Re: B... Nachlese


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von D. am 17. Oktober 2003 18:16:38:

Als Antwort auf: B. Nachlese geschrieben von D. am 16. Oktober 2003 13:59:59:

In einer Scientology bezüglichen Newsgroup gelesen (etwas gekürzt)
de.soc.weltanschauung.scientology
Datum:2003-10-13 12:51:53 PST
Verantwortlich: Pfarrer Thomas Gandow als Vorsitzender des Dialog Zentrum Berlin e.V.

Vor 25 Jahren wäre es undenkbar gewesen, daß ein deutscher Hochschullehrer die Täter einer totalitären Organisation für ihre grenzenlose Hingabe an die Ideale ihrer Ideologie rühmt und den Kampf von Fanatikern für die Beseitigung aller Gegen- und Fremdabsichten als "Kampf für Toleranz und religiösen Pluralismus" feierte.

Die Zeiten ändern sich. Und der "aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" gelingt ein weiteres Mal. Diesmal mit der als "Kampf für Religionsfreiheit" aufgeputzten Durchsetzungsstrategie von Scientology.

Guter Anlaß, ganz aktuell darüber nachzudenken, was passiert, wenn Sklaverei zur Freiheit erklärt wird.

B.: Quietschvergnügt bei totalitärer Organisation
Bericht von Thomas Gandow
Ein deutscher Hochschullehrer hat sich über die totalitäre Scientology-Organisation (SO) geäußert. Und zwar überschwänglich positiv. Das ist brisant, weil es sich bei diesem Hochschullehrer um den Leiter des Dresdener Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Prof. Gerhard B., handelt.

Scientology hat den eigenen totalitären, alles andere
ausschließenden Zweck der Scientology-Ethik selbst so definiert:
"GEGENABSICHTEN AUS DER UMWELT ZU ENTFERNEN.
Nachdem dies erreicht ist, hat sie zum Zweck,
FREMDABSICHTEN AUS DER UMWELT ZU ENTFERNEN.
Dadurch ist Fortschritt möglich"
L.Ron.Hubbard: Das Handbuch für den ehrenamtlichen Geistlichen, Kopenhagen 1980

Statt sich kritisch mit der SO und ihren so klassisch selbst definierten totalitären Zielen auseinanderzusetzen, lobt B. vielmehr die fanatische Hingabe mancher Scientologen für die Durchsetzungsziele der SO.
Laut seinem an die Presse verteilten Redetext sagte
B.: "Scientologen geben nicht auf. Sie sind entschlossen. Sie halten durch. Sie zeigen Mut angesichts von Hindernissen. Ich bin davon überzeugt, nur ein aufrichtiger Glaube an ihre Religion kann diesen Grad an Engagement und Hingabe hervorbringen."

B. preist demnach ambivalente Tugenden, die jede totalitäre Organisation nun einmal zur Durchsetzung in ihrer Umwelt, aber auch zum Betreiben ihrer Straflager braucht.
Und er hat die politische Dreistigkeit, genau diese Sekundärtugenden als Begründung zu nennen, warum Scientology lobenswert ist: "Und das (!!) ist es, warum die Scientology Kirche einen Kampf für Toleranz führt der jedem zugute kommen wird. Und ihr Beispiel gibt Hoffnung für andere."

Aufgefordert durch Kollegen?
B. selbst sagte gegenüber der taz (25.9.03), ein "autorisiertes Manuskript" seiner Ansprache existiere nicht. B. sagte der taz auch, er sei "privat" in Brüssel gewesen und dort "von Kollegen" um ein Grußwort gebeten worden.

Dies könnte den Eindruck erwecken, B. habe lediglich unter
anderen an einer mehr oder weniger wissenschaftlichen Tagung teilgenommen. Um welche Kollegen handelte es sich und in welchem Kontext sprach Prof. B. sein "Grußwort"?

Es war die offizielle Eröffung des SO-Büros in Brüssel, an der B. in vorderster Reihe und "mit beträchtlichem Vergnügen" mitwirkte, wie auch auf diesem Foto ersichtlich:
http://www.scientology.org/pics/en_US/news-media/briefing/openings/brussels/image02.jpg

Inzwischen hat James Lewis, u.a. als Unterstützer von AUM
Shinrikyo hervorgetretener Kult-Lobbyist
http://www.religio.de/dialog/395/395s26.html#e1
http://www.religio.de/dialog/295/295s57.html#14
http://www.religio.de/dialog/401/24_26-32.htm,
http://www.apologeticsindex.org/l33.html
eine Solidaritätskampagne für Prof. B. gestartet.

Er schreibt in einem Rundbrief u.a.
An Religionswissenschaftler vor allemin den USA:
"Wir erhielten Nachricht über Prof. Gerhard B., einen deutschen Wissenschaftler der möglicherweise seine position verliert, weil er kürzlich positive Bemerkungen über die Church of Scientology gemacht hat.
Viele von uns denken, daß Scientology selbst einen bedeutenden Teil der Verantwortung für seine Probleme in Deutschland hat.
Aber was auch immer wir über die Organisation denken:
Hier ist das Prinzip der akademischen Freiheit herausgefordert und braucht Unterstützung.
Wir haben direkt mit Prof.B. kommuniziert, der bestätigt, daß die angehängte Beschreibung seiner Situation zutreffend ist. Er hat außerdem bestätigt, daß er jede Hilfe, die er von Wissenschaftler-Kollegen empfangen kann sehr hoch schätzen würde."

B. wird in diesem Papier als "einer der geachtetsten Theologen Deutschlands" und "eine der größten Autoritäten auf dem Gebiet der Religion in der Welt" bezeichnet. Verlöre er seine Position als Leiter des Instituts oder werde ihm das Recht verweigert, die Behandlung religiöser Minderheiten in Deutschland zu erforschen und darüber zu berichten, sei dies ein Schlag gegen die Freiheit der Wissenschaft und unterminiere die Unabhängigkeit deutscher Wissenschaftler und Forscher.

Die Empfänger der Rundsendung werden aufgefordert, sich an der
Kampagne zur Rettung der wissenschaftlichen Freiheit zu beteiligen durch Briefe an den sächsischen Wissenschaftsminister Dr. Matthias Roessler, den Präsidenten der Universität Dresden Prof. Mehlhorn, den sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Milbradt sowie an das Kuratorium des Hannah-Arendt-Instituts.

Inzwischen hat Gerhard B. klargestellt, daß er in der Sache kein Deut nachgibt. Er räumt lediglich ein, er habe die Wirkung seines Amtes als Präsident des Hannah-Arendt-Instituts unterschätzt. "In der Sache", sagte B. der WELT, "habe ich nichts zurückzunehmen." Er habe nicht für Scientology, sondern für die Religionsfreiheit gesprochen.
http://www.welt.de/data/2003/09/26/173639.html und
Gleiches erklärte er auch gegenüber einer Dresdener Zeitung:
http://www.dnn-online.de/regional/39658.html

Aber nur um die Sache, nicht um einen Tritt ins Fettnäpfchen geht es, wie Jürgen Kaube in der FAZ richtig festgestellt hat: "Nicht so sehr daß Scientology gefährlich ist und B.s Auftritt bedenklich war, sondern daß Hannah Arendt sich für solche Ergebnisse von Nichtforschung in ihrem Namen bedankt hätte, ist das Problem."
Informationshinweis: http://www.agpf.de/Besier.htm

Hubbard oder Hitler - Was treibt Gerhard B. um?
Bereits am 24. September 2003 schrieb Jürgen Kaube im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 222, S. 42 HUBBARD ODER HITLER - WAS TREIBT GERHARD B. UM? ...
Und im Grußwort fiel der Satz, Scientology stehe in der ersten Reihe derjenigen, die für die Akzeptanz religiöser Vielfalt kämpften. B. verschwieg den Grund: daß nämlich den Scientologen sehr daran liegt, überhaupt als Religion anerkannt zu werden. Sie werben für einen Religionsbegriff, dessen Vielfalt auch jene eigentümlichen zerebralen Krämpfe miteinschließen soll, die sich beim Lesen des mystisch-militanten Schrifttums von Ron L. Hubbard ergeben können. Einschließen soll er einen Glauben, dem mitunter psychische Mißhandlung vorgeworfen wird, etwa durch den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten (F.A.Z. vom 13. Mai 2002).

Religion will Scientology sein, um toleriert zu werden, fordert also nicht umgekehrt Toleranz für Religion, die sich in ihrer Machtmenschengnosis mit sozialdarwinistischer Erfolgsgarantie für Kursteilnehmer ohnehin nur als Zitat findet. Über die Intellektuellen nach 1933 hat Hannah Arendt einmal rauh gelacht: Was denen zu Hitler alles eingefallen sei. Sie hat die Schriften Hubbards nicht gekannt. Was dem zum Kapitalismus als Psychodroge alles eingefallen ist. B. kennt die Texte aber offenbar auch nicht. Denn daß ihm gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" nur einfällt, "totalitäre Züge gebe es bei vielen Religionen", gibt dem sächsischen Wissenschaftsministerium, das ihn jetzt vorlädt, die Fragen vor: Dem Totalitarismusforscher sei die Auskunft abverlangt, ob er auch die Welteislehre, den Stalinkult und den KuKluxKlan für Religionen unter anderen hält. Nicht so sehr daß Scientology gefährlich ist und B.s Auftritt bedenklich war, sondern daß Hannah Arendt sich für solche Ergebnisse von Nichtforschung in ihrem Namen bedankt hätte, ist das Problem.


ZurIndexseite