Märchenstunde

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 27. September 2003 08:53:58:

Als Antwort auf: Re: Wer hilft mir mein Buch zu schreiben über Ex-Zeugen Jehovas geschrieben von David am 26. September 2003 20:58:57:

Einige Zeugen Jehovas hatten kürzlich wieder ihre traditionelle Märchenstunde.
Offenbar ward das große erweiterte Grimms Märchenbuch aufgeschlagen und der andächtig lauschenden Gemeinde die gar wundersame Geschichte vorgelesen:
"sagte ein älterer Bruder, es gibt außer wegen politisch oder religiöser Gründe, keinen aktiven Zeugen der irgendwo auf der Welt im Gefängnis sitzt. Welche Religion kann das von sich behaupten"
Und die im Glauben daran vereinte Gemeinde sagte "Amen". Einem schwarzen Schaf indes, in der ansonst doch so makellosen Gemeinde, wollte dieses "Amen" nicht so recht über die Lippen rutschen. Wahrscheinlich meinte er, es aus eigener Erfahrung besser zu wissen.
Er kleidete seine Vorbehalte lediglich in die Form von Fragezeichen. Nicht an Ort und Stelle. Die Lust sich steinigen zu lassen, war ihm schon früher mal handgreiflich ausgetrieben worden. Er zog da lieber die Variante "Mentalvorbehalt" vor. Kann man ja sogar verstehen.

Nun denn, zur Gedächtnisauffrischung, mal ein Fallbeispiel, dass seinerzeit auch durch die Presse ging:
Es war einmal eine ziemlich marode Firma in einem kleinen Ort namens Steinhagen. Die nannte sich Balsam, stellte Sportböden her und stand eigentlich kurz vor dem Konkurs. Doch sie hatte einen cleveren Finanzchef, der um Ideen nicht verlegen war. Sein Name war Klaus Schliekamp.

Schliekamp fälschte geschickt ein paar Papiere und holte dadurch flugs ein die dringend benötigten Millionen 'rein. Dem Chef gefiel's und auch für die Banken ging das alles in Ordnung. Schließlich handelte es sich hier um sechsstellige Beträge und damit nur um Peanuts. Außerdem engagierte sich der schlaue Geldjongleur im Devisengeschäft und machte anscheinend seine Sache außergewöhnlich gut. Auf jeden Fall wurde aus Geld, das ihm eigentlich gar nicht gehörte immer mehr Geld und bald sprach man seinen Namen in Bankerkreisen nur noch mit dem Zusatz "Wunderkind" aus.

Das ganze wäre eigentlich nur eine Meldung für die Wirtschaftspresse. Wenn es sich bei dem betreffenden Finanzchef nicht um ein Mitglied der Zeugen Jehovas handeln würde. Eine Sekte also, die ihre Gläubigen in ihrer Selbstdarstellung gerne als besonders gesetzestreue Bürger darstellt, denen nichts im Leben wichtiger ist, als "die gute Botschaft von Gottes Königreich" zu predigen. Und Horst Schliekamp war in den Reihen der Zeugen Jehovas kein unbeschriebenes Blatt, sondern fungierte als Ältester in einer Versammlung. Er galt somit als besonders vorbildlich und genoß das unerschütterliche Vertrauen der "gewöhnlichen" Gläubigen.

Dabei wäre es wohl auch geblieben. Doch der Finanzchef und Oberprediger hatte den Bogen überspannt und bald war von einem Schaden in Milliardenhöhe die Rede. Geld, das 45 Banken gerne wiedergesehen hätten, das aber auf geheimnisvolle Weise verschwunden war.
Es kam, wie es kommen mußte. Der Finanzchef und seine Helfershelfer mußten auf die Anklagebank und man sprach vom "größten deutschen Prozeß im Bereich der Wirtschaftskriminalität". Dabei kamen auch Dinge zur Sprache, die für das Ansehen der sehr auf eine weiße Weste bedachten Sekte alles andere als vorteilhaft war. Er hätte wiederholt Reisen in die Zentrale der Zeugen Jehovas gemacht, hieß es. Und er hätte dort vermutlich große Geldmengen als Spende hinterlassen. Das Gericht ging natürlich der Sache nach. Es wandte sich an die Zentrale der Sekte am Rande des kleinen Städtchens Selters. Doch dort fand es nur "eine Mauer des Schweigens". Daher stellte es ein Rechtshilfeersuchen an die amerikanische Justiz, um zu erfahren, ob Schliekamp bei seinen auffällig häufigen USA-Reisen offiziell Devisen eingeführt oder sonstige größere Geldbewegungen veranlaßt hatte. Denn veranlassen hätte er das ohne Probleme können. Schließlich waren praktisch alle Mitarbeiter in seiner Umgebung ebenfalls Zeugen Jehovas. Einschließlich des Finanzchefs der amerikanischen Niederlassung von Balsam, der speziell auf Schliekamps Empfehlung hin eingestellt worden war.

Ob sich die Verdächtigungen als richtig herausstellen, wird die Zukunft zeigen. Schliekamp jedenfalls schweigt sich zu diesem Thema aus. Er hat lediglich die sowieso schon erwiesenen Betrügereien gestanden. Einstweilen ließ einer seiner engsten Vertrauten wissen, daß es keine Kungelei unter den Zeugen Jehovas bei Balsam gegeben hätte. Vielmehr sei Schliekamp von der Glaubensgemeinschaft für seine Taten zur Rechenschaft gezogen worden. Schließlich seien die Zeugen Jehovas für ihre Ehrlichkeit bekannt.
Auch Schliekamp selbst bestätigt das: "Als Zeuge Jehovas habe ich gegen die Grundsätze der Glaubensgemeinschaft verstoßen", sagte er zum Westfalenblatt und ergänzte: "Ich habe bereits Werke der Reue getan." Was für Werke das waren, sagte er nicht. Aber sie müssen überzeugend gewesen sein. Denn trotz Milliardenbetrug ist Horst Schliekamp nach wie vor Mitglied der Zeugen Jehovas und in Bielefeld als Prediger tätig.

Es ist eben überall dasselbe. Bei den einen reichen schon ein paar kritische Worte, um den Rausschmiß aus "Jehovas Organisation" zu rechtfertigen. Und bei den anderen genügen ein paar Peanuts als "Werke der Reue".
www.infolink-net.de/docs/news/presse009.htm

Bielefeld (WB)
Der zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilte ehemalige Balsam-Finanzmanager, Klaus Schlienkamp (48), soll in den offenen Strafvollzug verlegt werden. Ferner gilt eine Freilassung auf Bewährung im Frühjahr 2003 als wahrscheinlich. Das hat sein Rechtsanwalt Michael Rietz (Münster) am Freitag bestätigt.

Die für Schlienkamp zuständige Sozialbetreuerin in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Remscheid habe dem Häftling gute Führung bescheinigt. Geplant sei, dass Schlienkamp im März/April in die JVA Euskirchen verlegt wird. Schlienkamp müsse ein freies Beschäftigungsverhältnis und soziale Kontakte in Deutschland nachweisen, sagte Rietz. Im offenen oder halboffenen Vollzug müsse Schlienkamp nur die Nächte im Gefängnis verbringen. Ferner könne er auf Antrag seine geschiedene Ehefrau Eva Krüger in Bielefeld besuchen.

Verheiratet ist der Ex-Manager mit Marietta Mariblanka, die auf den Philippinen lebt. Während des Balsam-Prozess war Schlienkamp am 10. November 1998 untergetaucht und später am 28. März 2000 auf den Philippinen verhaftet worden. Er war am 20. September 1999 in Abwesenheit zu zehn Jahren, Firmenchef Friedel Balsam zu acht Jahren Haft verurteilt worden.
Die Balsam AG in Steinhagen war mit 1600 Beschäftigten einst weltweit führender Sportboden-Hersteller. Sie hatte 30 Tochterfirmen in Europa, Amerika und Australien sowie einen Jahresumsatz von zuletzt 480 Millionen Mark. Nach Luftgeschäften (49 Banken wurden betrogen) brach die Firma zusammen. Gesamtschaden: 2,5 Milliarden Mark
www.rietz.de/neu/medienberichte/balsam/schlienkamp_freien_fuss.html
Siehe auch:
home.t-online.de/home/janvi/zocker/zocker1.htm

www.geschichte.nrw.de/chronik/index2.php3/388

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