Geschrieben von D. am 28. Juli 2004 05:39:36:
Als Antwort auf: Gott war mein erster Gedanke, die Vernunft mein
zweiter, der Mensch mein dritter geschrieben von Drahbeck am 28. Juli 2004 05:35:32:
Gott aus dem Himmel gejagt
Vor 200 Jahren wurde Ludwig Feuerbach geboren
Sein bekanntester Satz traf das christliche Glaubensgebäude wie eine Abrissbirne: »Der
Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.« Karl Barth, der Theologe, hat den aus Bayern
stammenden Philosophen Ludwig Feuerbach später als »Nichtkenner des Todes und Verkenner
des Bösen« bezeichnet.
Kandidaten des Jenseits wolle er zu Studenten des Diesseits machen, religiöse
Kammerdiener der himmlischen Monarchie zu freien Bürgern der Erde. So wortgewaltig
beschrieb der Philosoph Ludwig Feuerbach den Zweck seiner Schriften. Vor 200 Jahren, am
28. Juli 1804, wurde mit Ludwig Feuerbach der Kirchenvater des modernen Atheismus geboren.
Er stammte aus einer hoch angesehenen Familie. Sein Vater, Anselm Ritter von Feuerbach,
war führender Jurist im Königreich Bayern und Beschützer des mysteriösen Findlings
Kaspar Hauser. Im fränkischen Ansbach absolvierte der in Landshut geborene
Prominentensohn das Gymnasium und fiel durch sein Bibelwissen auf. In Heidelberg, Berlin
und Erlangen studierte er zunächst Theologie, dann Philosophie.
1830 folgte der erste Paukenschlag. In Erlangen machte die religionskritische Schrift
»Gedanken über Tod und Unsterblichkeit« die Runde. Der anonyme Verfasser wurde bald
enttarnt. Die aus heutiger Sicht ziemlich harmlose Satire wurde beschlagnahmt. Ihr Autor,
der Privatdozent Feuerbach, hatte keine Chance mehr auf die erhoffte Professur.
Notgedrungen wurde er Privatgelehrter.
Der Leugner der Unsterblichkeit der Seele verließ die akademische Welt und wurde
Dörfler. Im Örtchen Bruckberg bei Ansbach gab es eine Porzellanfabrik, die im ehemaligen
Sommerschloss der Ansbacher Markgrafen untergebracht war. Feuerbachs Frau hielt daran
Anteile. Doch das Dasein als Fabrikantinnen-Gatte klingt bequemer, als es war. Die
Porzellanfabrik schlitterte stets hart am Ruin entlang.
Ironisch kommentierte er seinen Abstieg. Das Schicksal habe ihn in tiefster Verlassenheit,
aber eben deswegen auch glücklicher Einsamkeit in ein Dorf verbannt, »das nicht einmal -
wie entsetzlich, wie unheilschwanger - eine Kirche hat«. Er hätte nicht geglaubt, welch
seltsame Kapriolen die Ortsgeschichte nachher schlug: Seit 1891 ist das Bruckberger
Schloss ein Zentrum evangelischer Behindertenarbeit in Bayern - und selbstverständlich
gibt es eine Kirche. 1841 erschien das Buch, mit dem der vergessene Schlossbewohner
plötzlich in aller Munde war: »Das Wesen des Christentums«.
Es war eine radikale Absage an den Gottesglauben. Das höchste Wesen sei nichts als
eine Erfindung des menschlichen Wesens, eine Illusion, die den Menschen daran hindere,
sich die reale Welt anzueignen. Die junge Arbeiterbewegung erkannte schnell, welche Waffe
gegen die alten Mächte ihr in die Hände gelegt worden war. »Die Begeisterung war
allgemein. Wir waren alle momentan Feuerbacherianer«, schrieb Friedrich Engels im
Rückblick. »Die deutsche Jugend glaubte, statt Himmel endlich Land zu sehen«, heißt es
in Ernst Blochs »Das Prinzip Hoffnung«.
Noch zu seinen Lebzeiten kam Feuerbach aus der Mode. Nur 15 Jahre nach Erscheinen seines
Hauptwerks klagte er verbittert: »Es ist kein Wunder, dass ich bereits zu den Toten
gerechnet werde. Ich bin ja schon längst von den deutschen Theologen und Philosophen
'widerlegt', d.h. auf Deutsch: geistig totgeschlagen.« Selbst Karl Marx kritisierte den
einst Bewunderten in seinen »Elf Thesen über Feuerbach«, deren letzte und berühmteste
lautet: »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber
darauf an, sie zu verändern.«
Ab 1860, nach dem Tod seiner Frau und der Enteignung durch die Erben, fristete
Feuerbach ein ärmliches Dasein im Ort Rechenberg vor den Toren Nürnbergs. 1872 starb er,
nachdem er zuvor noch der sozialdemokratischen Partei beigetreten war. Tausende Arbeiter
folgten dem Aufruf, die Beisetzung auf dem Nürnberger Johannisfriedhof zu einer
»Massendemonstration gegen das Pfaffentum« zu machen. Den versöhnlichsten Bilanzstrich
unter Feuerbachs Leben zog der Literat Hermann Kesten: »Sein Leben lang hat Ludwig
Feuerbach mit Gott gekämpft, und beide haben dabei gewonnen.«
...
www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2004_30_19_01.htm
de.news.yahoo.com/040724/336/44qwh.html
www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/771051
www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/362021-1.html
www.welt.de/data/2004/07/28/310923.html
www.tagesspiegel.de/kultur/index.asp?gotos=
archiv.tagesspiegel.de/toolbox-neu.php?ran=on&url
archiv.tagesspiegel.de/archiv/28.07.2004/1269261.asp
www.nzz.ch/2004/07/28/fe/page-article9R13N.html
|