Adventisten


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 23. November 2003 04:02:09:

Unter dem Titel:
"Dialog und Zeugnis.Interkonfessionelle Kontakte und Konflikte einer Freikirche in der DDR" veröffentlichte der seinerzeitige Präsident der Siebenten-Tags-Adventisten in der DDR, Manfred Böttcher, im Verlag Peter Lang, Frankfurt/M. im Jahre 2001 einen entsprechenden Rückblick. Als Grundresümee stellt er fest:

"Der Weg durch die Zeit der DDR gleich auch für diese Freikirche oft einer Gratwanderung. Gegenüber der sich allmächtig dünkenden Partei suchte und fand sie trotz aller Hindernisse den nötigen Freiraum für ein adventistisch-verantwortungsvolles Bekennen und Handeln. Zugleich lernte die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten in dieser Zeit offen zu sein für den Dialog mit Christen des anderen Bekenntnisses".

Dieses "offen sein" zeigte sich auch darin, dass im Rahmen gewisser Grenzen, die Kirchen sich untereinander gegenseitig halfen. Ein Symptom dafür. Ärzte (adventistischen Glaubens), die wegen ihrer Nichtmitgliedschaft in einer Partei, im staatlichen Gesundheitswesen keine führende Positionen bekleiden konnten, bekamen die Chance in Krankenhäuser evangelischer und auch katholischer Trägerschaft, gar Chefarztposten zu bekleiden.

Auch die Adventisten hatten mit den Baurestriktionen zu kämpfen. Staatlich kontigentierte Bauleistungen standen den Kirchen in der Regel nicht zur Verfügung (es sei denn sie wurden mit harten Westdevisen bezahlt). Die aber standen auch den Adventisten in der Regel nicht zur Verfügung. Und so suchten sie denn den Ausweg baufällige Immobilien zu erwerben, um die in "Feierabendarbeit" zu Gemeindezentren auszubauen. Wer die Mangelwirtschaft in der DDR kennt, der weiß, das es auch den Adventisten nicht erspart blieb, Böttcher bestätigt das ausdrücklich, sich schon morgens um vier Uhr, vor Baumaterialiengeschäften anzustellen, deren Öffnungszeit aber erst um acht Uhr war. Nur so konnten sie notwendige Baustoffe für ihre Immobilien erwerben. Wer da erst um acht Uhr antanzte, konnte sich auch das noch sparen. Bekommen konnte er da nichts mehr (typische Merkmale des östlichen Systems).

Immerhin gelang es nach diesen Angaben, den DDR-Adventisten rund 50 Objekte in der DDR-Zeit zur Vollendung zu bringen.
Für die Bestuhlung solcher Gemeindezentren, konnte man auf die Hilfe der "Großkirchen" zurückgreifen, die über eigene Tischlereikapazitäten verfügten.

Alles andere als "optimale" Zustände - ohne Zweifel.
Noch so ein gravierendes Problem. Nach den Zeugen Jehovas, kommen, was Literaturproduktion und Konsumtion anbelangt, gleich die Adventisten. Auch ihnen verweigerte der Mangelstaat DDR einen eigenen Verlag. Und nur "lizensierte" Verlage durften in der DDR produzieren. Da gelang es den Adventisten, den lizensierten CDU-eigenen "Unionverlag" auch für ihre Belange mit einzuspannen. Es fand sich also auch diesbezüglich ein Ausweg. Noch so ein gravierendes Problem, dass auch den Adventisten hart unter den Nägel brannte. Mehr als zehn Jahre kämpften sie ergebnislos darum, eine eigene Zeitschrift herausgeben zu können.

Da tat Böttcher den Schritt des "Tollkühnen". Er wandte sich mit seinem Anliegen, diplomatisch verklausuliert, direkt an Honecker. Und siehe da, was schon Jahrzehnte nicht möglich war, wurde plötzlich, fast über Nacht möglich. Ab 1980 hatten daher auch die Adventisten ihre eigene Zeitschrift unter dem Titel "Adventgemeinde".

Noch so ein für die Adventisten kritischer Punkt. Der Sabbat. Am Sonnabend wollten sie ihre Schulkinder partout nicht in die Schule schicken. Konflikte daraus ergaben sich unweigerlich.
Dazu schreibt Böttcher:
"Die Auseinandersetzungen um den Schulbesuch am Sabbat nahmen erst ein Ende, als 1980 Klaus Gysi, der Vater des PDS-Politikers Gregor Gysi, zum Staatssekretär für Kirchenfragen berufen wurde. Er trat für eine Tolerierung der adventistischen Haltung ein, ohne jedoch eine gesetzliche Grundlage dafür bieten zu können. Es gab also kein "Recht" auf Befreiung vom Schulbesuch, um am Gottesdienst teilzunehmen; man sah fortan einfach darüber hinweg, wenn Eltern ihre Kinder an den Sonnabenden nicht zur Schule schickten."

Dann wollten die Adventisten auch ihre führenden Köpfe aus den USA einladen. Auch da sträubte sich der DDR-Staat. Seine Befürchtung. Wenn das großartig publik gemacht wird, konnte der Papst daraus ableiten, sich auch in die DDR selbst einzuladen. Das wollte man vermeiden. Die Adventisten versprachen. Wir machen daraus keine Staatsaktion. Es geht uns nur um die Sache und nicht um die Publicity. Und man einigte sich auch in diesem Punkt.

Restriktionen, haben sie allesamt erleiden müssen, ohne Ausnahme. Weder Adventisten, noch Freikirchen, noch "Großkirchen" sind in der DDR "glücklich" geworden. Der nähere Blick indes zeigt, dass es für vieles, doch noch, wenn auch nur sehr mühsam errungene Kompromisse gab. Es war keine Zwangsläufigkeit, dass führende DDR Zeugen Jehovas für fünfzehn aufgebrummte Zuchthausjahre hinter Gittern verschwinden mussten. Es wäre auch ein anderer Weg möglich gewesen. Bei diesem anderen Weg, wären die Zeugen Jehovas genauso wie die anderen kaum im echten Sinne des Wortes "glücklich" geworden. Auch das ist nicht zu bezweifeln.

Letztendlich entschied man im Interesse der USA-Politik anders. Man wählte die Option der bewußten Konfrontation. Das muss auch heute noch so klar ausgesprochen werden. Die USA-Funktionäre landeten ja nicht in den Zuchthäusern. Dieses "Vorrecht" überließ man denen in der DDR.




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