Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Eckhard Tuerk
Der katholische
Sektenbeauftragte für das Bistum Limburg, Eckhard Türk, wurde von der
Wachtturmgesellschaft in einen Rechtsstreit hineingezogen. Türk, ist zugleich der
Verfasser des 1996 erschienenen Buches Die Zeugen Jehovas kommen. Streitpunkte,
Argumente, Klärungen." Gerichtlicherseits wurde die Klage der Wachtturmgesellschaft
zurückgewiesen, die jedoch darauf hin in Revision ging.
Kaum nachvollziehbar" sei
nach den Gewährsmännern der Wachtturmgesellschaft, respektive deren Rechtsanwälte, die
Argumentation die Türk zur Finanzierung vortrug. Das was Türk diesbezüglich zu sagen
hat, kann man auf den Seiten 76-85 seines Buches nachlesen. Ich zitiere mal einige Sätze
daraus:
Die Finanzierung der
Wachtturm-Gesellschaft und der Zeugen Jehovas ist recht undurchsichtig. Bisher ist keine
offizielle Bilanz des Finanzgebarens der Zeugen Jehovas zu erhalten, aus der Einnahmen und
Ausgaben einigermaßen einsichtig zu machen wäre. Die Antworten, die man auf die Frage
der Finanzierung erhält, ist in der Literatur wie bei den einzelnen Zeugen Jehovas über
die Jahre hin stereotyp: 'Alles wird über Spenden finanziert.'" (S. 76).
Türk zitiert dann die bis 1990/91
bestehende Praxis, dass Literatur an die einzelnen Zeugen Jehovas gegen Zahlung eines
genau definierten Abgabepreises abgegeben wurde. Die danach eingetretene Änderung
beschreibt er mit den Worten:
Seit dem 1. Juli 1990 findet
man offiziell keine Preisangaben mehr zu den Druckerzeugnissen der Wachtturm-Gesellschaft.
Die Veröffentlichungen von der Zeitschrift Wachtturm bis zum Buch werden verschenkt, und
es wird nur hier und da verschämt um eine Spende gebeten. Dieser Sinneswandel bei den
Zeugen Jehovas ist nicht auf eine übergroße Nächstenliebe zurückzuführen.
Der Hintergrund dieser
Entwicklung ist, dass im Februar 1990 die Steuerbehörden die 'Produktionsbetriebe' des
Zweigbüros der Wachtturm-Gesellschaft in Selters im Taunus zur Kasse bitten wollten. Das
Finanzamt Limburg hatte bis dahin die 'Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft e. V.' mit
den über 500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als gemeinnützig anerkannt und z. B.
nicht der Gewerbesteuer unterzogen. Mit den Steuerbehörden wurde folgender Kompromiss
ausgehandelt:
Die Gemeinnützigkeit bleibt
erhalten, aber bestimmte Bereiche des Geschäftsbetriebes der Wachtturm-Gesellschaft
werden rückwirkend der Steuer unterzogen. Als gemeinnützig anerkannter Idealverein zahlt
die Wachtturm-Gesellschaft in Deutschland lediglich Umsatzsteuer mit einem geringen
Steuersatz.
Für den Finanzierungsweg bleibt mit
der Regelung, in Deutschland und einigen anderen Ländern keine Preise mehr anzugeben,
alles beim alten. Durch das Verschenken der Literatur an Interessierte kann man sich nach
außen hin als gemeinnützig darstellen und kommt intern ebenfalls zu entsprechenden
Summen.
Der Dumme in dieser
Finanzierungskette ist allerdings der Zeuge Jehovas vor Ort. Während er bis 1991 vom
Interessierten seinen ausgelegten Betrag zurückfordern konnte, so geht er heute, da er
die Literatur verschenkt, leer aus. Das Literaturgeschenk an der Haustür ist kein
Geschenk der Wachtturm-Gesellschaft, sondern der einzelne Zeuge Jehovas hat es zuvor mit
einem 'Spendenbeitrag' bei der Wachtturm-Gesellschaft bezahlt; es ist also ein Geschenk
des einzelnen Zeugen Jehovas." (S. 80).
Die Finanzierung der
Wachtturm-Organisation geschieht aber noch auf eine andere Art und Weise. Es ist die
unentgeltliche Arbeitsleistung, die Tausende von Zeugen Jehovas für den Wachtturm-Konzern
weltweit erbringen. Eine solche unentgeltliche Arbeitsleistung kann vom 'Pionierdienst'
bis zum 'theokratischen Baupropgramm' reichen. Die Zeugen Jehovas sehen darin einen
Ausdruck ihrer Dankbarkeit gegenüber Jehova Gott und merken nicht, wie sie durch subtilen
Druck der Wachtturm-Gesellschaft zu dieser Dankbarkeit gedrängt werden." (S. 83).
Soweit die diesbezüglichen Zitate aus
dem Buch von Türk. Hat Türk damit der schleichenden Katze ein Glöcklein ans Bein
gebunden?!
Wenn also von nicht
nachvollziehbarem" die Rede ist; dann kann man dazu nur sagen: In der Tat nicht
nachvollziehbar" ist hierbei einiges. Allerdings in umgekehrter Richtung. Nicht
nachvollziehbar ist, was an diesen Feststellungen von Türk denn nun eine unwahre
Tatsachenbehauptung" sein soll!
Das Finanzgebaren der
Wachtturmgesellschaft ist schon anderen unangenehm aufgefallen. So schrieb der
"Spiegel" am 7. 11. 1994:
"Geschickt nutzt der Konzern
sein weltweites Finanznetz für Finanztransfers. Die frommen Brüder treten wie
Tenniscracks und Formel-1-Piloten als Steuerflüchtige auf - allerdings jonglieren sie mit
ungleich höheren Beträgen."
Der "Spiegel" nennt dann
noch ein konkretes Beispiel:
"So gelang es in der Schweiz
letztes Jahr, den Gewinn mit null Franken zu deklarieren. Dort gelten die Zeugen Jehovas
als steuerpflichtiger Kommerzbetrieb mit einem Kapital von 10, 37 Millionen Franken. In
Luxemburg hingegen lag der - dort steuerfreie - Gewinn letztes Jahres bei 6, 1 Millionen
Francs (300 000 Mark), trotz üppiger Überweisungen nach Brooklyn."
Hat die Wachtturmgesellschaft vor
Gericht je gegen diese Aussagen geklagt? Das wäre mir dann neu. Eine diesbezügliche
Information besitze ich nicht. Der "Spiegel" tituliert diesen Konzern ganz
unverblümt als Steuerflüchtling. Wäre das nicht eine Klage wert, für die so sehr auf
ihre "Ehre" bedachte Wachtturmgesellschaft?!
Wie verhält sich ihr Finanzgebaren
auch bezüglich des Druckes ihrer Literatur in zahlreichen Osteuropäischen Sprachen,
durch ihren Druckereikomplex in Selters. Diese Literatur wird auch in diesen Ländern, dem
Buchstaben gemäß, nicht "verkauft", wohl aber "verschenkt" und für
diese "Schenkungen" werden entsprechende "Spenden" entgegengenommen.
Wird von diesen "Spenden" auch soviel Geld nach Selters transferiert, dass dort
die ohne Zweifel entstandenen Herstellungskosten, damit beglichen werden können?
Oder wird auch hier wieder das
Steuerflüchtlingsprinzip zur Anwendung gebracht. Die Wachtturmgesellschaft hätte in der
Tat mehr als Genug Anlass, für Aufklärung zu sorgen. Jedoch keinerlei Anlass für ihre
Klagen.
Im InfoLink-Forum meinte ein Zeuge
Jehovas zu Türk:
"Im Buch von Herrn Türk werden
eine Reihe 'getürkter' Informationen vertreten. Aber Herr Türk muss die Zeugen Jehovas
so beschreiben, wie er sie aus der Sicht des Sektenbeauftragten der katholischen Kirche
darstellen MUSS.
Natürlich kann Herr Türk nichts Positives über den erklärten
Gegner darstellen."
Also, ich würde dazu sagen wollen,
dass mir dieses Urteil zu pauschal ist. Ich rechne mich nicht unbedingt zu den
"Freunden" der katholischen Kirche. Ich schließe mich eher der
zeitgenössischen Bibelforscher/Zeugen Jehovaskritik aus den Dreißiger Jahren an. Nicht
allen Formulierungen, aber doch wesentlichen Aussagen. Ich habe in meinen Ausführungen
(Jonak, Toedtli usw.) selbst eigenständige Kritik an ihr vorgetragen. Ich vermisse auch
bei der katholischen Kirche ein ehrliches Aufarbeiten ihrer eigenen Geschichte. Die in
ihren Reihen geduldete katholische Sekte "Pro fide Catholica" erfährt meine
schärfste Kritik. Also ich sehe mich durchaus nicht als "Lobsänger" der
katholischen Kirche. Dennoch weise ich die vorgenannte Stellungnahme eines Zeugen Jehovas
zurück.
Es geht hier nicht um den Komplex
Katholizismus insgesamt, es geht hier lediglich um ein einzelnes Mosaiksteinchen namens
Türk und seinem Buch über die Zeugen Jehovas. Dem genannten Zeugen Jehovas habe ich mir
daher erlaubt zu antworten:
"Dein Urteil ist mir zu pauschal.
Ich habe schon von katholischen Autoren Schriften gelesen, wo ich bildlich die Hände
über den Kopf zusammen geschlagen habe, und mich gefragt habe, ob die überhaupt
verstehen, wovon sie schreiben. Aber das würde ich zu Türk nicht sagen. Er bleibt in der
Regel sachlich. Allerdings schreibt er keine 'Heldenhagiographie'. Dazu hat er auch
keinerlei Anlass.
Zwei Beispiele nur. Auf Seite 134
schreibt er:
'Das Ende des Königtums in Israel
setzen die Zeugen Jehovas mit der Zerstörung Jerusalems an. Nach ihrer Auffassung soll
die Zerstörung Jerusalems im Jahr 607 v. Chr. geschehen sein. Eine solche Annahme ist
historisch falsch ....' Wer also 'türkt' in dieser Frage. Doch ganz offensichtlich die
WTG. Weiteres dazu kann man bei Franz und Jonsson nachlesen.
Auf S. 212 schreibt er:
'Es gibt keine echte Kinder- und
Jugendarbeit bei den Zeugen Jehovas.
Kinder und Jugendliche werden in die
Versammlungen der Erwachsenen
mitgenommen, ohne dass in irgendeiner Weise
pädagogisch auf sie Rücksicht genommen wird.'
Auch da hat Türk den Nagel auf den
Kopf getroffen. Jehovas Zeugen machen es sich zu einfach, durch ihr ignorieren, diese
Kritik nicht zur Kenntnis zu nehmen. Diese Kritik hat überhaupt nichts damit zu tun, dass
Türk nun mal Bekannterweise katholisch ist. Diese Kritik kann und wird auch von solchen
ausgesprochen, die mit der katholischen Kirche nichts am Hut haben. Im übrigen scheint
mir, dass der katholische Akzent in seinem Buch sich auf einer maßvoll zurückhaltenden
Ebene bewegt."
Am 9. 12. 1999 kam es zu der von der
Wachtturmgesellschaft angestrengten Revisionsverhandlung in Sachen Türk. Schon am 10. 12.
verbreitete die Wachtturmgesellschaft dazu eine Presseerklärung, in der sie aussagte:
"Türk räumte sachliche Fehler
in seinem Buch ein und verpflichtete sich zur Unterlassung. Für den Fall eines Verstoßes
muss er 10001 DM Strafe bezahlen. Türk hatte in einem Buch über die
Wachtturm-Gesellschaft und die Zeugen Jehovas u. a. geschrieben, dass die
Religionsgemeinschaft durch die Abgabe von Literatur Gewinne erziele und darin ihre
Haupteinnahmequelle habe. Diese Behauptung musste Türk in dem gerichtlichen Vergleich als
sachliche Unwahrheit einräumen und sich verpflichten, diese Behauptung nicht weiter zu
äußern. Um eine gütliche Einigung zu erreichen, verzichteten Jehovas Zeugen darauf,
weitere strittige Äußerungen von Türk gerichtlich zu verfolgen. Das Landgericht Limburg
hatte einige Aussagen in erster Instanz zum Teil als nicht einklagbare Werturteile, zum
Teil als nicht ehrenrührige Unwahrheiten eingestuft und die Klage deshalb
abgewiesen."
Die Zeugen Jehovas konnten daraufhin
den Triumph registrieren, dass einige "Hofberichterstatter", die sich da wohl
irrtümlich als Journalisten betrachten, diese ihre Pressemeldung in der Sache
übernahmen, ohne jedoch zu recherchieren, was die Gegenseite dazu zu sagen hätte.
Letztere meldete sich dazu auch noch zu Wort. Durch die Stellungnahme der Gegenseite
gewinnt dieser Vorgang ein ganz anderes Gesicht. In dieser Stellungnahme war zu lesen:
"Übler Versuch der Zeugen
Jehovas aus Scheitern vor Gericht Sieg zu machen.
Oberlandesgericht gab
Sektenbeauftragten Türk in allen wichtigen Punkten Recht.
Mainz. Der
Diözesanbeauftragte des Bistums Mainz für Sekten- und Weltanschauungsfragen,
Diplomtheologe Eckhard Türk, hat sich im Rechtsstreit mit den Zeugen Jehovas vor dem
Oberlandesgericht Frankfurt auf einen Vergleich eingelassen, der nun von der
Wachtturm-Gesellschaft in übler Weise gegen ihn ausgeschlachtet wird. 'Wenn ich geahnt
hätte, auf welche Weise die Zeugen Jehovas versuchen, mit ihrer Falschdarstellung in der
Öffentlichkeit aus ihrem Scheitern vor Gericht propagandistisch einen Sieg zu machen,
dann hätte ich dem Antrag der Zeugen Jehovas auf einen solchen Vergleich niemals
zugestimmt', erklärte Türk am Donnerstag, 16. Dezember, in Mainz.
Türk ist empört darüber,
dass die Zeugen Jehovas unmittelbar nach dem Gerichtsentscheid vom 9. Dezember 1999 in
einer Pressemitteilung behaupteten, Türk habe sachliche Fehler und Unwahrheiten in seinem
Buch 'Die Zeugen Jehovas kommen, Streitpunkte-Argumente-Klärungen' (Lahn-Verlag Limburg)
eingeräumt und sich zur Unterlassung verpflichtet. Demgegenüber stellt Türk klar, seine
einzigen Zugeständnisse in dem Vergleich seien, dass in einer möglichen Neuauflage des
Buches an einer Stelle das Wort 'nahtlos' weggelassen und an einer anderen Stelle des
Präsens die Vergangenheitsform gewählt werden
muss.
In allen Hauptpunkten dagegen
konnten sich die Zeugen Jehovas wie schon vor dem Limburger Landgericht im Januar dieses
Jahres auch in der Berufsverhandlung in Frankfurt nicht durchsetzen. Mit ihrer Klage
wollten sie die Streichung von 13 Sätzen aus Türks Buch erzwingen. Auch der Frankfurter
Vergleich gibt dem Sektenbeauftragten des Bistums Mainz in allen 13 Punkten recht. Nach
der Feststellung des Oberlandesgerichts kann das Buch 'Die Zeugen Jehovas kommen'
unverändert weiterverbreitet und verkauft werden.
Die Zeugen Jehovas haben
weiterhin hinzunehmen, dass Türk in seinem Buch die Auffassung vertritt, dass die
'Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft Deutscher Zweig e. V.' durch die Abgabe von
Literatur Gewinne erzielt und darin ihre Haupteinnahmequelle besteht. Gerade dieser
zentrale Punkt wird jedoch erstaunlicherweise in der genannten Pressemitteilung der Zeugen
Jehovas im Widerspruch zur Gerichtsentscheidung ausdrücklich bestritten.
Darüber hinaus darf Türk
auch weiterhin verbreiten, dass die Zeugen Jehovas durch die Weitergabe von Informationen
einen umfassenden Datenbestand ansammeln, dass sie Leistungsquoten zu erfüllen haben,
dass sie mit dem 'Blutdokument' die Loyalität ihrer Anhänger überprüfen, und dass die
Zeugen Jehovas die UNO auf übelste Weise verunglimpfen.
Auch darf er weiterhin
behaupten, dass die Zeugen Jehovas die Ableistung ziviler Dienste in einem Staat
kategorisch ablehnen, und dass der neuerdings scheinbar veränderte Standpunkt zu dieser
Frage nur ein öffentlichkeitswirksamer Trick zur Erlangung der Körperschaftsrechte
darstellt.
Mit freundlichen Grüßen
Bischöfliche Pressestelle
Mainz/ Jürgen Strickstrock
Mainz, 16. Dezember
1999."
Die Art und Weise, wie die
Zeugenführung in dieser Sache agiert, erinnert schon merkwürdig an einen ähnlichen
Vorgang in ihrer Geschichte.
Es gab schon einmal solch einen
Vergleich in den zwanziger Jahren. Damals hatte der Kritiker Bomsdorff-Bergen in alle Welt
hinausposaunt, die Bibelforscher würden von amerikanischen Freimaurern finanziell
unterstützt. Etliche Einschüchterungsversuche, vermochten es nicht zu erreichen, dass
Bomsdorff-Bergen auch nur einen Millimeter von seiner These abwich. Dennoch gab es
schließlich auch dort einen Vergleich. Zwar nicht zwischen Bomsdorff-Bergen und der WTG;
wohl aber zwischen dem Verleger des Bomsdorff-Bergen und der WTG, übrigens hinter dem
Rücken des Autors und ohne dessen vorherige Kenntnis und Zustimmung. Und was besonders
bezeichnend ist, die WTG übernahm die finanziellen Kosten dieses Vergleichsverfahrens.
Man fragt sich, warum wohl? Wenn sie
ihrer Sache so "sicher" war. Aber gegenüber der nichtinformierten
Öffentlichkeit posaunte sie anschließend herum, es habe einen Vergleich gegeben. Vermied
es aber hinzuzufügen, wer dessen Kosten getragen hatte.
Theokratische Kriegslist in
Reinkultur!
Faktisch wurde durch den genannten
Vergleich das vorangegangene Gerichtsurteil in dieser Sache bestätigt. Nachstehend einige
Zitierungen daraus (gekürzt um einige spezifisch juristische Komponten - um einer
besseren Verständlichkeit willen). Die Auslassungen aus dem nachfolgenden Text werden
nicht immer als solche kenntlich gemacht (aus obigem Grunde). Zugleich werden jedoch alle
wesentlichen Aspekte berücksichtigt:
4 Q 551/97
Verkündet am 29. Januar
1999.
Urteil Im Namen des Volkes!
(Es) hat die 4. Zivilkammer
des Landgerichts Limburg a. d. Lahn aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober
1998
für Recht erkannt:
Die Klage (der
Bevollmächtigten Vertreter der Zeugen Jehovas) wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites
fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 4000,-- DM vorläufig vollstreckbar.
Mit seiner Klage begehrt der
Kläger Unterlassung einzelner Äußerungen des Beklagten (aus einer) veröffentlichten
Publikation.
Der Kläger führt den Namen
Wachtturm- Bibel & Traktat-Gesellschaft, Deutscher Zweig und veröffentlicht
religiöse Schriften, die vor allem für die Religionsgemeinschaft "Zeugen
Jehovas" im deutschsprachigen Raum veröffentlicht wurden.
Der Beklagte ist u. a.
Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen im Bistum Limburg. 1996
veröffentlichte die Beklagte in ihrem Verlag ein von dem Beklagten verfasstes Buch mit
dem Titel: "Die Zeugen Jehovas kommen: Streitpunkte, Argumente, Klärungen".
In seinem Buch setzt sich der
Beklagte kritisch mit der Glaubensgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" und dem
Kläger auseinander.
Der Kläger rügt
Äußerungen des Beklagten in seinem Buch.
Im wesentlichen rügt der Kläger die
Beschreibung seiner Finanzierung, einzelne Umstände im Rahmen der Missionsarbeit der
Zeugen Jehovas, sowie Äußerungen des Beklagten zu den religiösen Überzeugungen der
Zeugen Jehovas hinsichtlich Bluttransfusionen, Auslegung der Offenbarung des Johannes,
sowie Stellung der Zeugen Jehovas zum Zivildienst bzw. zivilen Diensten in Staat und
Gesellschaft.
Der Kläger behauptet, die in
dem Buch des Beklagten im einzelnen angegriffenen Äußerungen seien unwahre
Tatsachenbehauptungen. Durch diese Aussagen sei das Ansehen des Klägers als ehrbare
Religionsgemeinschaft herabgesetzt, wodurch der Kläger in seinen Persönlichkeitsrechten
verletzt werde. Der Beklagte beabsichtige, die gezielte Herabsetzung des Ansehens des
Klägers in der Öffentlichkeit. Durch die synonyme Verwendung der Begriffe
"Wachtturmgesellschaft" und "Zeugen Jehovas" sei der Kläger auch
insoweit betroffen, als sich der Beklagte kritisch mit der Religionsgemeinschaft der
"Zeugen Jehovas" auseinandersetze.
Der Kläger beantragt, die
Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 500.000,--,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß
oder durch den äußeren Zusammenhang den Eindruck erweckend die Behauptung aufzustellen
und / oder zu verbreiten, wie dies in dem Buch "Die Zeugen Jehovas kommen"
geschehen ist:
Die Wachtturm-Gesellschaft
bezahle Lizenzgebühren nach "Brooklyn".
Der Kläger erziele durch die
Abgabe von Literatur Gewinne, er hätte hieraus seine Haupteinnahmequelle, er liefere
Literatur an die Versammlungen (örtlichen Gemeinden) auf Kredit und die Versammlung
bezahle die Literatur nach Weitergabe an die einzelnen Zeugen Jehovas; der einzelne
bezahle die Literatur mit einer Spende.
Die Bilanz der Watchtower
Society in Großbritannien könne auf den Kläger angewandt werden, wobei der Ertrag aus
der Abgabe von Literatur 6,5 mal größer als der Spendeneingang sei; die Erträge aus dem
Vertrieb von Literatur seien 6 mal größer als die Druckkosten.
Die Wachtturm-Gesellschaft
habe inoffizielle Preislisten für die Druckerzeugnisse.
Die Ältesten würden einen
gründlichen Datenbestand über eine ganze Region durch die Weitergabe von Informationen
der einzelnen Zeugen Jehovas an die Ältesten besitzen.
Es gäbe bei den Zeugen
Jehovas Leistungsquoten, die der einzelne erfüllen müsse.
Das Formular, in dem ein
Zeuge Jehovas seine Ablehnung der Bluttransfusionen bekunde, werde von weiteren Personen
unterschrieben und könne somit dazu dienen, die Loyalität der einzelnen Zeugen Jehovas
zum Standpunkt der Verweigerung von Blut zu überprüfen.
Mit dem Begriff "Babylon
die Große" würden Jehovas Zeugen die UNO sowie den Anglo-Amerikanismus bezeichnen.
Der veränderte Standpunkt
zur Ableistung des Zivildienstes stünde im Zusammenhang mit den Bemühungen um die
Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland.
Die Zeugen Jehovas lehnten
die Ableistung ziviler Dienste in einem Staat kategorisch ab.
Die Beklagten beantragen, die
Klage abzuweisen.
Sie vertreten die Ansicht,
der Kläger sei bereits nicht betroffen, soweit es um kritische Äußerungen über die
Zeugen Jehovas als Religionsgemeinschaft ginge. Die Klage habe auch keinen
vollstreckungsfähigen Inhalt, darüber hinaus sei der Kläger nicht individuell betroffen
und eine Persönlichkeitsrechtsverletzung aus den Äußerungen nicht zu entnehmen.
Vielmehr stellten die meisten Äußerungen Werturteile dar, zum anderen seien diese in dem
Zusammenhang aufgestellten Behauptungen wahr.
Wegen des übrigen
Parteivorbringens, insbesondere die zur Stützung der jeweiligen Rechtsargumente und
Tatsachenbehauptungen vorgetragenen Details wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe.
Die Klage ist nicht
begründet.
Ein derartiger Anspruch auf
Unterlassung der gerügten Äußerungen steht dem Kläger nicht
zu.
§ 1004 BGB, der nach seinem
Wortlaut nach ausdrücklich nur auf Unterlassung von Eigentumsbeeinträchtigungen
gerichtet ist
sowie § 823
auch auf Störungen und Beeinträchtigungen des
allgemeinen Persönlichkeitsrechtes anzuwenden. Diese Grundsätze sind auch auf
juristische Personen anwendbar, wenn diese hinsichtlich ihrer Öffentlichkeitswirkung von
anderen klar abzugrenzen sind.
Eine derartige Verletzung
kann der Kläger indes nicht dartun. Es fehlt bereits für einen großen Teil der von dem
Kläger gerügten Äußerungen in dem streitgegenständlichen Buch an einer individuellen
Betroffenheit des Klägers. Dies bezieht sich insbesondere auf die Klageanträge
die sich kritisch mit Überzeugungen und Praktiken der Glaubensgemeinschaft der
"Zeugen Jehovas" auseinandersetzen.
Zwischen den Parteien ist
unstreitig, daß der klägerische Verein, der auch
"Wachtturm Bibel und
Traktat-Gesellschaft" genannt wird, nur aus einem kleinen Kreis von besonders
vertrauenswürdigen Zeugen Jehovas besteht. Dagegen stellt die Glaubensgemeinschaft der
Zeugen Jehovas einen nicht abzugrenzenden Teil von religiös Überzeugten dar. Diese sind,
wie die Beklagten in nachvollziehbarer Weise dargelegt haben, teilweise in Rechtsform
organisiert, teilweise aber auch nicht. Denn nach der Glaubenslehre, die auch vom Kläger
vertreten wird, bemesse sich die Zugehörigkeit zur "Glaubensgemeinschaft der Zeugen
Jehovas" an bestimmten religiösen Überzeugungen und der hierzu folgenden
Glaubenspraxis, nicht jedoch aus der Zugehörigkeit zu bestimmten juristischen Personen.
Ein synonymer Gebrauch der
"Wachtturm Bibel & Traktat-Gesellschaft" mit der religiösen Gemeinschaft
der "Zeugen Jehovas" mag hinsichtlich der Zuordnung des Klägers zu der
Religionsgemeinschaft vorhanden sei. Da der Kläger als juristische Person jedoch die
Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes rügt und für einen derartigen
Grundrechtseingriff und einen hieraus folgenden Unterlassungsanspruch eine individuelle
Betroffenheit und eine abgrenzbare Personengemeinschaft erforderlich ist, folgt allein aus
der Nähe des Klägers zu der Religionsgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" noch
nicht dessen individuelle Betroffenheit. Denn es handelt sich bei den in den
Klageanträgen
angegriffenen Äußerungen um kritische Bewertungen und
möglicherweise auch Tatsachenbehauptungen hinsichtlich der Glaubensüberzeugungen und
Glaubenspraxis einzelner Gläubiger oder Anhänger der Religionsgemeinschaft bzw. um die
Überzeugung oder Glaubenspraxis einzelner Versammlungen der "Zeugen Jehovas".
Soweit in anderen
Publikationen die Begriffe "Wachtturm-Gesellschaft" und "Zeugen
Jehovas" synonym gebraucht werden, folgt hieraus keine abweichende Beurteilung. Aus
welchen Gründen in anderen kritischen Publikationen über die "Zeugen Jehovas"
und / oder den Kläger eine Gleichsetzung erfolgt, entzieht sich der Kenntnis der Kammer
und bedarf auch insoweit keiner weiteren Aufklärung.
Die Klage ist auch aus
sonstigen Gründen hinsichtlich jedes einzelnen Antrages unbegründet, weil der Beklagte
keine unwahren Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, die geeignet wären, den Kläger in
seinen Persönlichkeitsrechten zu verletzen. Vielmehr handelt es sich bei den Äußerungen
jeweils um Werturteile, welche nur teilweise einen Tatsachenkern beinhalten.
Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ist die Frage, ob eine Schlußfolgerung oder ein Werturteil
falsch oder richtig, wertvoll oder nicht wertvoll ist, im Hinblick auf den weiten
Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich außer Betracht zu lassen, sofern
nicht die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist. Ob eine bestimmte Äußerung als
Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist, muss bereits auf der
Tatbestandsebene im Lichte des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewertet werden. (BVerf G v. 11.
11. 1992, abgedr.: NJW 1993, S. 1845).
Vermengen sich in einer
Äußerung wertende und tatsächliche Elemente in einer Weise, daß die Äußerung
insgesamt als Werturteil anzusehen ist, können im Rahmen der Abwägung die Richtigkeit
und die tatsächlichen Bestandteile eine Rolle spielen. Enthält die Meinungsäußerung
erwiesen falsche oder bewusste unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das
Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter dem Rechtsgut, welches durch das Grundrecht
beschränkende Gesetz geschätzt wird, zurücktreten. Auch in diesem Fall ist zu beachten,
daß an die Wahrheitspflicht im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen
gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen oder nur
auf die Meinungsfreiheit insgesamt wirken können (BVerfG a.a.0.).
Für die Zivilgerichte hat
dies nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 1994, S. 124 ff.) zur Folge, daß eine
Meinungsäußerung, mit der der Äußernde einen Beitrag zu einer im geistigen
Meinungskampf in der Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage leisten will, die
Vermutung der Zulässigkeit für sich hat, solange nicht die Grenze zur bloßen
Schmähkritik erreicht ist. Je extentieller das Sachanliegen des öffentlichen
Meinungskampfes ist, desto eher muss eine juristische Person oder dessen personalisiertes
Organ hinnehmen, daß das durch die Personalisierung und durch das Sachanliegen geweckte
abwertende Urteil in der Öffentlichkeit besonders kritisch wahrgenommen wird.
Insoweit ist allgemein zu
berücksichtigen, daß es sich beim Kläger um einen Verein handelt, der in seinen eigenen
religiösen Publikationen gleich der Beklagten religiöse Streitschriften veröffentlicht,
die sich kritisch mit Weltanschauungsfragen beschäftigen, dabei vom Kläger abweichende
Weltanschauungen kritisiert werden und sich insbesondere auch kritisch mit der
Religionsgemeinschaft auseinandersetzen, der der Beklagte angehört.
Unter Berücksichtigung
dieser allgemeinen Voraussetzungen erreichen die Darlegungen des Beklagten an keiner
Stelle die Grenze der unzulässigen Schmähkritik und sind in jedem Falle von dem
Grundrecht der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Der Kläger hat diese
gemäß 1004 Satz 2 BGB hinzunehmen.
Im einzelnen:
Diesem Unterlassungsbegehren
liegt im wesentlichen das Kapitel ."Finanzierung" des Beklagten ab S. 76 des
streitgegenständlichen Buches zugrunde, insbesondere Äußerungen des Beklagten zu auf S.
78 und 79 sowie S. 81.
Die hinsichtlich der
Klageanträge gerügte Äußerungen beruhen allerdings auf einem Zitat des Beklagten auf
S.81. Hier zitiert der Beklagte einen Aufsatz, in welchem er Autor und Belegstelle benennt
und das Zitat auch durch eine besonders hervorgehobene andere Schriftart kennzeichnet. Die
gerügten Äußerungen stammen nicht vom Beklagten sondern aus der von ihm zitierten
Publikation, die sich auch nicht mit dem Kläger, sondern der Wachtturmgesellschaft
Großbritanniens auseinandersetzt.
Diese Beschreibung wird nicht
dadurch zu einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung, das der Beklagte Schluss des Zitates
hinzufügt: "Man kann hinzufügen, daß diese Bilanzzahlen nahtlos auf Deutschland,
das gegenüber Großbritannien noch etwa 40.000 Verkündiger mehr aufweisen kann,
übertragen werden können".
Hierdurch machte der Beklagte
nämlich deutlich, daß seine abschließende Äußerung eine reine Schlussfolgerung ist,
die allenfalls durch die Verwendung des Begriffes "nahtlos" einen bestimmten
Tatsachenkern enthält. Dieses Urteil haben die Kläger jedoch hinzunehmen.
Denn der Beklagte behauptet
hier nicht positiv, daß der Kläger Literatur veräußert, sondern beschreibt den aus
seiner Sicht vorhandenen Finanzierungsweg. Hierbei ist zudem von Bedeutung, daß der
Beklagte auf S. 79 unten weiter schlussfolgernd zusammenfasst, was er nach seiner Ansicht
aus einem dieser Zusammenfassung vorangestellten Zitat einer Publikation des Klägers zu
entnehmen glaubt.
Die Darstellung des Beklagten
der Kläger erziele durch die Abgaben von Literatur Gewinne, und hätte hieraus seine
Einnahmequelle, ist lediglich die vom Beklagten vorgenommene Bewertung des aus seiner
Sicht gegebenen Zusammenhangs zwischen der zur Verfügungstellung von Literatur und der
Gabe von Spenden.
Der Kläger hat im Hinblick
auf das zuvor Ausgeführte hinzunehmen, daß aufgrund der Darstellung des Beklagten der
von ihm auch beabsichtigte Eindruck entstehen soll oder kann, welchen der Kläger als
persönlichkeitsrechtsverletzende Tatsachenbehauptung wertet.
Eine kritische Bewertung darf
auch in scharfer Form erfolgen. Sie ist nach dem Dargelegten noch nicht als
persönlichkeitsrechtsverletzender Grundrechtseingriff zu Lasten des Klägers anzusehen.
Sie ist durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Eine Schmähkritik ist sie
nicht.
Unerheblich ist auch, daß
auf S. 79 am Ende der Seite in dem Schaubild die Worte "spenden" und
"bezahlen" möglicherweise tatsächlich synonym gebraucht werden (wegen des
Zeichens: "=" und dieser Gebrauch vom Beklagten auch beabsichtigt ist. Der
Beklagte hat diesem Schaubild indes die Formulierung vorangestellt. "Der in der
Abbildung noch einmal schematisch dargestellte Weg galt so bis 1991 und gilt in seinen
Hauptzügen auch
noch heute".
Der Beklagte hat
ausdrücklich klargestellt, daß Literatur nicht veräußert wird, sondern lediglich
Spenden durch den Kläger eingenommen werden. Soweit der Beklagte aus der Spendenpraxis
des Klägers andere Schlussfolgerungen zieht als der Kläger selbst, ist dieses Werturteil
des Beklagten nicht als rechtswidrige Beeinträchtigung des klägerischen
Persönlichkeitsrechts zu werten.
Überdies ist der Antrag
bereits deshalb unbegründet, weil der Beklagte nicht behauptet hat, die
Wachtturm-Gesellschaft habe "inoffizielle Preislisten für die
Druckerzeugnisse". Diese Äußerung ist dem Buch des Beklagten nicht zu entnehmen, da
es auf S. 80 des streitgegenständlichen Buches lediglich heißt - "Seit. dem 1. Juli
1991 findet man offiziell keine Preisangaben mehr zu den Druckerzeugnissen". Diese
Äußerung des Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.
Soweit in der Wortwahl
möglicherweise ein kritischer und zweifelnder Unterton mitschwingt, handelt es sich
insoweit um eine bloße Bewertung des Beklagten.
Die vom Kläger gerügte
unwahre Tatsachenbehauptung liegt in der Äußerung des Beklagten nicht.
Abgesehen von dem Umstand,
daß diese Passage auf S. 169 des streitgegenständlichen Buches, wie bereits ausgeführt,
auf die Glaubenspraxis der Zeugen Jehovas und gerade nicht auf den Kläger bezieht, ist
der streitgegenständlichen Äußerung auch nicht der Sinn beizulegen, wie der Kläger
vorgetragen hat.
Der Beklagte behauptet
nämlich nicht, die in den "Hauszu-Haus-Notizen" festgehaltenen Informationen
würde zu einem Datenbestand systematisch zusammengestellt, um so einen gründlichen
Datenbestand über die ganze (missionierte) Region zu haben. Darüber hinaus folgt aus dem
Kontext jener Äußerung, daß der Beklagte aus der - teilweise unstreitigen - Praxis der
"Haus-zu-Haus-Notizen" der Zeugen Jehovas nur eine bestimmte Schlussfolgerung
auf deren Funktion gezogen hat. Daneben haben die Beklagten diese Praxis auch durch
Selbstzeugnisse des Klägers belegt. Nach dem oben dargelegten kann der Kläger insoweit
keine Unterlassung verlangen.
Auch hier zieht der
Beklagte unter Berücksichtigung seiner ausgewerteten und der Kammer vorgelegten
Selbstzeugnisse des Klägers lediglich den Schluss, daß einzelne "Zeugen
Jehovas" im Hinblick auf ihre Glaubensüberzeugung und die Publikationen des Klägers
unter Leistungsdruck gesetzt würden. Diese Bewertung der religiösen Tätigkeit der
"Zeugen Jehovas" unterliegt der Meinungsfreiheit und ist rechtlich als
Werturteil mit Tatsachenkern nicht zu beanstanden.
Ergibt sich bereits
aus dem Kontext der von den Klägern angegriffenen Äußerung des Beklagten auf S. 183,
daß zur Funktion der Willenserklärung einzelner Zeugen Jehovas zur Bluttransfusion
(Patientenerklärung) eine reine Mutmaßung und Bewertung in den Raum gestellt wird.
Bereits der Wortlaut der angegriffenen Äußerung enthält lediglich eine Bewertung :
"Damit gewinnt diese Karte den Charakter eines scheinbar amtlichen Dokumentes und
kann gleichzeitig dazu dienen, die Gesinnung eines "Zeugen Jehovas" und seine
Loyalität zur Versammlung in regelmäßigen Abständen zu überprüfen". Im übrigen
hat der Beklagte die von dem Kläger unterstellte Bewertung gar nicht vorgenommen.
Auch der Klageantrag
ist unbegründet. Zwar wird von den "Zeugen Jehovas" eine Gleichsetzung
der apokalyptischen Figur "Babylon - Die Große" mit der UNO und dem
Anglo-Amerikanischen Rechtskreis nicht vorgenommen, so daß die Begriffsbestimmung des
Beklagten insoweit unscharf ist. Da der Kläger selbst die UNO und das politische System
des Anglo-Amerikanismus mit einer anderen biblischen Negativfigur identifiziert (vgl. S.
240 - 243 der zitierten Publikation des Klägers) kann eine ungenaue Zuordnung einer
biblischen Negativfigur durch den Beklagten bereits per se nicht geeignet sein, eine
Rechtsverletzung zu Lasten des Klägers zu begründen.
Soweit sich der Beklagte auf
S. 63 des streitgegenständlichen Buches mit der Einstellung der Zeugen Jehovas zum
Zivildienst auseinandersetzt, begegnet auch diese Äußerung des Beklagten unter dem
Gesichtspunkt des § 1004 BGB keinen rechtlichen Bedenken. Zwischen den Parteien ist
unstreitig, daß der Kriegsdienst mit der Waffe aber auch der Wehrersatzdienst
(Zivildienst) von den "Zeugen Jehovas" aus religiösen Gründen abgelehnt
wurde.
Unstreitig ist ferner, daß
die Frage des Zivildienstes seit Mitte der 90-er Jahre ethisch differenzierter betrachtet
wird.
Der Beklagte hat auf S. 63
seines Buches lediglich diese unstreitigen Tatsachen dargestellt und diesem folgende
Bemerkung hinzugefügt: "Sicherlich ist die Umstellung der Lehre im Zusammenhang mit
den Bemühungen der "Zeugen Jehovas" in Deutschland zu sehen, als Körperschaft
öffentlichen Rechts anerkannt zu werden".
Bereits ihrem Wortlaut nach
handelt es sich bei dieser Darstellung durch den Beklagten um eine reine Bewertung und
Schlussfolgerung. Die Bemühungen "Zeugen Jehovas" als Körperschaft des
öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, sind ihrerseits gerichtskundig. Dies ergibt sich
insbesondere aus der in der Öffentlichkeit diskutierten Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 26.6.1997 (Aktenzeichen 7 C 11/96).
Die Kläger können auch
nicht Unterlassung einer Äußerung des Beklagten auf S. 201 des streitgegenständlichen
Buches verlangen: "Militärische oder zivile Dienste in einem Staat lehnen die
"Zeugen Jehovas" kategorisch ab."
Es kann dahingestellt
bleiben, ob die von dem Beklagten geschilderte Überzeugung zutrifft oder nicht. Zunächst
ist bereits die Beschreibung des Beklagten, so sie hinsichtlich der zivilen Dienste unwahr
wäre, nicht geeignet, den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht herabzusetzen. Diese
Beschreibung des Beklagten bezieht sich ihrem Inhalt nach lediglich auf die
Glaubensüberzeugung eines einzelnen Angehörigen der Glaubensgemeinschaft. Hierdurch kann
der Kläger bereit per se nicht betroffen sein.
Darüber hinaus wäre auch
eine unzutreffende oder verfälschte Darstellung durch den Beklagten zu dieser Frage,
nicht geeignet, herabsetzend zu wirken. Die möglicherweise unzutreffend beschriebene
Glaubensüberzeugung einzelner Mitglieder der "Zeugen Jehovas" selbst wird vom
Grundgesetzt toleriert. (Art. 4 Abs. 1 GG).
Da die Werteordnung des
Grundgesetzes eine kritische, ablehnende oder neutrale Haltung eines Bürgers zu dem
Gemeinwesen in dem er lebt, nicht nur toleriert, sondern schützt, kann die Behauptung,
jemand nehme zu den Rechten und Pflichten des Bürgers im Gemeinwesen eine kritische und
ablehnende Haltung ein, denjenigen, auf welchen sich diese Behauptung, bezieht, nicht in
seinem Persönlichkeitsrecht verletzen.
Darüber hinaus ist die vom
Kläger angegriffene Äußerung des Beklagten auf S. 201 des streitgegenständlichen
Buches in seinem sprachlichen und systematischen Kontext der Darstellung des Beklagten zu
sehen. Der Begriff "zivile Dienste" ist zunächst mehrdeutig.
Soweit mit dem Begriff
"zivile Dienste" der "Zivildienst" im Sinne des Wehrersatzdienstes
gemäß Art. 4 Abs. 3, 12 a Abs. 2 GG gemeint sein könnte, folgt bereits aus dem
sonstigen Zusammenhang der Darstellung, daß der Beklagte eine grundsätzliche Ablehnung
des Zivildienstes durch die "Zeugen Jehovas" seit dem Jahre 1996 nicht
behauptet. Denn er hat in seiner Publikation bereits hinreichend deutlich zum Ausdruck
gebracht, in welchem Zusammenhang diese Äußerung stünde, wenn sie sich auf den
Wehrersatzdienst bezöge.
Soweit der Beklagte den
Begriff "zivile Dienste" in einem weiteren Sinne, als auf den Wehrersatzdienst
bezogen, gebrauchen wollte, ist auch insoweit die Äußerung des Beklagten rechtlich nicht
zu beanstanden. wie sich aus dem Kontext der weiteren Darstellung des Beklagten auf S. 201
- 208 des streitgegenständlichen Buches ergibt, beschäftigt sich der Beklagte auf dem
Hintergrund seiner abweichenden theologischen Auslegung des Römerbriefes (Kapitel 13) mit
der Auslegung dieser Bibelstelle durch den Kläger anhand dessen Selbstzeugnisse. Sie sind
zur Gerichtsakte gelangt und ihr Inhalt ist unstreitig.
Aufgrund seiner eigenen
theologischen Begriffsbestimmung zieht der Beklagte aus klägerischen Äußerungen in
"Der Wachtturm" bestimmte Schlüsse. Er meint, die Überzeugung des Klägers
bzw. einzelner "Zeugen Jehovas" zur Beteiligung an zivilen Diensten in der
Gesellschaft ergäbe sich notwendig aus der theologischen Begriffsbildung von Römer 13
und Lukas 20:25. Deshalb unterstellt er eine ablehnende Haltung der "Zeugen
Jehovas" zu Staat und Gesellschaft. Diese schlussfolgernde Bewertung ist nicht zu
beanstanden.
Darüber hinaus wäre eine
entsprechende vom Beklagten beschriebene Überzeugung einzelner "Zeugen Jehovas"
ungeeignet, den einzelnen Überzeugungsträger in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.
Die Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in Art. 4 GG zum Ausdruck kommt,
steht auch einer ablehnenden, kritischen oder distanzierten bis neutralen Haltung des
einzelnen zu gesellschaftlichen oder öffentlichen Institutionen neutral gegenüber.
Insoweit kann die Behauptung,
jemand nehme eine bestimmte politische Überzeugung ein, nicht ehrenrührig sein, wenn
diese Überzeugung ihrerseits im Rahmen der Wertordnung des Grundgesetzes keine
Negativbewertung erhält und geschützt wird.
Die Kostenentscheidung folgt
aus 91 ZPO.
Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in § 709 ZPO.
Mainzer
Bistumsnachrichten 3. 3. 1999