Die traurige Geschichte des Frank-Peter (erfunden:)


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Kattlick am 21. Mai 2001 18:25:52:

Um den vielfachen Wünschen per Mail zu entsprechen:

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Teil 1:

Hallo Forum!

Ich habe mich vor ein paar Tagen angemeldet und freue mich, mitwirken zu können.
Wie die meisten hier bin auch ich von der Zeugen-Problematik betroffen.
Ich kam mit den Zeugen Jehovas in Gestalt meiner Stiefeltern zum ersten Mal im Alter von fünf Jahren in Kontakt.
Diese begannen kurz nach meiner Adoption, nach Hausbesuchen, mit einem Heimbibelstudium und kehrten später dem katholischen Glauben den Rücken zu.
Noch vor meiner Einschulung ließen sie sich taufen.
An meine leiblichen Eltern kann ich mich noch recht gut erinnern.
Leider wurden alle Andenken, wie Bilder, Spielzeug, Wäsche, ja selbst ein Haustier, an dem als kleiner Junge mein Herz hing, vernichtet.
Dazu gehörte auch ein kleines Vermögen, welches eigentlich für meine Ausbildung bestimmt war.
Natürlich konnten meine leiblichen, ungläubigen Eltern, die bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen, damals nicht wissen, wie kurz Harmagedon bevorstand, und das Geld für Bildung gänzlich unnötig war.
Meine Stiefeltern erklärten mir einmal, dieses Geld sei mir in Form von Speise und Kleidung zu gute gekommen, was sicher auch stimmt.
Mein Vater war ein großer, liebevoller Mann, der meist ein wenig nach Zigarre roch, gern mit mir spielte oder spazieren ging, und der leider viel geschäftlich unterwegs war.
Ich freute mich stets auf die Weihnachtstage, denn dann hatte er mehr Zeit für mich als sonst.
1975 suchten wir zusammen einen Weihnachtsbaum aus und schmückten ihn anschließend.
Am Abend wurden die Geschenke verteilt, und anschließend gingen wir spazieren und schauten uns die prächtig geschmückten Fenster unserer Nachbarn an.
An Feste wie Weihnachten, Ostern oder Geburtstag sollte ich mich später noch schmerzlich erinnern, denn ab dem Sommer 1976 gab es diese für mich nicht mehr.
Meine Mutter war ebenfalls eine sehr liebevolle Frau, die sich den ganzen Tag um mich kümmerte, nie schrie, kaum schimpfte und mir gerne Geschichten aus einem antik anmutenden Märchenbuch vorlas.
Diese Buch, sehr alt und wohl auch wertvoll, wurde später verkauft.
Bitten und Weinen wegen des Buches wurden genau wie später wegen dem Leben meiner Katze, mit Schlägen geahndet.
Mein richtiger Vater, daran erinnere ich mich auch noch, schlug mich nur ein einziges mal.
Ich hatte ein Spielzeug - wahrscheinlich eine Murmel - verschluckt und bekam keine Luft mehr.
Er legte mich übers Knie und schlug mir mehrfach auf den Rücken.
Als das Spielzeug raus war, umarmte er mich so fest, dass mir das Atmen schon wieder schwer viel.
In den darauffolgenden Jahren durfte ich offiziell nicht mal sein Grab und das meiner Mutter besuchen.
Kleinste Verfehlungen wurden stets mit körperlicher Züchtigung bestraft und als man meine Furcht vor der Dunkelheit entdeckte, schloss man mich als Zugabe stundenlang im Keller ein.
Einmal sogar deshalb, weil ich in der Versammlung während eines Vortrages einen Schluckauf bekam, der sich nicht sofort unterdrücken ließ und verhaltenes Gelächter provozierte.

Meine schlimmste Erfahrung mit meinen Stiefeltern:
Ich mußte zusehen, wie meine Katze im Keller erschlagen wurde.
Sie war dort versehentlich eingesperrt worden und hatte ihr Geschäft in die dort eingelagerten Kartoffeln erledigt.

Meine beste Erfahrung mit meinen Stiefeltern:
Ein gemeinsamer Urlaub - der einzige überhaupt - an der Adria.
Ganze vierzehn Tage keine Schläge!
Herrliches Wetter, fast so etwas wie Harmonie und die Hoffnung, dass sich einiges bessern könnte.

Zu Hause war aber bald wieder alles beim Alten.
Ein Schloss wurde am Kühlschrank angebracht, so dass ich manchmal, was auch der Inhalt einer Strafe sein konnte, kurze Zeit hungern mußte.
Meine „Kellerbesuche" häuften sich, und ich begann mir dort jede einzelne Nuance des Adria-Urlaubs auszumalen.
Mein Gedächtnis, das sonst sehr genau arbeitet, versucht mir selbst heute noch vorzugaukeln,
dass ich zu bestimmten Zeitpunkten sowohl im Keller, als auch im Urlaub gewesen bin.
Verstandsmäßig weiß ich aber, dass ich eingeschlossen war.
Ich weiß wie blöd das klingt, aber anders kann ich es nicht in Worte fassen.
Auch kann ich kaum die Dauer meiner „Kelleraufenthalte" bestimmen, ein paar mal habe ich aber dort auch schlafen müssen.
Jetzt möchte ich noch kurz zu dem Punkt kommen, an dem die Leute, denen ich versuchte
einige Bruchstücke aus meinem Leben mitzuteilen, stets den Kopf schüttelten.
Im Alter von 16 Jahren trat ich den Zeugen Jehovas bei.
Ich versuchte mir einzureden, die schlechte Behandlung seitens meiner Stiefeltern wäre nur aus Sorge um mein ewiges Leben geschehen und aus deren, mit ihrer übertriebenen Endzeitangst und ihrem Unwissen zu begründenden Panik, durch zu wenig Strenge in meiner Erziehung von Jehova nicht anerkannt zu werden.
Ich hoffte aufrichtig, dass ihnen vergeben werden würde.
Der Rest meiner Geschichte ist schnell erzählt.
1988 zog ich - 18-jährig - zu Hause aus.
1992 kamen mir erste Zweifel und ich begann die Literatur verschiedener Abtrünniger zu studieren.
Ab 1993 begann ich mich ganz langsam zurückzuziehen.
Meine Stundenzahl, die ich berichtete schmolz dahin, Kongresse wurden seltener besucht, ebenso die Versammlung.
1996 war ich dort nach längerer Pause zum letzten Mal.
Ein Freundeskreis außerhalb der WTG wurde aufgebaut.
Dann zog ich mich völlig zurück und zögerte mit meinem Austritt nur noch bis 1998, weil ich den Kontakt zu einigen, mir nahe stehenden Personen, nicht verlieren wollte.
Ein guter Freund kam damals bei einem angeblichen Unfall ums Leben, so dass mir der Ausstieg etwas leichter viel.
Für heute möchte ich schließen, denn ich bin sehr müde und ein wenig traurig geworden.
Morgen oder spätestens ein paar Tage später werde ich mich wieder melden, es sei denn, die Forumsteilnehmer wünschen das nicht, denn ich möchte mich keinesfalls aufdrängen.

Viele Grüße
von
Frank-Peter






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