dem 1. Juli 1991 findet man offiziell keine Preisangaben mehr zu den Druckerzeugnissen". Diese Äußerung des Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Soweit in der Wortwahl möglicherweise ein kritischer und zweifelnder Unterton mitschwingt, handelt es sich insoweit um eine bloße Bewertung des Beklagten.
Die vom Kläger gerügte unwahre Tatsachenbehauptung liegt in der Äußerung des Beklagten nicht.

Abgesehen von dem Umstand, daß diese Passage auf S. 169 des streitgegenständlichen Buches, wie bereits ausgeführt, auf die Glaubenspraxis der Zeugen Jehovas und gerade nicht auf den Kläger bezieht, ist der streitgegenständlichen Äußerung auch nicht der Sinn beizulegen, wie der Kläger vorgetragen hat.

Der Beklagte behauptet nämlich nicht, die in den "Hauszu-Haus-Notizen" festgehaltenen Informationen würde zu einem Datenbestand systematisch zusammengestellt, um so einen gründlichen Datenbestand über die ganze (missionierte) Region zu haben. Darüber hinaus folgt aus dem Kontext jener Äußerung, daß der Beklagte aus der - teilweise unstreitigen - Praxis der "Haus-zu-Haus-Notizen" der Zeugen Jehovas nur eine bestimmte Schlussfolgerung auf deren Funktion gezogen hat. Daneben haben die Beklagten diese Praxis auch durch Selbstzeugnisse des Klägers belegt. Nach dem oben dargelegten kann der Kläger insoweit keine Unterlassung verlangen.

… Auch hier zieht der Beklagte unter Berücksichtigung seiner ausgewerteten und der Kammer vorgelegten Selbstzeugnisse des Klägers lediglich den Schluss, daß einzelne "Zeugen Jehovas" im Hinblick auf ihre Glaubensüberzeugung und die Publikationen des Klägers unter Leistungsdruck gesetzt würden. Diese Bewertung der religiösen Tätigkeit der "Zeugen Jehovas" unterliegt der Meinungsfreiheit und ist rechtlich als Werturteil mit Tatsachenkern nicht zu beanstanden.

… Ergibt sich bereits aus dem Kontext der von den Klägern angegriffenen Äußerung des Beklagten auf S. 183, daß zur Funktion der Willenserklärung einzelner Zeugen Jehovas zur Bluttransfusion (Patientenerklärung) eine reine Mutmaßung und Bewertung in den Raum gestellt wird. Bereits der Wortlaut der angegriffenen Äußerung enthält lediglich eine Bewertung : "Damit gewinnt diese Karte den Charakter eines scheinbar amtlichen Dokumentes und kann gleichzeitig dazu dienen, die Gesinnung eines "Zeugen Jehovas" und seine Loyalität zur Versammlung in regelmäßigen Abständen zu überprüfen". Im übrigen hat der Beklagte die von dem Kläger unterstellte Bewertung gar nicht vorgenommen.

Auch der Klageantrag …ist unbegründet. Zwar wird von den "Zeugen Jehovas" eine Gleichsetzung der apokalyptischen Figur "Babylon - Die Große" mit der UNO und dem Anglo-Amerikanischen Rechtskreis nicht vorgenommen, so daß die Begriffsbestimmung des Beklagten insoweit unscharf ist. Da der Kläger selbst die UNO und das politische System des Anglo-Amerikanismus mit einer anderen biblischen Negativfigur identifiziert (vgl. S. 240 - 243 der zitierten Publikation des Klägers) kann eine ungenaue Zuordnung einer biblischen Negativfigur durch den Beklagten bereits per se nicht geeignet sein, eine Rechtsverletzung zu Lasten des Klägers zu begründen.

Soweit sich der Beklagte auf S. 63 des streitgegenständlichen Buches mit der Einstellung der Zeugen Jehovas zum Zivildienst auseinandersetzt, begegnet auch diese Äußerung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt des § 1004 BGB keinen rechtlichen Bedenken. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kriegsdienst mit der Waffe aber auch der Wehrersatzdienst (Zivildienst) von den "Zeugen Jehovas" aus religiösen Gründen abgelehnt
wurde.

Unstreitig ist ferner, daß die Frage des Zivildienstes seit Mitte der 90-er Jahre ethisch differenzierter betrachtet wird.
Der Beklagte hat auf S. 63 seines Buches lediglich diese unstreitigen Tatsachen dargestellt und diesem folgende Bemerkung hinzugefügt: "Sicherlich ist die Umstellung der Lehre im Zusammenhang mit den Bemühungen der "Zeugen Jehovas" in Deutschland zu sehen, als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt zu werden".

Bereits ihrem Wortlaut nach handelt es sich bei dieser Darstellung durch den Beklagten um eine reine Bewertung und Schlussfolgerung. Die Bemühungen "Zeugen Jehovas" als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, sind ihrerseits gerichtskundig. Dies ergibt sich insbesondere aus der in der Öffentlichkeit diskutierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.6.1997 (Aktenzeichen 7 C 11/96).

Die Kläger können auch nicht Unterlassung einer Äußerung des Beklagten auf S. 201 des streitgegenständlichen Buches verlangen: "Militärische oder zivile Dienste in einem Staat lehnen die "Zeugen Jehovas" kategorisch ab."

Es kann dahingestellt bleiben, ob die von dem Beklagten geschilderte Überzeugung zutrifft oder nicht. Zunächst ist bereits die Beschreibung des Beklagten, so sie hinsichtlich der zivilen Dienste unwahr wäre, nicht geeignet, den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht herabzusetzen. Diese Beschreibung des Beklagten bezieht sich ihrem Inhalt nach lediglich auf die Glaubensüberzeugung eines einzelnen Angehörigen der Glaubensgemeinschaft. Hierdurch kann der Kläger bereit per se nicht betroffen sein.

Darüber hinaus wäre auch eine unzutreffende oder verfälschte Darstellung durch den Beklagten zu dieser Frage, nicht geeignet, herabsetzend zu wirken. Die möglicherweise unzutreffend beschriebene Glaubensüberzeugung einzelner Mitglieder der "Zeugen Jehovas" selbst wird vom Grundgesetzt toleriert. (Art. 4 Abs. 1 GG).

Da die Werteordnung des Grundgesetzes eine kritische, ablehnende oder neutrale Haltung eines Bürgers zu dem Gemeinwesen in dem er lebt, nicht nur toleriert, sondern schützt, kann die Behauptung, jemand nehme zu den Rechten und Pflichten des Bürgers im Gemeinwesen eine kritische und ablehnende Haltung ein, denjenigen, auf welchen sich diese Behauptung, bezieht, nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzen.

Darüber hinaus ist die vom Kläger angegriffene Äußerung des Beklagten auf S. 201 des streitgegenständlichen Buches in seinem sprachlichen und systematischen Kontext der Darstellung des Beklagten zu sehen. Der Begriff "zivile Dienste" ist zunächst mehrdeutig.

Soweit mit dem Begriff "zivile Dienste" der "Zivildienst" im Sinne des Wehrersatzdienstes gemäß Art. 4 Abs. 3, 12 a Abs. 2 GG gemeint sein könnte, folgt bereits aus dem sonstigen Zusammenhang der Darstellung, daß der Beklagte eine grundsätzliche Ablehnung des Zivildienstes durch die "Zeugen Jehovas" seit dem Jahre 1996 nicht behauptet. Denn er hat in seiner Publikation bereits hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, in welchem Zusammenhang diese Äußerung stünde, wenn sie sich auf den Wehrersatzdienst bezöge.

Soweit der Beklagte den Begriff "zivile Dienste" in einem weiteren Sinne, als auf den Wehrersatzdienst bezogen, gebrauchen wollte, ist auch insoweit die Äußerung des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. wie sich aus dem Kontext der weiteren Darstellung des Beklagten auf S. 201 - 208 des streitgegenständlichen Buches ergibt, beschäftigt sich der Beklagte auf dem Hintergrund seiner abweichenden theologischen Auslegung des Römerbriefes (Kapitel 13) mit der Auslegung dieser Bibelstelle durch den Kläger anhand dessen Selbstzeugnisse. Sie sind zur Gerichtsakte gelangt und ihr Inhalt ist unstreitig.

Aufgrund seiner eigenen theologischen Begriffsbestimmung zieht der Beklagte aus klägerischen Äußerungen in "Der Wachtturm" bestimmte Schlüsse. Er meint, die Überzeugung des Klägers bzw. einzelner "Zeugen Jehovas" zur Beteiligung an zivilen Diensten in der Gesellschaft ergäbe sich notwendig aus der theologischen Begriffsbildung von Römer 13 und Lukas 20:25. Deshalb unterstellt er eine ablehnende Haltung der "Zeugen Jehovas" zu Staat und Gesellschaft. Diese schlussfolgernde Bewertung ist nicht zu beanstanden.

Darüber hinaus wäre eine entsprechende vom Beklagten beschriebene Überzeugung einzelner "Zeugen Jehovas" ungeeignet, den einzelnen Überzeugungsträger in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen. Die Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in Art. 4 GG zum Ausdruck kommt, steht auch einer ablehnenden, kritischen oder distanzierten bis neutralen Haltung des einzelnen zu gesellschaftlichen oder öffentlichen Institutionen neutral gegenüber.

Insoweit kann die Behauptung, jemand nehme eine bestimmte politische Überzeugung ein, nicht ehrenrührig sein, wenn diese Überzeugung ihrerseits im Rahmen der Wertordnung des Grundgesetzes keine Negativbewertung erhält und geschützt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in § 709 ZPO.
Mainzer Bistumsnachrichten 3. 3. 1999

Zensur

Die Zeugen Jehovas. Eckhard Türk

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