Re: Lippenbekenntnisse


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 03. August 2004 02:58:44:

Als Antwort auf: Re: N. H. Knorr geschrieben von D. am 10. September 2002 16:45:09:

Im "Wachtturm" vom 1. 7. 2004 liest man den Bericht von Audrey Hyde. Ein Name der auf den ersten Blick nicht viel sagt, auf dem zweiten schon etwas mehr.
1925 geboren verschlug es auch sie im Jahre 1945 in das Brooklyner WTG-Bethel. Dort, so ihre tägliche Arbeitseinteilung, hatte sie 13 Zimmer mit 26 Betten auf Vordermann zu halten. Zudem auch noch Flure, Treppenhäuser und Fenster zu putzen. Einige Jahre später sollte sich ihr Los etwas verbessern, indem WTG-Präsident N. H. Knorr sich für sie interessierte, mit Folge Heirat am 31. 1. 1953. Der nunmehr Ehemann Knorr handhabte es allerdings bei sich etwas anders. Vorher war es gang und gäbe. Wer als Bethelmitarbeiter heiratete, hat dieses Haus zu verlassen. Offenbar lässt das Zölibat der katholischen Kirche da grüßen.

So rigoros wollte denn Knorr mit sich selber nicht mehr umspringen. Nachdem die Ära Knorr mit seinem Tode am 8. 6. 1977 ihr Ende fand, waren auch die Tage der Audrey im Bethel gezählt. Sie zog um auf die WTG-Liegenschaften in Wallkill. Dort heiratete sie schon im Jahre 1978 ihren zweiten Mann Glenn Hyde. Auch diese zehnjährige Ehe überlebte nur sie.

In ihren Erinnerungen kramend zitiert sie auch eine auf Knorr bezügliche Episode.
Zitat: "Tatsächlich fragte ihn einmal jemand, der von seinen Planungen wusste: 'Bruder Knorr, was soll das bedeuten? Glaubst du nicht, dass das Ende nahe ist?' 'Natürlich glaube ich das', erwiderte er, 'aber wenn es nicht so schnell kommt, wie wir denken, dann sind wir vorbereitet.'"

Das ist in der Tat ein Kernsatz auch für die gesamte WTG-Geschichte. Dem Endzeitglauben werden Lippendienste geleistet. Indes das eigene, alltägliche Verhalten ist auch auf den Sankt Nimmerleinstag hin orientiert! Diesen Satz kann man nur dann richtig würdigen, wenn man die Rahmenbedingungen berücksichtigt. In seinen letzten Lebensjahren, die mit dem zweiten Weltkrieg synchron liefen, hatte Rutherford die Endzeiterwartungen massiv verschärft. Angefangen von seinem Vortrag „Schau den Tatsachen ins Auge"; über die abstruse These mit dem Heiraten bis „nach" Harmagedon zu warten, in dem berühmt-berüchtigtem Buch „Kinder".

Knorr, als sein Nachfolger indes hatte nichts eiligeres zu tun, in seinem Einstandsvortrag mit dem Titel: „Weltfriede - ist er von Bestand", der auch noch mitten im zweiten Weltkrieg hineinfiel, diese Erwartungen, diese kriegerischen Rahmenbedingungen münden in Harmagedon, wieder zu „verscheuchen", wie es die WTG selbst formuliert. Und seine praktische Politik war dann nur auf ein Ziel hin ausgerichtet: Der organisatorischen Expansion. Wenn Alfred Loisy einmal rekapitulierend die Kirchengeschichte auf den Satz reduzierte:
Jesus verkündigte das Reich Gottes - und was kam war die Kirche; dann findet man diese Erkenntnis in der Neuzeit im besonderen auch bei den Zeugen Jehovas wiederholt.


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