Re: 8. 7. 1954 (Vor fünfzig Jahren)


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 08. Juli 2004 05:34:54:

Als Antwort auf: Re: 1. 7. 1954 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 01. Juli 2004 04:51:26:

Stramm auf antikommunistischem Kurs segelt "Erwachet!" in seiner Ausgabe vom 8. 7. 1954, wenn darin unter Berufung auf eine AP-Meldung die Schreckensvision verbreitet wird:
"Weltherrschaft des Kommunismus bis 1973"
"Erwachet!" fügt dieser sicherlich im Sinne der McCarthys liegenden Überschrift zwar noch ein Fragezeichen mit an. Das aber wohl mehr oder weniger aus formalen Gründen.
Folgt man diesem Bericht, so habe der chinesische Staatspräsident Mao Tse-tung der Sowjetunion ein Memorandum zukommen lassen, dergestalt, Zitat:
"deren Befolgung die Weltherrschaft des Kommunismus bis etwa 1973 sichern soll."


Laut "Erwachet!" soll dieses Memorandum aussagen:

"So lange auf einen Krieg zu verzichten als ihr Industriepotential demjenigen der Vereinigten Staaten unterlegen sei und als ihre Verteidigungsmaßnahmen gegen Atombombardierungen nicht vollständig seien."


Bei diesem Zitat fällt schon mal auf, dass es sich um keine wörtliche Wiedergabe handelt, sondern um eine "Zusammenfassung" via AP respektive "Erwachet!". Angesichts der Schwere des Vorwurfes, der unterstellt, die Sowjetunion wolle den Krieg, muss man schon verlangen können, solch weitgehende Behauptung hieb und stichfest zu belegen. Dieses Kriterium ist schon mal nicht erfüllt.

Desweiteren soll vorgeblich Mao tse-tung der Verfasser dessen sein. Immer vorausgesetzt es ist so, was auch nicht hieb- und stichfest bewiesen würde, bedeutet dies noch lange nicht, dass dies auch als verbindliche UdSSR-Politik übernommen wurde. Mao tse-tung herrschte zwar über China, nicht aber über die Sowjetunion. Wenn man desweiteren berücksichtigt, dass in späteren Jahren sehr wohl ein Bruch zwischen China und der Sowjetunion nachweisbar ist, hat dieses Memorandum, so es denn so abgefasst sein sollte, für die Sowjetunion den Wert von Toilettenpapier gehabt. Zum fraglichen Zeitpunkt hatte China zudem in keiner Hinsicht die wirtschaftlichen und politischen Ressourcen, um der Sowjetunion irgend etwas diktieren zu können.

Dennoch stellt AP und "Erwachet!" die ganze Sache so dar, als sei dies ausgemachte Sache.
Weiter will dieses Memorandum laut "Erwachet!" wissen:
"Indessen müßten die Vereinigten Staaten um jeden Preis isoliert werden. Zu diesem Zwecke enthält die Denkschrift einen ausführlichen und präzisen Plan. In bezug auf Frankreich gehe es vor allem darum, die Kriegsmüdigkeit und die Furcht vor Deutschland auszunützen. … Die Operationen in Indochina sollten bedeutend verstärkt werden … Das Ziel in Indochina muß der Verzicht der Franzosen auf dieses Territorium bilden, am liebsten dadurch, dass man sie zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandes bewegt."

Auch hier ist bemerkenswert, wie AP und "Erwachet!" die Sicht der politischen Falken vertritt. Frankreich war in der Tat in Indochina involviert. Frankreich hatte in der Tat den zermürbenden Krieg verloren und in der Konsequenz sich von dort zurückgezogen. Das passte den USA-Falken nicht; und perspektivisch haben sie dann die Nachfolgerolle von Frankreich dort übernommen. Allerspätestens auch sichtbar nach Ausbruch des Vietmamkrieges.

Hier finden wir also schon die Wurzeln dieser Entwicklung. Die USA-Falken drängen. AP und "Erwachet!" ist ihr Sprachrohr. Wie sagte doch weiland schon Hitler:
"Es wird propagandistischer Alarm zum losschlagen gegeben. Der Sieger wird später nicht danach gefragt, ob der zu Recht Bestand".

Hier begegnen wir dem propagandistischen Alarm für die Involvierung der USA in den Vietnamkrieg in einer seiner Wurzeln. Angeblich hätte die Sowjetunion die Absicht bis 1973 die Weltherrschaft zu erreichen. Vom Hörensagen kolportiert, weil Mao tse-tung diese Illusion vielleicht gehabt hatte. Hatte er sie wirklich, dann war er mit Sicherheit kein Realpolitiker. Und noch viel wichtiger: Sein Gewäsch hatte für die Sowjetunion den Stellenwert von Klopapier.

Für die USA-Falken via AP, wie "Erwachet!" ist indes das alles "ausgemachte" Sache!

Sich so auf die Seite der USA-Falken stellend hatte natürlich tiefere Ursachen. Eine davon, dass der McCarthyismus in den USA, auch die Zeugen Jehovas in die "kommunistische" Ecke stellte. Und in Abwehr dessen, glaubt die WTG, wie gelesen, McCarthy noch von rechts überholen zu sollen.

Zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung war McCarthy bereits ein politisch "toter Mann". Auch die WTG beteiligt sich in dieser "Erwachet!"-Ausgabe an seiner Leichenfledderei.
Einige Zitate aus einem darin enthaltenen redaktionellen "Erwachet!"-Artikel, die auf die indirekte Weise auch zeigen, wie tief der McCarthyismus in seiner Glanzzeit auch die WTG getroffen hatte.

"Erwachet!" schreibt unter anderem:
"Das amerikanische Volk hat noch nie eine Verurteilung durch Schlagzeilen gebilligt, noch ist es ein Freund bewußter Irreführung oder heimtückischer Verleumdung. Aber zwischen dem, was ihm teuer ist, und dem, was es seit kurzem mit ansehen muß, besteht ein großer Unterschied. Heute werden Menschen durch Zeitungsschlagzeilen gerichtet, auf Grund von Annahmen eines politischen Verbrechens bezichtigt. Die Zeitungen greifen die Sache auf, die abgekürzte Schlagzeile erweckt den Eindruck, es sei eine bewiesene Tatsache und das Volk glaubt an die Schuld dieses Menschen. …
Gewisse Leute lassen das Rechtsverfahren nicht mehr gelten. …

Die Zeitungen von Louisville (Kentucky), 'Courier-Journal' und 'Times', schrieben warnend, dass die gegenwärtige Jagd auf staatsgefährliche Elemente 'gerade solche schafft - Personen nämlich, die alte, harterkämpfte Freiheiten zerstören'. Die Senatorin Margaret Chase Smith mahnte: 'Jene von uns, die am lautesten von Amerikanismus reden, wenn sie andere Bürger ihres guten Namens berauben, sind allzuoft solche, die durch Worte und Taten eine der wichtigsten Grundsätze des Amerikanismus verletzen: das Recht der freien Kritik; das Recht, eine abweichende Meinung zu haben, das Recht zu protestieren; das Recht der freien Gedankenäußerung … In Amerika ist die Redefreiheit nicht mehr das, was sie früher war. Sie wurde von einigen derart mißbraucht, dass andere nicht mehr Gebrauch von ihr machen.' …

'Wir müssen aber doch Amerika vor diesen kommunistischen Elementen schützen!' protestieren McCarthys Unterstützer. Sollte aber anderen 'Elementen' gestattet werden, inzwischen die Zügel an sich zu reißen? Die Kommunisten befreiten das russische Volk von der Zarenherrschaft - und zwangen ihm die rote Herrschaft auf. Wenn man jenen Antikommunisten in Amerika die Zügel schießen läßt, welche sich über die amerikanische Auffassung von Gesetz und Ordnung, Freiheit und Recht hinwegsetzen, jenen, die glauben, der Zweck heilige jedes Mittel, die sagen, man könne nicht im Zylinder und mit seidenem Taschentuch auf die Stinktierjagd gehen, was heißen soll, man könne den Kommunismus nicht mit anständigen und gesetzlichen Mitteln bekämpfen, hat auch diese Nation eine dunkle Zukunft vor sich.

'Ach, das ist Schwarzseherei!' mag jemand ausrufen. Ganz und gar nicht! Der Weg zur Freiheit ist schmal, mit gefährlichen Abgründen zu beiden Seiten, und das Volk, welches leichtsinnig mit ihr umspringt, wird ziemlich sicher im Abgrund der politischen Gleichschaltung landen. Man sollte den abgenutzten Satz 'Ewige Wachsamkeit garantiert die Freiheit' nicht wiederholen müssen. Die Gefahr eines Dammbruches ist nicht kleiner, weil das Loch, durch welches das Wasser eindringt, klein ist. Das durchsickernde Wasser vergrößert das Loch, und wenn es nicht vermauert wird, stürzt der ganze Damm ein. In den Vereinigten Staaten sind die Verfassungsgarantien solche Schutzdämme gegen ehrgeizbesessene Politiker, gegen Despoten von heute oder morgen, die gerne ans Ruder kämen.
Senator McCarthy appelliert an ein auf Schlagzeilen eingestelltes Publikum, das den Gedanken der Menschenrechte geringschätzt und glaubt, 'intellektuell' und 'rot' sei ein und dasselbe. ....

Diktatoren bekämpften Ideen, indem sie Bücher, in welchen diese Ideen dargelegt waren, vernichteten. Hitler hat das getan und auch die Kommunisten haben das getan. Aber dies hat die Amerikaner immer abgestoßen. Es gibt jedoch offenbar Personen, die glauben, die Demokratie könne sich nicht mehr behaupten, wenn sie die freie Auseinandersetzung der Meinungen gestatte, sondern sie müsse auch anfangen, Bücher zu verbrennen. Doch die heikle Frage dabei lautet: Wer soll das tun? Wer soll entscheiden, welche Bücher gefährlich sind? Etwa McCarthys Mitarbeiter Cohn und Schine, die auf einer Blitztour durch Europa die katholische Zeitschrift 'Commonwal' ein 'kommunistisch, katholisches Blatt' nannten? Oder etwa Frau Thomas J. White von Indiana, welche wünschte, dass die alte englische Erzählung von Robin Hood aus den Schulbüchern Indianas entfernt werde, denn zu wiederholen, dass Robin Hood Reiche beraubte und Arme beschenkte, sei 'kommunistische Propaganda'.

An diesem Maßstab gemessen, könnte man auch in den amerikanischen Geschichtsbüchern und Tageszeitungen kommunistische Propaganda finden, weil sie zum Beispiel von der Festlegung der Einkommenssteuer berichten, die 'die Reichen schröpft'. Frau White fordert auch, dass die Angaben über die Religion der Quäker ausgemerzt werden, weil deren pazifistische Einstellung große Ähnlichkeit mit dem 'kommunistischen Friedensappell' habe. In diesem Falle sollte vielleicht auch die Anglikanische Kirche und die Episkopalkirche nicht in den Schulbüchern erwähnt werden, weil in ihrem Gebetsbuch der Satz steht: 'Gib uns Frieden in unserer Zeit.' Lächerlich? Ja bestimmt! Geradeso lächerlich wie der Gedanke, einer Person oder einer Gruppe von Personen die Gedankenzensur zu übertragen! …

Anonyme Angeber? Verurteilung auf Grund von Gerüchten? Geheime Berichte? Wo gibt es das? Einmal gab es das bei der von Senator McCarthy im Forth Monmouth (New Yersey) durchgeführten Untersuchung. Nicht nur konnten die Suspendierten die Namen und Adressen oder eine Beschreibung ihrer Ankläger nicht erfahren oder von ihren Aussagen Kenntnis erhalten, sondern die Anklagen gegen diese Männer waren, um die Worte der geachteten Neuyorker 'Times' anzuführen, 'allgemein weit entfernt von dem Wortlaut der Schlagzeilen über vermutliche Spionage in Monmouth, deren Urheber Senator Joseph R. McCarthy war.'

Diese anonymen Angeber, geflüsterten Anklagen und geheimen Berichte sind auch in den geheimen Dossiers der FBI zu finden. …
Präsident Eisenhower sagte am 23. November: 'In unserem Lande muß eine Person, die etwas gegen dich hat oder dich anklagt, offen dazu stehen. Sie kann dich nicht aus dem Hinterhalt erledigen oder dich deines guten Rufes berauben, ohne von einer aufgebrachten Bürgerschaft bestraft zu werden.'
Dies ist ein amerikanischer Grundsatz. Leider liegen Beweise dafür vor, dass heute nicht mehr durchweg danach gehandelt wird."

Wie sehr sich auch die WTG durch den McCarthyismus in den USA getroffen fühlte; sie erwähnt, dass offenbar besonders der Wehrdienstverweigerungsgrundsatz der Zeugen Jehovas, entsprechende Ansätze bot, dass die McCarthy-Falken wirksam wurden.
Wie sehr sie sich auch durch dieses politische Klima getroffen wusste, macht noch ein zweiter Artikel zum Thema deutlich, der auch in dieser "Erwachet!"-Ausgabe wiedergeben wurde. Nachstehend auch seine Zitierung:

Aus der Neuyorker Times vom 5. März 1954
LONDON, 4. März — Abgeordnete der Konservativen, Labour- und Liberalen Partei wandten sich heute in Britannien scharf gegen Senator McCarthy und gaben ihrer Enttäuschung über die Führerschaft Präsident Eisenhowers Ausdruck. Die Besorgnis um die Zukunft der amerikanischen Demokratie und Amerikas Ansehen als führende Nation sowie die Angst, daß Präsident Eisenhower infolge einer „sittlichen Lähmung … den Frieden verraten könnte", waren vorherrschend.

Sozusagen jede bedeutende Gruppe des nationalen politischen Lebens äußerte sich zu dieser Streitfrage. der viele Briten dieselbe Bedeutung beimessen wie irgendeiner anderen die USA beschäftigenden Frage. Diese Kommentare, die Besorgnis und teilweise auch Bitterkeit verraten, stammen von der stark konservativen Zeitung 'Economist-Times and Spectator', aus dem Lager der Liberalen und der Labour-Partei, von unabhängigen Kommentatoren und in London akkreditierten Diplomaten.
Herbert Morrison, stellvertretender Führer der Labour-Fraktion im Parlament, ehemaliger Außenminister und erprobter Berufspolitiker, erklärte anläßlich eines Essens: „Wenn ich den McCarthyismus angreife, so geschieht dies nur, weil ich ein Freund der Vereinigten Staaten bin." Der 'Spectator' bemerkte: „Amerikafreundlich zu sein bedeutet Mc-Carthy-feindlich zu sein."

Diese Ansichten scheinen die meisten Kommentatoren zu teilen. Eine gewisse Furcht machte sich aber auch bemerkbar, daß die Amerikaner nicht verstehen konnten, warum einige Briten einen Vergleich ziehen zwischen den heutigen Ereignissen in Washington und jenen, die sich in Berlin zur Zeit von Hitlers Machtübernahme abspielten. Der Auslandsredakteur Vernon Bartlett schrieb in seinem Nachrichtenbrief: „Zwischen [Präsident] Hindcnburg und Präsident Eisenhower, sowie zwischen ihren beiden Naziführern [Hitler und McCarthy] besteht in mancher Hinsicht eine Ähnlichkeit." „Aber Präsident Eisenhower", fügte Bartlett bei, „kann nicht mit Altersschwäche entschuldigt werden." Er spielte auf eine Ähnlichkeit zwischen Präsident Hindenburgs Machtübergabe an Hitler an und Präsident Hindenburgs Machtübergabe an Hitler an und Präsident Eisenhowers Schwäche, wie es die Briten empfinden, die er gegenüber der Herausforderung McCarthys an die Exekutive an den Tag legte.

Die Kommentare der Londoner 'Times' über die Ereignisse in Washington waren in einem schärferen Ton geschrieben, als dies sonst der Fall ist, wenn sie über das amerikanische politische Leben berichtet. Unter anderem schrieb die Times, sie glaube, daß nur Präsident Eisenhower Senator McCarthy das Handwerk legen könne.
Die in London akkreditierten Diplomaten stimmen darin überein, daß der „McCarthyismus" nicht nur den amerikanischen Einfluß in Europa schwächt, sondern auch der Verwirklichung der vorgesehenen Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im Wege steht. Der Gesandte eines Mitgliedstaates der Nordatlantikpakt-0rganisation erklärte, daß sich „die gefährliche Hinauszögerung Frankreichs und Italiens, die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, ein Instrument. der Vereinigten Staaten, zu ratifizieren", mit der wachsenden Furcht erklären lasse, daß der Faschismus in Amerika Fuß fassen und die EVG zum Kriege führen konnte.

Die konservative Zeitung 'Spectator' erwähnt in ihrem Leitartikel, betitelt "Wer wird McCarthy das Handwerk legen?", unter anderem die Möglichkeit, von der man sprechen hörte, daß McCarthy Präsident der Vereinigten Staaten werden könnte, und führt dann weiter aus: „Es schadet nichts, diese Möglichkeit zu erwägen, und wenn es auch nur wäre, um die Notwendigkeit hervorzuheben, so etwas zu verunmöglichen."
'New Statesman und Nation', eine linksgerichtete Wochenzeitung, kreidete Präsident Eisenhower seinen „verspäteten und kraftlosen Vorwurf" und seine „Zaghaftigkeit" an. In ihrem Leitartikel „Eisenhowers bedingungslose Übergabe" geht sie weiter als andere Zeitungen in ihren Angriffen auf Präsident Eisenhower, well er „Parteiinteressen über die Volksinteressen stellt". „Wer nun erkennt, daß der McCarthyismus die amerikanische Demokratie und sogar die Exekutive bedroht, muß anderswo als im Weißen Hans einen Fahnenträger suchen", schloß der Artikel.

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