Re: Heinrich Kurlbaum


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 19. Dezember 2003 11:42:21:

Als Antwort auf: Re: Heinrich Kurlbaum geschrieben von D. am 19. Dezember 2003 03:44:34:

In einem Forumsbeitrag vom 17. 12. gelesen:

Ich (der dortige Forumsschreiber) habe mich Mitte der 1980er mit den Zeugen Jehovas intensiv auseinandergesetzt, die Gemeinde war natürlich hocherfreut einen interessierten und wißbegierigen jungen Mann missionieren zu können. Die Begeisterung ebbte dann ab, als ich ihnen zwei Funde präsentierte: Anweisungen der Wachturm-Ges. aus den USA an die Schweiz und nach Deutschland, welche sich hinsichtlich der Wehrdienstverweigerung widersprechen: Den Schweizer ZJ wurde empfohlen, den Wehrdienst _nicht_ zu verweigern (wegen dem grundsätzlich positiven Image der Armee in der Schweizer Bevölkerung und auch dem Unverständnis von Schweizer ZJ, _nicht_ in der Armee zu dienen), und den deutschen ZJ natürlich eben doch die Verweigerung. Die Anweisungen stammen aus der Zeit des 2. Weltkriegs …

Wie man eben las, "ebbte dann die Begeisterung ab".
Ja so ist das halt (auch) bei den Zeugen Jehovas. Die Fassade ist alles. Einen Blick dahinter tun sollte man lieber nicht.
Da bietet es sich doch auch mal an zu fragen: Heinrich Kurlbaum. Was weiß man näheres über ihn? Schon mal merkwürdig. In der WTG-Literatur tauchte dieser Name bisher nicht auf. In der Stadt Minden macht sich besonders der dortige "Versöhnungsbund" für die Straßenumbenennung "stark". Eine zu ihr gehörende Persönlichkeit: Kristan Kossack. Wie ist Kossack ansonsten "organisatorisch angebunden"? Nicht bei den Zeugen Jehovas.

Waren nur Zeugen Jehovas organisierte Wehrdienstverweigerer im Hitlerregime? Die paar Fälle aus dem Bereich der "Großkirchen" kann man ja nicht als "organisiert" bezeichnen. Das waren einsame Entscheidungen ihrer Akteure. Die jeweiligen Kirchen haben sie nicht gestützt. Die sind ihnen eher noch in den Rücken gefallen.
Gleichwohl gab es noch eine weitere Religionsgemeinschaft.
Eine adventistischen Minderheitsgruppe, die im ersten Weltkrieg für die Wehrdienstverweigerung optierte, in der Folge sich dann von der Hauptgruppe (den Siebenten Tags Adventisten) trennte und bis heute die Separation beibehalten hat.

Die betrieb allerdings in der Weimarer Republikzeit kein "Klinkenputzen". Folglich beschränkte sich ihr Aktionsradius mehr oder weniger auf den Anfangsbestand, vielleicht durch familiären Zuwachs gelegentlich etwas erweitert. Auch der WTG wäre es nicht anders ergangen, hätte sie nicht konsequent das Klinkenputzen eingeführt und durchgepeitscht, Das wissen die Brooklyner Strategen nur zu genau. Deshalb nehmen sie es auch weiterhin in Kauf, trotz aller Uneffektivität, trotz der immer größer werdenden Diskrepanz zwischen "Aufwand und Ertrag", an diesem System festzuhalten.

Das galt nicht für die Reformadventisten. Folglich blieben sie eine weit kleinere Gruppe. In der Größenordnung noch nicht mal in Tausende zu zählen. Aber ihre Kleinheit beinhaltet auch, dass natürlich sie keine Zahl von rund 250 Wehrdienstverweigerern, aktenkundig stellen konnten.

Gleichwohl sind auch aus dieser Gruppe mindestens zwei Fälle namentlich bekannt, die im Endergebnis zur Hinrichtung führten. Das Jahrbuch 2002 des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes nennt ihre Namen. Julius Ranacher und Anton Brugger, beide 1942 bzw. 1943 hingerichtet.

Auch die Biographie von Kurlbaum ist wohl nicht die einer "Bilderbuch-Biographie".
Verfolgt man die vorliegenden Berichte, so ist er 1926 im Alter von 25 Jahren den Bibelforschern beigetreten. Im Jahre 1943 wurde er zur Wehrmacht einberufen. Nach seiner Einberufung zum Bau Pionier Bataillon 6 in Minden im März 1943 wurde er zunächst im Mindener Militärgefängnis festgehalten worden, bevor er wegen seiner Weigerung den Fahneneid abzulegen, vor das Reichskriegsgericht in Berlin kam. Nachdem ihm in Berlin versprochen worden war, dass er als Brückenpionier nicht zur Waffe greifen müsste, hatte Kurlbaum den Eid abgelegt und den Wehrdienst angetreten, was ihn zunächst vor der drohenden Todesstrafe bewahrte.

Vor den Richtern hatte Heinrich Kurlbaum eingewilligt, sich zum Brückenbaupionier ausbilden zu lassen. Die Ausbildung erfolgte beim Mindener Brückenbau-Pionierbataillon 2, das in der Simeonskaserne untergebracht war.
Anschließend war Heinrich Kurlbaum an die Ostfront verlegt worden. Weil er sich dort geweigert hatte, eine Waffe in die Hand zu nehmen, wurde er feldgerichtlich zum Tode verurteilt und anschließend hingerichtet. Dazu heisst es im Detail:

1944 verurteilte ihn ein Feldgericht wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode - er hatte sich beim Einsatz an der Ostfront geweigert, während eines feindlichen Angriffs ein Gewehr in die Hand zu nehmen. Gegenüber den Militärrichtern erklärte Kurlbaum später, dass er sich mit erhobenen Händen ergeben hätte und bereit sei, für seinen Glauben zu sterben. Am 15. Mai 1944 wurde die Todesstrafe vollstreckt.


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