Regiefehler


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 18. Mai 2004 05:37:36:

Nach eigener Angabe hatte er mal 2 ½ Jahre lang katholische Theologie studiert. Dann zog er es vor, diesen Berufsweg abzubrechen, und einen neuen als Germanist zu beginnen, den er gar mit einem Dr. Titel abschließen konnte. Die Rede ist von Gottfried Gummerer und seinem Buch "Weltbild ohne Dogma". Man merkt dem Verfasser an, und das bestreitet er auch nicht. Er ist auf die katholische Kirche fixiert. Andere Formen des Christentums kommen in seiner engeren Betrachtungsweise nicht vor. Und mit der katholischen Kirche "rechnet er ab". Da bleibt "kaum ein Auge trocken".

Sowohl ihre Dogmatik, als auch die kritischen Stationen ihrer Geschichte werden beleuchtet, gnadenlos! Bekanntlich hat die katholische Kirche noch ein paar mehr Gegner, sich im laufe ihrer Geschichte geschaffen. Einer der letzteren sind bekanntlich auch die Zeugen Jehovas. Sollten die jemals das Gummerer'sche Buch lesen, so werden sie wohl bei der Kritik an den historischen Knackpunkten der katholischen Kirche, schwerlich der Versuchung widerstehen können, in stille oder auch laute, Feixtänze auszubrechen. Wie gesagt, der Catholica wird nichts erspart.

Gummerer hat aber auch deren Dogmatik im Blick; die sich selbstredend von der, der Zeugen Jehovas unterscheidet. Ob letztere indes bei der Behandlung der katholischen Dogmatik durch diesen Autor, auch noch jubeln, erscheint mir indes keineswegs ausgemacht. Denn diese Kritik geht ans "Eingemachte". An Dinge, die auch die Zeugen Jehovas, mit den notwendigen Abwandlungen und Differenzierungen, auch auf sich beziehen können.
Ein paar Kostproben gefällig? Nun, sie sollen nicht vorenthalten werden. So meinte dieser Autor etwa:

Die Kirche hat die von Paulus erfundene Erlösungstheorie weiter ausgebaut.

Wie sich diese Schuld, die sogenannte Erbsünde, weiter vererben kann, bleibt freilich ein Rätsel. Nach katholischer Lehre wird nämlich die Menschenseele bei der Zeugung des Kindes nicht weitergegeben, sondern unmittelbar von Gott erschaffen. Was die Eltern zeugen, ist demnach eigentlich gar kein Mensch, sondern ein winziges Tierchen ohne unsterbliche Seele. Gott erschafft dann von Fall zu Fall eine Menschenseele und verbindet sie mit diesem Tierchen. Wie aber kann eine Seele, die soeben von Gott aus dem Nichts erschaffen wurde, bereits mit einer Erbsünde behaftet sein? Die Kirche schweigt zu dieser Frage.

Dem lieben Gott hat es nun offensichtlich leid getan, dass er den unerfahrenen Stammeltern eine so hinterlistige Falle gestellt hatte und dass er nun gezwungen war, sie und ihre Milliarden von Nachkommen für Zeit und Ewigkeit ins Verderben zu stürzen. Was konnte er nur tun, um alles wieder in Ordnung zu bringen?
Nun, er hätte den Menschen in göttlicher Großmut eine Generalamnestie gewähren können. Oder wenn er wirklich so böse war, hätte er die Erde in die Luft sprengen und etwas Besseres erschaffen können. Er hätte auch eine Pest schicken und die Menschenrasse einfach aussterben lassen können. Aber auf solche Ideen ist Gottvater anscheinend nicht gekommen. Er hat sich etwas viel Raffinierteres ausgedacht. Er hat - man höre und staune - beschlossen, seinen Sohn auf die Erde zu entsenden und töten zu lassen, damit die Menschheit auf diese Weise von der Sünde erlöst werde.
Ungeklärt bleibt dabei, warum Gott mit der Durchführung dieses Planes so viele Jahrtausende gewartet hat.

Ist ihm sein Einfall erst so spät gekommen? Oder hat sich der Sohn Gottes so lange gesträubt, unter dieses elende Menschenpack zu gehen, von dem er doch nur gekreuzigt werden sollte? (Man verzeihe diese scheinbar gotteslästerlichen Worte. Was aber hier kritisiert wird, ist weder Gott noch Jesus, sondern nur die von der Kirche vorgetragene These, die nun einmal grotesk ist.)

Das also war die Lage: Die Menschheit hatte, vertreten durch ihre Stammeltern, eine schwere Schuld auf sich geladen. Um nun diese Schuld zu tilgen, mußte dieselbe Menschheit nochmals eine schwere Schuld, nämlich einen Mord begehen. Ein König - so könnte man das umschreiben - wurde von seinem Volk aufs tiefste beleidigt. Wenn aber dasselbe Volk den Königssohn umbringt, dann ist alles wieder gut. Ja, mehr noch! Gott hat diese makabre Schauspiel der Kreuzigung selber inszeniert. Er hat seinen ihm wesensgleichen Sohn, also sein zweites Ich, eigens dazu auf die Erde entsandt, damit dieser ermordet werde, weil sein erstes Ich - Gipfel der Schizophrenie! - nur auf diese Weise besänftigt werden konnte. Man liest die christlichen Lehrbücher dreimal durch, um sich zu vergewissern, dass man sie nicht mißverstanden hat. Aber nein, das ist die offizielle Lehre der Kirche, ein Relikt aus barbarischer Vergangenheit, wo man glaubte, die Götter durch Tier- und Menschenopfer besänftigen zu müssen.

Nun aber kommt etwas Seltsames hinzu. Jesus hat zwar durch seinen Tod am Kreuze die Menschheit von der Erbsünde erlöst, auf den Einzelmenschen aber werden die Wirkungen dieser Erlösungstat erst durch die Taufe übertragen.

Da ist dem guten Gott also wieder ein Regiefehler unterlaufen. Er hatte sich der armen Menschen erbarmt, hatte seinen einzigen Sohn für diese nichtswürdigen Geschöpfe hinrichten lassen, und nun ist dieser ganze Aufwand samt Kreuzestod umsonst, wenn die Menschen nicht zusätzlich getauft werden.
Da die Taufe von so ausschlaggebender Bedeutung ist, muß sie - so darf man vermuten - eine große persönliche Leistung des betreffenden Menschen in sich schließen. Dem ist aber gar nicht so. Die Taufe besteht nämlich ganz einfach darin, dass ein anderer Mensch (niemand kann sich selber taufen!) den Täufling mit Wasser benetzt und dabei die Worte spricht: "Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." Durch diesen Zauberspruch nimmt der Enzelmensch am Erlösungswerk Christi teil. Es ist völlig belanglos, ob der Täufling von seiner Taufe etwas weiß oder nicht, ob er sie will oder nicht und ob er dabei schläft oder schreit. Der Christ wird ja prinzipiell schon als Säugling getauft. Durch die Taufe wird der betreffende Mensch offiziell der Kirche eingegliedert.

Bezüglich des in der katholischen Kirche üblichen Brauches der Beichte äußert dieser Autor dann unter anderem noch:

Nach katholischer Kirche gilt es sogar als Reue, wenn jemand bekennt: "Es tut mir leid, dass ich meine Sünden nicht bereuen kann." So einfach ist das.

Die Manipulation seitens der Kirche ist hier perfekt. Zuerst erfindet sie die Erbsünde, um alle Menschen von vornherein als arme, zu ewiger Verdammnis bestimmte Sünder hinzustellen. Dann redet sie diesen Sündern zusätzliche Schuldgefühle ein (und zwar vor allem wegen Mißachtung der von der Kirche erfundenen Sexualverbote) und droht ihnen mit schrecklichen Höllenstrafen. Um der Hölle zu entgehen, muß sich der Christ dem Priester als dem Vertreter der Kirche demütig unterwerfen. Außerdem wird den Gläubigen bei allen möglichen Gelegenheiten zu verstehen gegeben, wie wichtig es für ihr Seelenheil sei, die alleinseligmachende Kirche mit Spenden und Vermächtnissen zu bedenken. Die Kirche lebt von der Sünde. Sie ist nicht umsonst so reich geworden.

Die christliche "Frohbotschaft" ist letztlich eine Lehre der Vergeltung: Die Guten werden im Himmel belohnt, die Bösen in der Hölle bestraft.
Seltsamerweise hat es Gott im Alten Testament nicht der Mühe wert gefunden, seinem auserwählten Volk zu offenbaren, dass es ein weiterleben nach dem Tode gibt.

Die christlichen Theologen bemühen sich, die Unsterblichkeit der Seele philosophisch zu beweisen.

Fast allen Sekten war gemeinsam, dass sie zu den Idealen der Bergpredigt Jesu zurückkehren wollten und gegen die Verweltlichung der Kirche auftraten. Gerade das aber zog ihnen den Hass der römischen Machthaber zu.

Tatsächlich geht es der katholischen Kirche gar nicht um den abstrakten Glauben an abstrakte Dogmen. Im Laufe ihrer Geschichte hat die Kirche ohnehin so viele Spitzfindigkeiten zu verbindlichen Glaubenswahrheiten erklärt (es gibt davon einige hundert!), dass kein Katholik all das wissen kann, was er zu glauben verpflichtet ist. Schon das ist reichlich sonderbar. Aber bis auf ein halbes Dutzend Grundwahrheiten braucht der Katholik die Glaubenslehren überhaupt nicht zu kennen, er muß sie nur pauschal anerkennen. Das ist der springende Punkt. Nicht der - sowieso meist nebulose - Glaubensinhalt ist das wichtigste, sondern der Glaubensakt, das heißt die völlige Unterwerfung unter die Autorität der römischen Kirche, ganz gleich, was diese zu glauben befiehlt. Aus jedem Dogma schaut dieser Pferdefuß heraus.

Im zweiten Teil seines Buches versucht der Verfasser dann eine Art von Naturmystik zu entwickeln. Selbst solche Begriffe wie "Karma" kommen darin vor. Da mag ich ihm nicht mehr zu folgen. Ursächlich dafür ist aber offenbar auch die Einsicht, dass aller Religionskritik zum Trotz, die Religionen nach wie vor das Feld behaupten, wenn auch auf wackliger werdenden Füßen. Diesen Aspekt etwa, umreißt er mit den Worten:

Es gibt freilich noch andere Gründe, weshalb es den Christen schwerfällt, ihren Kindheitsglauben aufzugeben. Viele kommen ohne Religion gefühlsmäßig nicht zurecht. Sie haben Angst vor der inneren Einsamkeit des Atheisten, der in einem unheimlichen Weltall ganz allein dasteht, ohne ein Zuhause, ohne Gott. Sie können sich auch nicht vorstellen, dass es angesichts der "himmelschreienden" Ungerechtigkeiten auf dieser erde keine höhere Instanz gibt, die für Gerechtigkeit sorgt. Was die Kirche diesbezüglich lehrt, nehmen sie vielleicht nicht ganz wörtlich, aber mit dem Tode darf einfach nicht alles aus sein. Eine Kirche, die ihnen diesen Hoffnungsschimmer übers Grab hinaus läßt, mag sonst noch soviel Kritik verdienen, in den Augen dieser Christen ist sie immer noch besser als gar keine Kirche.


Mit seiner Naturmystik sucht er da sozusagen eine Art "goldener Brücke" zu bauen. Ob sie denn tatsächlich beschritten wird, würde ich eher in Zweifel ziehen, als diesbezüglich euphorisch zu werden. Aus meiner Sicht stellt sich die Frage nicht so: als ob Religion der "Ablösung" durch Mystik bedarf. Dann kann man ebensogut gleich da bleiben, wo man schon ist. Es sei denn, man wird wegen zu freien Denkens, ohnehin hinausgedrängt.
Sicherlich wird es immer Zwischenschritte und Zwischenstationen geben. Aber das sind dann doch mehr oder weniger nur faule Kompromisse (aus vielleicht verständlichen Gründen).

Wer mit einer religiösen Weltauffassung in Konflikt kommt, wird sofern der Konflikt primär soziologisch verursacht ist (familiäre Bande usw.), vielleicht nach Kompromissen suchen. Es sei ihm gegönnt, er findet sie. Einige werden aber auch erfahren. Es gibt keinen Kompromiss (bestenfalls faule Kompromisse). Für diejenigen indes stellt sich nicht mehr die Frage nach einer Ersatzmystik. Diejenigen werden eher dahin tendieren vom halben zum ganzen Freidenkertum überzugehen; und dabei sind Naturmystikangebote bestenfalls zu belächelnde Angebote.

Auch auf dem vermeintlichen Trumph des "Humanismus" im Christentum kommt der Autor noch zu sprechen. Den allerdings stellt er in Abrede und äußert diesen Widerspruch in Form eines Zitates:

Gustav Wyneken schreibt: "Die vom Christentum geforderte Sittlichkeit ist nichts anderes, als was wir Menschlichkeit oder Humanität nennen, und diese Humanität ist älter als das Christentum und mußte vom Christentum oft genug erst erlernt und angeeignet werden."




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