Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Rutherford's Rache

Rache. Eine Vokabel. Was drückt sie nicht alles aus? Wut, Enttäuschung, den Wunsch zur Vergeltung usw. Rache ist nichts anderes als gewöhnlicher Krieg, wie ihn weltliche Staatsführungen auch gelegentlich zu inszenieren pflegen. Verbindet man mit dem Christentum auch die Vokabeln Rache und Krieg? Reduziert man das Christentum auf die Bergpredigt, fällt ein solches Votum sehr schwer. Bezieht man das sogenannte Alte Testament der Bibel mit in den Gesichtskreis ein, sieht das ganze schon anders aus. Nun redet Rutherford von "Seiner Rache" davon, dass er seine Zeugen das lediglich verkündigen lässt; selbige aber nicht die Hand dazu anlegen würden. Es ist ein schmaler Grat, der da beschritten wird. Ein Pfad, bei dem man den Eindruck hat, es gibt sehr leicht Abstürze vom "rechten Weg". Wer mit Vokabeln wie Rache hausieren geht, der muss es sich gefallen lassen, dass solche kritischen Rückfragen gestellt werden.

Apropos Kritische Rückfragen. Gerade ihnen gegenüber zeigt es sich, inwieweit die Racheprediger ihre Emotionen unter Kontrolle haben oder nicht. Eine Analyse der Geschichte der Zeugen Jehovas ergibt, dass sie dabei keineswegs als "strahlender Siegesmann" im Sinne der Bergpredigt erscheinen.

Rache. Diese Emotion ist selbstredend nicht "bloß" auf Zeugen Jehovas beschränkt. Auch andere Bevölkerungsschichten, die mit ihnen durchaus nichts am Hut haben, sind von ihr durchtränkt. Beispielsweise die Kommunisten oder ihre geschichtlichen Gegner in Deutschland, die Nationalsozialisten. Bleiben wir einen Moment bei den Kommunisten, so wird man sagen können, dass sie im besonderem vom Gedanken der Rache durchdrungen sind. Sie, die sich als Enterbte fühlen, wollten, solange sie die Macht noch nicht in den Händen hatten, tatsächliche Rache ausüben. Und ihre Gegner wollten sich wiederum dafür an ihnen rächen. Es ist ein bitterer Kreislauf, der sich da offenbarte und letztendlich in Gulags, Konzentrationslager und im Zweiten Weltkrieg sein bitteres Fanal fand.

Der Gedanke der Rache ist daher einer, der durchaus "mit spitzen Fingern" angefasst werden sollte. Nun gehört a u c h Rutherford zu den Rachepredigern. Sein besonderes Racheobjekt waren die Konkurrenzreligionen, die nicht so lehrten, wie er es wollte. Rechenschaft darüber, ob seine Lehre überhaupt akzeptabel ist, gab er sich nicht.

Sein Heimatland, die USA, kennzeichneten sich auch dadurch, dass in ihr, Kommunisten, etwa nach deutschem oder sowjetischem Vorbild zu keinem Zeitpunkt eine nennenswerte Rolle spielten. Bedeutet dies nun das die USA wirklich die "Insel der Seligen" sind, in der es keine gibt, die sich als enterbt bewerteten? Schwerlich wird man dies so sagen können. Als faktischer Nutznießer aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen; andere zerfleischten sich und die USA machten ihre Geschäfte. Aufgrund des damit verbundenen höheren Gesamtvolkseinkommens der USA, haben dortige soziale Verwerfungen sich nicht so formieren können, wie dies in Deutschland beispielsweise in der kommunistischen Bewegung der Fall war. Gleichwohl gab und gibt es auch in den USA soziale Verwerfungen. Der entscheidende Punkt aber ist offenbar der, dass dieses Potential von Bewegungen wie den Rutherford'schen Zeugen Jehovas aufgenommen und neutralisiert wurde und wird.

Ein Beispiel dafür ist auch die Rutherford-Broschüre "Seine Rache", in der er auch gegen die "oberen Zehntausend" in den USA in zahnloser Weise polemisiert. Etwa, wenn er dort (S. 22) schreibt:

"Hier ein Beispiel: In der großen Hauptstadt Amerikas wurde kürzlich ein sogenanntes 'Kirchen'-Gebäude errichtet. Multimillionäre kamen für seine Baukosten auf. Als Präsident dieser 'Kirche' amtet ein Modernist, der eher alles andere als biblische Lehren predigt, der die Inspiration der Schrift leugnet und auch nicht daran glaubt … Dies ist ein treffendes Beispiel für fast sämtliche 'Kirchen'-Organisationen des Landes, deren Führer sich vor dem Volke brüsten, als ob sie im Namen Gottes des Herrn Werk hinausführten, während sie in Tat und Wahrheit Täter der Gesetzlosigkeit sind. Die Hauptpersonen sind die 'oberen Zehntausend', die die Völker der Erde beherrschen."

Die Ära Rutherford

ZurIndexseite