Re: Kirchenpolitische Impressionen


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Prometeus am 29. Juni 2001 09:23:37:

Als Antwort auf: Kirchenpolitische Impressionen geschrieben von Drahbeck am 27. Juni 2001 17:17:59:

Anstatt die Klage der ZJ nach dem Status der KdöR nun zum Anlass zu nehmen diesen Anachronismus endgültig zu benden und dieses Relikt aus der Weimarer Gesetzgebung endlich verschwinden zu lassen und damit der grundgesetzlich verordneten Trennung von Kirche und Staat endlich Geltung zu verschaffen, wird nun an den Kriterien für die Zulassung gefeilt.Die Pfaffen haben dieses Instrument liebgewonnen. Dies kommentiert Heiner Adamski in einem juristischen Aufsatz wie folgt:

"Entgegen der Annahme der Klägerin (Zeugen Jehovas) ist dieser (erstrebte) Status (KdöR) keine notwendige Folge der Religionsfreiheit, sondern eine staatliche Vergünstigung, auf die die Religionsgemeinschaften zur Ausübung ihrer Freiheit nicht angewiesen sind....In dieser historischen Dimension kann der Körperschaftsstatus als Inkonsequenz gesehen werden. Wenn Religion Privatsache ist - und sie kann es letztlich nicht anders sein: ein 'Glaubensbefehl' ist absurd -, dann wäre es logisch, alles Religiöse einschliesslich der Institutionen der Religion ohne einen irgendwie gearteten öffentlich - rechtlichen Status zu organisieren und das Verhältnis des Staates zu den Religionsgesellschaften so zu regeln wie das des Staates zu beliebigen Vereinen."

Das Problem für die Pfaffen in Brandenburg mit dem Unterrichtsfach LER ist nämlich, das der Unterricht nicht von "christlichen" Religionslehrern erteilt wird, wie z.B. der "Ethikunterricht" in anderen Bundsländern. Das kommt jedoch einer religiösen Bevormundung gleich, die sehr bedenklich ist.

Der Humanist Prof. Dipl.-Ing Edgar Baeger schreibt dazu:

"Ein Staat, der sein Schulsystem nach solchen Leitlinien ausrichtet, zwingt beispielsweise den Kindern atheistischer Eltern hierdurch eine Ideologie auf, die der Weltanschauung ihrer Eltern (die in diesem Beispiel den Begriff "Gott" für einen sinnlosen Begriff halten) diametral entgegensteht. In einem multikulturellen Staat, in dem Menschen verschiedenster Weltanschauungen friedlich zusammenleben sollen, ist eine derart einseitige Privilegierung bestimmter Religionsgesellschaften völlig unannehmbar. Nach einem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes1 soll der Staat "eine Heimstatt für alle Staatsbürger" sein. Er hat weltanschaulich neutral zu sein, darf kein Bekenntnis privilegieren und keine staatskirchlichen Rechtsformen aufrechterhalten. Von diesem Bild eines Staates, wie ihn das Bundesverfassungsgericht seinerzeit skizzierte, ist die derzeitige Bundesrepublik noch sehr weit entfernt. Die aus dem alten Bündnis von "Thron und Altar" stammenden Ansprüche der christlichen Kirchen auf uneingeschränkte Dominanz im staatlichen Schulsystem bestimmen das real existierende Schulsystem der Bundesrepublik bis auf den heutigen Tag.

........... Die mit einem Ersatzfach für nicht an einem Religionsunterricht teilnehmenden Schüler geschaffene Konstruktion ist aber der größte Anschlag auf die Religionsfreiheit, der in der Bundesrepublik jemals unternommen wurde.............. Ausgerechnet christliche Politiker, die Religionsgesellschaften angehören, deren Kirchengeschichte angefüllt ist von unsäglichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, erdreisten sich, kirchenfreie Menschen in dieser unglaublichen Weise zu diffamieren. Religionsgesellschaften, mit deren Geschichte Begriffe wie Ketzerverfolgung, Heidenausrottung, Judenpogrome, Inquisition, Hexenverbrennung, Kreuzzüge, Kriegspredigten untrennbar verbunden sind, dürften moralisch kaum legitimiert sein, Nichtchristen "Werte und Normen" zu vermitteln. In Anbetracht der Tatsache, daß christliche Kirchen mit den faschistischen Verbrecherregimen der neueren Geschichte paktiert haben (Hitler, Franco, Mussolini, Pavelic) und mit hoher Wahrscheinlichkeit ein großer Teil aller Kriege Religionskriege waren, ist diesen Religionsgesellschaften von Seiten konfessionsfreier Menschen jede Kompetenz für Sittlichkeit und Moral abzusprechen........... Die von den Kirchen gewollte Diffamierung kirchenfreier Menschen als moralisch- sittlich nachhilfebedürftig darf von einem Staat, der allen seinen Bürgern eine Heimstatt bieten soll, nicht mehr länger übernommen werden."

Vielleicht sollten sich alle Beteiligten den alten Fritz zum Vorbild nehmen.Ernst Ludwig von Gerlach, der Gründer der Konservativen Partei Preussens, schrieb dazu in einem Weihnachten 1862 an den Halleschen Historiker Heinrich Leo gerichteten Brief:

"Man muß den Lutheranern und den Römern ihre Beschwerden, die sie so lieb haben, zum Teil leidenschaftlich lieb, nehmen durch Gerechtigkeit: das ist der Weg zur Evangelischen Katholizität. Preußen akzentuiert die Konfessionen nicht, sondern erlaubt ihnen sich zu akzentuieren."

Davon sind wir jedoch Lichtjahre entfernt.


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