Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Datenspekulationen

Ein herausragendes Merkmal des 1943 (in Deutsch 1946) erschienenen WTG-Buches "Die Wahrheit wird euch frei machen", ist auch dass darin enthaltene Kapitel über "die Zeitrechnung". Mit vielerlei Daten jonglierend ist besonders bedeutsam, dass erstmals seit Russells Tagen, der Russell'schen Berechnung in den "Schriftstudien": 1872 seien 6.000 Jahre Menschheitsgeschichte beendet, der Laufpass gegeben wird.

Die WTG vermied es damals noch, es direkt auszusprechen. Aber wenn man die vielerlei genannten Daten zusammenrechnete, erbrachten sie ein Ergebnis. 1972 wären nunmehr, nach dieser Berechnung, die ominösen 6.000 Jahre beendet.

Wie man weiß, sollte dieser "letzte Schrei" nicht der "allerletzte Schrei" gewesen sein. Später noch, wurde dann aus 1972 - 1975.

Aber bleiben wir erst mal bei der "Wahrheitskreation" von 1943. Nachstehend, auszugsweise einige der darin offerierten Daten.

Szenenwechsel:

Ein kirchliches Lexikon (Calwer Kirchenlexikon) schreibt über den katholischen Theologen Paul Riessler (1865 - 1935), dass er auch als Bibelübersetzer bekannt geworden sei. Seine Übersetzung des Alten Testaments; später ergänzt durch eine Übersetzung des Neuen Testaments durch R. Storr, wird gelegentlich auch in den WTG-Schriften zitiert. Riessler hat aber noch mehr übersetzt und herausgegeben. Dazu liest man in genanntem Lexikon:

"Sein Werk 'Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel', 1928, ist eine sehr reichhaltige Sammlung sonst schwer erreichbarer Schriften."

In der Tat, was heute als Bibel bekannt ist, stellt ja nur eine tendenziöse Auswahl der siegreichen Kirche dar. Nach dem Motto. Die guten ins Körbchen - die schlechten ins Kröpfchen.

Viele der aussortierten Schriften werden auch bei Riessler offeriert. Es würde wahrlich wunder nehmen, sollte man dort nicht auch gewissen Datenähnlichen Spekulationen begegnen. Man braucht sich nicht zu wundern. Man findet das auch dort vor. Beispielsweise in der "Apokalypse des Abraham" die nebulösen Worte (Kap. 28):

"Ich sprach:

Ewiger, Mächtiger, Einziger!

Und wieviel Zeit bedeutet eine Weltenstunde?

Er sprach:

Zwölf Stunden habe ich bestimmt für dieses schlimme Weltenalter, auf dass es in der Heidenwelt regiere und in deinem Stamm.

Bis an der Zeiten Ende wird es sein,

wie du gesehen.

Berechne und versteh!"

Oder wenn man im "Vierten Esdras-Buch" (Kapitel 12) liest:

"Die Weltgeschichte ist ja in zwölf Teile eingeteilt,

Gekommen ist sie bis zum zehnten

Und bis zur Hälfte dieses Zehnten.

Es bleiben nur noch zwei

Nach dieses zehnten Teiles Hälfte.

Bestell dein Haus!

Ermahn dein Volk!

Trost seine Armen!

Lehr seine Weisen!

Du selbst entsage dem verderbten Leben!"

Oder wenn man in der Schrift "Himmelfahrt des Moses" (Kapitel 1 liest)

"Das Testament des Moses, das er im 120 Lebensjahr verfaßte,

d. i. im 2500.Jahr seit der Erschaffung der Welt

Oder nach orientalischer Zählung im 2700. Jahr

und im 400. Jahr seit dem Auszug aus Phönizien,

Als das Volk, nach dem von Moses durchgeführten Auszug,

bis Amman, jenseits des Jordans gekommen war."

Oder wenn in "Philo" Kapitel 3 Vers 6, der Beginn der Noah-Flut beziffert wird:

"Es war damals das 1652. Jahr,

Seitdem Gott Himmel und Erde gemacht hatte,

An dem Tag, wo die Erde samt ihren Bewohnern

wegen ihrer Werke Schlechtigkeit vernichtet wurde."

Dann vergleiche man, dass die WTG statt 1652 = 1656 sagte.

Oder wenn man im "Testament des Adam" (Kapitel 3 Vers 17) liest:

"Und nach der Sinflut dauert diese Welt noch 2000 Jahre,

hernach kommt das Ende der Welt".

Auch diese Angabe stimmt nicht mit den WTG-Daten überein.

Ebenfalls differierend zu den WTG-Angaben sind auch die Daten in "Demetrius" (Kap. 2 Vers 17f.)

"Von Adam bis zum Einzuge der Brüder Josephs in Ägypten

sind es 3624 Jahre.

Von der Sintflut bis zu Jakobs Einwanderung in Ägypten sind es 1360 Jahre.

Von der Berufung Abrahams aus den Heiden,

seinem Auszug aus Charran und Einzug in Kanaan

(bis zur Wanderung der Söhne Jakobs nach Ägypten)

sind es 215 Jahre.

Weder diese altjüdischen, noch die WTG-Angaben sind "glaubwürdig". Allesamt repräsentieren sie ein vorwissenschaftliches Weltbild, das Märchen und Legenden, zu Fakten erklärt!

Im Jahre 180 unserer Zeit starb der römische Kaiser Mark Aurel. Er hat offenbar auch in zeitgenössischen christlichen Kreisen "Eindruck" hinterlaßen. Zumindest bei einem, der laut Kirchenlexika in der Zeit von 169 bis 190 Bischof in Antiochia war.

Dieser Theophilus, oder gar "heilige" Theophilus in der Lesart gewisser Leute, hat denn mit einem Teil seines Schrifttums die Zeiten überdauert. Im Jahre 1913 begannen katholische Kreise ein großangelegtes Buchprojekt. "Bibliothek der Kirchenväter" nennt sich jener vielbändige Opus. Da kann man in deutscher Übersetzung so nachlesen, was diese "Kirchenväter" da so von sich gaben. In dieser illustren Sammlung ist in deren 14. Band (Frühchristliche Apologeten Teil II) auch jener heilige Theophilus mit vertreten. Der Begriff der Vorsehung hatte es ihm offenbar im besonderen angetan. Das er die Existenz einer Seele annahm, ist für ihn eine "Selbstverständlichkeit", gilt sie ihm doch gleichzeitig als Gottesbeweis. Weiß er doch darüber zu berichten:

"Denn gleichwie die Seele im Menschen nicht gesehen, da sie für den Menschen unsichtbar ist, aber doch aus der Bewegung des Leibes wahrgenommen wird, so verhält es sich auch mit der Unmöglichkeit, Gott mit menschlichen Augen zu schauen; er wird aber aus seiner Vorsehung und seinen Werken erkannt."

Der "heilige" Theophilus vermag unsereins aber noch in anderer Beziehung in Staunen zu versetzen. Begegnet man doch schon bei ihm, umfänglichen chronologischen Berechnungen. Der wesentliche Unterschied ist wohl nur der, dass er sie mit dem Tode des Kaisers Mark Aurel ausklingen läßt. Aber auch Theophilus meint genau zu sein.

So verkündet er etwa:

"Von der Erschaffung der Welt an aber wird die Gesamtzeit in Kürze so berechnet.

Von der Erschaffung der Welt bis zur Sinflut waren es 2242 Jahre."

Und dann listet er eine ellenlange Chronologie auf, um zum genannten Schlusspunkt (Tod des Kaisers Mark Aurel) übergehend sagen zu können.

"In Summe werden von der Erschaffung der Welt an gezählt im Ganzen 5695 Jahre."

Diese Zahl muss man erst mal "verdauen". Also in der Lesart des Theophilus war das Jahr 180 identisch mit dem Jahre 5695 seit Erschaffung der Welt.

Wer diese Ammenmärchen für bare Münze nehmen will, der mag es tun. Ich gehöre jedenfalls nicht zu ihnen. Aber es ist doch offensichtlich, dass die Berechnungen die man da aus WTG-Munde vernahm mit dieser des Theophilus keineswegs übereinstimmen.

Rechnet man weiter, dann wären ja nach der Theophilus'schen Chronologie 6000 Jahre im Jahre 485 beendet gewesen. Wer da der größere Scharlatan ist. Theophilus oder die WTG. Das zu entscheiden wage ich allerdings nicht. Höchstwahrscheinlich gibt es nicht nur "einen" Scharlatan!

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