Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Ein internes Schreiben der Zeugen Jehovas und sein Hintergrund

Kritiker sind der Meinung, dass die Einstampfung der seinerzeitigen WTG-Broschüre „Jehovas Zeugen und die Schule", auch dem Kontext zugeordnet werden muss, Erringung der KdöR-Ansprüche.

Und dabei erwies sich jene Broschüre, die einiges noch ohne Verklausulierung aussprach, als zunehmende Belastung. Deshalb musste diese Broschüre von der weiteren Verbreitung ausgeschlossen werden.

Es ist nicht uninteressant zu sehen, wie diese Broschüre bereits kommentiert wurde, wie sie gerade mal neu herausgekommen war. Aus einem diesbezüglichen Kommentar der EZW, in der CV 183 und 184 auch zitiert, kann man einiges dazu entnehmen:

JEHOVAS-ZEUGEN-KINDER IN DER SCHULE

Bericht aus der BRD. - Aus dem MD 11/83 der EZW

Anläßlich der letzten Kongresse der Zeugen Jehovas wurde wieder einmal eine neue Aktion gestartet:

Jehovas Zeugen, die schulpflichtige Kinder haben, sollten ein 30-Seiten-Heft "Jehovas Zeugen und die Schule" erwerben und dann bei den Lehrern vorsprechen, um diese über den Glauben und das Verhalten ihrer Kinder aufzuklären und ihnen das Heft zu überreichen. Der Zweck der Aktion ist auf der ersten Seite des Heftes so formuliert:

"Wir möchten Schulleitung und Lehrer mit denjenigen Glaubensansichten der Zeugen Jehovas vertraut machen, die einen Einfluß auf ihre Teilnahme an schulischen Aktivitäten haben."

Dabei soll es darum gehen,"die Zusammenarbeit zwischen Jehovas Zeugen und der Lehrerschaft sowie das gegenseitige Verständnis füreinander zu fördern."

Ähnlich, aber wie bei der Aktion mit der "Blut-Broschüre" vor sechs Jahren, bei der die Ärzte über die Verweigerung von Bluttransfusionen seitens der Zeugen Jehovas aufgeklärt werden sollten, verfolgt auch diese Aktion ganz offensichtlich noch einen weiteren Zweck:

Jehovas Zeugen sollen, indem sie aufgefordert werden, das Verhalten ihrer Kinder den Lehrern vorzustellen und zu erläutern, auf diese Verhaltensform selbst festgelegt werden.

Für den Außenstehenden ist es gewiß sehr interessant, auf diese Weise genau zu erfahren, was von einem Zeugen Jehovas erwartet wird und was in den übrigen Schriften der "Wachtturm-Gesellschaft" meist nur vage angedeutet ist. Versetzt er sich aber in die Lage der Betroffenen, nämlich der Kinder von Zeugen Jehovas, dann mag sich sein Interesse in Erschrecken verwandeln. Denn diese jungen Menschen werden dazu erzogen, die Schule - die für Jehovas Zeugen ein Teil "dieses vergehenden Systems der Dinge" ist - lediglich zum Lernen zu benützen ("wir schätzen überall auf der Erde eine gute Schulbildung", heißt es auf S. 4); im übrigen aber sollen sie sich von ihr, d.h. von dem schulischen Leben als einem sozialen Ganzen, von der Klassengemeinschaft und von der die Schule tragenden Gesellschaft möglichst distanzieren.

Sich von der Welt zu trennen, die in der : Macht des Bösen ist und eine verderbliche Moral hat, ist der Grundsatz der Zeugen Jehovas, der das ganze Heft durchzieht. Keine Bibelstelle wird in ihm so häufig zitiert wie Joh. 17,16 (und Joh. 15.19):

"Sie sind kein Teil der Welt, so wie ich kein Teil der Welt bin."

Im einzelnen geht es nicht nur darum, daß Jehovas Zeugen der staatlichen Ordnung, die sie respektieren, keine Ehrerbietung erweisen, was für sie gleichbedeutend mit Anbetung wäre:

Sie sollen also keine Flagge grüßen, bei der Nationalhymne nicht mitsingen und auch nicht aufstehen, an patriotischen Zeremonien (etwa beim Nationalfeiertag) nicht teilnehmen u.a. Ebensowenig sollen sie das Schulgebet mitsprechen, selbst wenn es sich nur um das Vaterunser handelt; denn die gesamte religiöse Betätigung hat ausschließlich in den eigenen Reihen zu geschehen .

Gravierender ist es schon, wenn sich Kinder von Zeugen Jehovas nicht als Klassensprecher aufstellen lassen dürfen,nicht in der Schülermitverwaltung tätig sein und sich bei entsprechenden Wahlen nicht beteiligen dürfen. Für sie gilt es, "neutral zu bleiben" und "sich nicht in die Schulpolitik" einzumischen" (S. 16).

Des weiteren sind sie ausdrücklich gehalten, sich von einem eventuellen Wehrkundeunterricht in der Schule abzumelden und sich an keiner Ausbildung zu beteiligen, die sie dazu ausrüstet, "mit anderen zu kämpfen" (also Kampfsport wie Ringen und Boxen, Judo, Karate etc.).

Aber die schroffe Trennung von der schulischen und jugendlichen Umwelt geht noch sehr viel weiter. Zeugen-Jehovas-Schüler dürfen sich "an den meisten Festen und Feiern nicht beteiligen", weil "die damit verbundenen Bräuche einen nicht-christlichen religiösen Hintergrund haben" (S.17). Dramatische Bibelworte werden hierzu als Belege zitiert, wie 2. Kor. 6,14-17:

"Welche Gemeinschaft besteht zwischen Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Teilhaberschaft hat Licht mit Finsternis? Welche Harmonie besteht zwischen Christus und Belial? Oder welchen Anteil hat ein Gläubiger mit einem Ungläubigen?... Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht Jehova."

Auf fünf Seiten werden in den erwähnten Heft alle für Jehovas Zeugen verbotenen Feste aufgeführt: Geburtstag, Weihnachten und Ostern, Allerheiligen, der Neujahrstag, der Maifeiertag und Muttertag. Dazu nationale Feiertage.

In einem weiteren Abschnitt werden gemeinsame bzw. gemeinschaftliche Unternehmungen, die außerhalb des Lehrplanes stehen, als für einen Zeugen Jehovas fragwürdig hingestellt.

Die jungen Zeugen sollen "der biblischen Mahnung gemäß" ihre .Freizeit in erster Linie "in Gemeinschaft mit ihren Glaubensbrüdern" verbringen: "zusammen mit denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen (2. Tim. 2,22)". Das gilt zum Beispiel für den Sport, der die Jugendlichen davon abhält, "die Zeit außerhalb der Schule hauptsächlich geistigen Interessen zu widmen anstatt besondere Fähigkeiten auf sportlichem Gebiet zu erwerben" (S. 23).

Besonders aber gilt es für Schülerbälle und Parties. "Wer an solchen Bällen teilnimmt, gerät fast unvermeidlich in schlechte Gesellschaft ... Gewöhnlich wird dabei geraucht und übermäßig viel getrunken, und es kommt sogar zu Drogenmißbrauch und skandalösem sexuellen Verhalten."- S.24

Auch der Beitritt zu Schulvereinen muß von den Eltern zuerst genau überprüft werden, denn "es ist beobachtet worden, daß die Beteiligung an ihnen oft zu unmoralischem Benehmen führt". Des weiteren wird das Mitwirken in einem Schulorchester nicht gerne gesehen, denn dieses Orchester könnte bei religiösen und politischen Anlässen spielen müssen. Die Zeugen Jehovas sind von einer fast panischen Angst erfüllt, sich hierdurch zu verunreinigen. Auch "ist der Zeitaufwand zu berücksichtigen und ob es Überschneidungen mit christlichen Zusammenkünften und Familienaktivitäten (der Zeugen Jehovas) gibt" (S. 29).

Schließlich "werden Eltern, die Zeugen Jehovas sind, eine Anzahl Faktoren berücksichtigen, bevor sie ihren Kindern erlauben, bei einem Theaterstück in der Schule mitzuwirken". Dazu gehört vor allem die Frage: "Ist das, was in dem Stück dargestellt wird, in Übereinstimmung mit biblischen Grundsätzen?. Jugendliche Zeugen Jehovas werden nicht in einem Stück mitwirken, in dem Sittenmaßstäbe gutgeheißen werden, die die Bibel verurteil. Außerdem erfordert das Proben viel Zeit und ist unter Umständen mit schlechter Gesellschaft verbunden." (S. 25)

An dieser Stelle des Heftes wird den Schuldirektoren und Lehrern klargemacht, daß im Grunde die Eltern das Erziehungsrecht über ihre Kinder haben und daß Jehovas Zeugen von diesem Recht Gebrauch machen. So werden die Eltern aufgefordert, auch den Unterricht selbst zu überwachen und dort zu revoltieren, wo er den biblischen Grundsätzen zuwiderläuft. Das betrifft den Naturkundeunterricht, in dem "die Evolutionslehre oft als wissenschaftliche Tatsache hingestellt wird". Hier wird erwartet, "daß die Lehrer die biblische Überzeugung jugendlicher Zeugen Jehovas respektieren". Ein anderer kritischer Punkt ist die Sexualerziehung in der Schule. Hierzu heißt es in dem Heft:

"Jehovas Zeugen sind bemüht, sich an die moralischen Grundsätze der Bibel zu halten und sie ihren Kindern einzuprägen. Daher wünschen sie nicht, daß ihre Kinder Sexualunterricht von Personen erhalten, die diese Grundsätze nicht respektieren."

In einem solchen Fall "werden sie darum bitten, daß ihre Kinder vom Sexualunterricht befreit werden, oder ihre gesetzlichen Rechte in Anspruch nehmen" und darauf drängen, daß "ihre eigenen Vorstellungen den Schülern ebenfalls vermittelt werden".

Nun ist gewiß nichts dagegen einzuwenden, wenn Jehovas Zeugen protestieren, falls ihre Kinder in der Schule negativen Einflüssen ausgesetzt sind oder einseitig weltanschaulich beeinflußt werden. Das sollten alle Eltern tun. Auch ist das propagierte Anliegen der hier besprochenen Aktion, nämlich den Kontakt mit den Lehrern herzustellen, um das Verhalten der Zeugen-Jehovas-Kinder zu erklären, durchaus positiv zu bewerten, was erschüttert, ist das Absonderungsprinzip, das in bezug auf die jugendlichen Zeugen Jehovas in seiner ganzen Härte sichtbar wird: Sie werden aus der Gemeinschaft, die das Miteinanderleben in der Schule 9-13 Jahre lang für sie bedeutet, weitgehend herausgelöst; werden gezwungen, sich fortwährend als Außenseiter zu profilieren. Das bedeutet eine außerordentliche seelische Belastung. Ihr Weg ist mit Verboten gepflastert, und das Fatale ist, daß sie kein Äquivalent erhalten.

Denn die "Wachtturm-Gesellschaft" ist keine Glaubensgemeinschaft, die ihren Mitgliedern all das, was ihnen im schulischen und gesellschaftlichen Bereich genommen wird, im internen Raum bieten würde. Sie hat kein Jugendprogramm, wie sie überhaupt kein Gemeindeleben im christlichen Sinn aufzuweisen hat.

Sie ist vielmehr eine missionarische Dienstkörperschaft, die eine indoktrinierte Schulung bietet (zu der die Kinder mitgenommen werden) und die missionarische Leistung fordert.

Aus diesem Grund stellt für die Lehrer der Besuch von Zeugen-Jehovas-Eltern mit dem genannten Heft eine Herausforderung dar. Sie würden ihre Rolle schlecht spielen, wenn sie nur zuhören und beteuern würden: "wir werden den Glauben ihrer Kinder soweit wie möglich respektieren". Vielmehr liegt es an ihnen, den Zeugen-Jehovas-Eltern klarzumachen, wie inhuman und antisozial die Forderungen im Grunde sind, die sie erheben. Und es gilt, miteinander zu versuchen, den Kindern so viel schulische Gemeinschaft und freie Meinungsbildung zu ermöglichen, wie es irgend geht.

Man vergleiche auch:

Jehovas Zeugen und die Schule

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