Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Suizidfall Heinz

(gelesen in der CV Nr. 174; Januar 1984)

ZEUGENSELBSTMORD IN ROSTOCK

EIN junger Mann nahm sich im November des Jahres 1982 das Leben. Ehemann, Vater dreier Kinder, davon eines schwerstbeschädigt.

HEINZ WAR EIN ZEUGE JEHOVAS.

Sein Leben

HEINZ G. wuchs in einer katholischen Familie auf und wurde im christlichen Sinne erzogen. Nach der Schulzeit begann er den Beruf eines Glasers zu erlernen und arbeitete in diesem Metier nach dem erfolgreichen Abschluß seiner Lehre auch weiter. Unauffällig, bescheiden und ruhig, von seinen Kollegen geachtet.

Bald lernte er ein Mädchen kennen und lieben. Genau wie er, ruhig und bescheiden. Aber - mit ihr und ihren Eltern wird studiert. Da sie ein gottgefälliges Leben führen wollen, lassen sich nacheinander Tochter und Mutter von den Zeugen Jehovas taufen.

Der Weg zu den Zeugen Jehovas

FÜR HEINZ wird es klar: Dieses Mädchen wirst du nur heiraten können, wenn du ihren Glauben annimmst. Und warum auch nicht? Von verschiedenen Menschen- seiner Kirche in bezug auf ihre tätige Liebe enttäuscht, meint er jetzt, den richtigen Weg gefunden zu haben. Und er geht ihn gegen den Widerstand seiner Eltern. Anfang der 1970er Jahre zu den ZJ gestoßen, dauert es keine zwei Jahre und er läßt sich taufen. Erster Nachwuchs stellt sich ein. Leider ist es ein Kind mit einem schweren geistigen Leiden. Es gibt Probleme, trotzdem sorgen beide für dieses, wie auch für die zwei folgenden Kinder, mit elterlicher Liebe.

Erkenntnisse

LEIDER wird ihr eheliches Glück durch Geschehnisse in den Reihen der ZJ getrübt. Heinz muß erkennen, daß es mit der Liebe unter den Glaubensbrüdern nicht so gut bestellt ist, wie sie in den WTG-Publikationen immer geschildert wird. Da werden sie z.B. mit ihren Kindern zu einem Kinderfest bei der Familie L. eingeladen. Diskret wird ihnen aber gesagt, daß sie Carola - das schwerbehinderte Mädchen - nicht mitbringen sollten. Heinz entscheidet:

Entweder alle oder keiner.

Sie nehmen ihre Tochter mit. Hinterher werden ihnen Vorhaltungen gemacht. Carola hätte mit ihrer Anwesenheit dem ausgelassenen Treiben Abbruch getan.

NOCH deutlicher wird die Schw. Anni D. Heinz verbüßt eine Freiheitsstrafe wegen seiner Verweigerung des Reservistendienstes. Eva kann das Studium nicht regelmäßig besuchen, da es auf eine ihr ungünstige Zeit gelegt wurde. Schließlich müssen die Kinder versorgt werden. Die besagte Schwester rät: Die Carola kann man ja im Bett festbinden. Auch ihre einmal fallengelassene Bemerkung, für Carola sei es besser, wenn sie sterben würde, zeugt von einer Unreife, die man dieser über 80jährigen Dame leider noch attestieren muß. Übrigens:

DER damalige Studienleiter Bruno K, ein in Rostock als besonders dogmatisch und herrschsüchtig bekannter Zeuge - änderte die Zeit des Versammlungsstudiums nicht. Vielleicht hatte er Angst, eine Fußballspielübertragung im Fernsehen nicht miterleben zu können? Aus diesem Grund kam er zu einer Zusammenkunft schon mehr als einmal zu spät und fand dies anscheinend auch noch normal.

Brüderliche Liebe

TROTZ allem erfüllt Heinz über Jahre seine Aufgaben als Studienleiter.

Die Zusammenkünfte finden in einem Dorf außerhalb von Rostock statt und er muß etliche Kilometer wöchentlich mit dem Moped, später mit dem Auto, fahren. Da sind auch noch die ungeschriebenen Verpflichtungen bei den ZJ, die u.U. zu einer schweren Bürde führen können. Ein Glaser ist unter Glaubensbrüdern sehr gefragt. Auch die Ältesten nehmen keine Rücksicht darauf, daß Heinz Frau und Kinder hat, die umsorgt werden wollen. Ein Bruder baut sein Haus aus. Nach Fertigstellung sollen auch Ferienpioniere darin wohnen können. Brüder aus Rostock und Bad Doberan werden engagiert. Heinz wird um Mitwirkung gebeten, kann nicht nein sagen und opfert wertvolle Stunden seiner Freizeit.

Hilfe dringend erforderlich

DASS hier Konflikte entstehen und Ausgangspunkt für weitergehende Probleme werden, kann sicher jeder verstehen. Durch das Verhalten vieler Zeugen provoziert, nimmt Heinz einige Lehren der WT-Gesellschaft unter die Lupe und erkennt bald Widersprüche, die seinen Konflikt vergrößern. Mit wem kann er schon offen über solche Fragen reden, ohne als ketzerisch verschrieen zu werden? Die Probleme innerhalb der Familie werden größer. Eva wendet sich an einen Ältesten um Rat. Ein Komitee tritt zusammen. Es macht es sich einfach. Heinz wird das Amt eines Studienleiters aberkannt und ihm wird Gemeinschaftsentzug angedroht.

Statt echter Hilfe also Züchtigung. Heinz kapselt sich immer mehr ab. Nachdem er unzählige kaputte Fensterscheiben bei seinen Glaubensbrüdern repariert hat, hilft ihm keiner, seine angeschlagene Ehe zu retten.

WAS mag in seinem Kopf vor sich gegangen sein? Jahrelange WTG-Beeinflussung hinterlassen ihre Spuren!

Einen Tag später nahm er den Strick…

Danach

DIE Ältesten lehnten eine Beerdigungsansprache ab. Sie könnten es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren. Bei einer Aussprache mit Eva gaben sie zu, nach Heinz seinem Tod sich bei den Hausbewohnern über ihre Ehe erkundigt zu haben.

Ironie des Schicksals?

Jetzt ist Eva auch keine Zeugin Jehovas mehr.

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