Geschrieben von Drahbeck am 05. März 2004 13:12:29:
Als Antwort auf: Max von der Grün geschrieben von D. am 05.
März 2004 06:36:58:
In seinem Roman "Zwei Briefe an Pospischiel"
hat Max von der Grün auch den die Zeugen Jehovas betreffenden Teilaspekt
seiner Biographie mit beschrieben. In der Einleitung zu seinem Buch, geht
auch Garbe darauf mit ein. Zitat G.:
"Im Mittelpunkt dieses auf autobiographischen Erlebnissen beruhenden Romans steht der
Arbeiter Paul Pospischiel, dessen Vater als Bibelforscher fast sieben Jahre im
Konzentrationslager verbringen mußte. Im Sommer 1967 erhält Pospischiel einen Brief
seiner Mutter, in dem sie ihm mitteilt, dass sie nach annähernd 30 Jahren den Namen des
seinerzeit für die Verhaftung des Vaters verantwortlichen Mannes erfahren habe.
Die Familie stammte aus Eger nahe der deutsch-tschechischen Grenze, wo Pospischiel eine
kleine Schusterei betrieb. Er zog damals den Hass den Henlein-Faschisten auf sich, weil er
als Bibelforscher einer Eingliederung ins Nazi-Reich nichts abgewinnen konnte. Seine
Festnahme erfolgte noch vor dem Einmarsch der deutschen Truppen ins Sudentengebiet.
Um sich der Hatz der Heinlein-Faschisten zu entziehen, flüchtete Pospischiels Mutter,
obgleich selbst nicht Bibelforscherin, zusammen mit dem damals 12jährigen Sohn - da er
der Hitlerjugend nicht beitrat - der Besuch einer höheren Schule verwehrt worden war, zur
Großmutter in die Oberpfalz."
Aus dem genannten Roman selbst sei noch zitiert.
Grün schildert eine Episode, wie er sich mit einem früheren Mitschüler unterhält, dem
auch seine Familiengeschichte bekannt ist. Dieser "Ossi" (so nennt er ihn)
äußert:
"Ich meine das so. Was ist das für ein Mensch (der Vater), der im KZ sitzt, nach
jedem halben Jahr nach Hause kann, unterschreibt er nur einen Wisch, und so einen Wisch
hat doch kein vernünftiger Mensch damals ernst genommen.
Ich wollte ihm erwidern, aber er ließ mich nicht zu Wort kommen.
Er läßt seine Frau den Mörtel von den Wänden fressen, sein einziges Kind von der
Schule fliegen, nur weil er ums Verrecken nicht unterschreiben will. Hat er was geändert,
dein Vater? Überleg doch mal, Paul. Nichts hat er geändert.
Deine Mutter hat er zu einer alten Frau gemacht, dich hat er degradiert, du könntest
heute deinen Doktor in der Tasche haben, könntest ein gemachter Mann sein. Du wärst ein
freier Mann, Paul.
Ich bin es auch so, und ohne Vaters Unterschrift. Meine Güte, Ossi. Wer nützt wem, was
nützt was: fragst du, ob deine Gedichte jemand nützen? Du schreibst einfach. Vater hat
wahrscheinlich auch nie gefragt, ob es was nützt, er konnte nicht anders. Manchmal ist es
einfach so, dass man nicht anders kann. Vater war ein guter Mann, das weißt du,
Ossi."
Nach diesem Dialog, stellt von der Grün dann noch die nachfolgende
Selbstreflektion an:
"Aber ich wußte auch, er war wunderlich geworden, als er wiederkam, zitierte von
morgens bis abends die Bibel, meistens aus der Offenbarung des Johannes. Er war widerlich,
mein Vater war widerlich geworden, ein Tyrann, und ich habe ihn von nun an nicht mehr
bewundert und nicht mehr geliebt, ich haßte ihn auch nicht, er war die meiste Zeit, auch
wenn er neben mir saß und aß, nicht da, er war nicht mehr mein Held, den ich bei jeder
Gelegenheit hervortreten und zitieren lassen konnte, er war erbärmlich geworden, hilflos
und beschränkt, ich hielt von ab auch nichts mehr von Märtyrern, ich hielt sie für
Narren, die sich nach einiger Zeit selbst verspeisen, und betrachtete meinen Vater nur
noch mißtrauisch
als ich längst im Ruhrgebiet war." ."
Einen Brief seiner Mutter zitiert er auch noch. Die schrieb an ihren Sohn:
"Lieber Paul, was habe ich verbrochen, dass mir Gott so einen Mann aufgeladen, der
immer tut von der Bibel erzählen und nicht tut das, was die Bibel erzählen tut. Du
weißt, lieber Paul, ich hab immer arbeiten müssen und gern gearbeitet und dich gemacht
zu einem anständigen Menschen, aber dein Vater ist nicht leicht zu ertragen als Mensch,
weil er immer tut reden von Dingen, die mich nicht interessieren tun und auch nicht den
Topf voll machen mit Bohnen und Fleisch.
Redest wieder, Paul. Blöd war dein Vater, verbohrt. Nur weil ihn die Katholiken in Eger
geärgert haben, ist er Bibelforscher geworden. Er hätte ebenso Kommunist werden können
oder Nazi."
|