Re: William H. Bowen

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 19. Juni 2001 21:15:50:

Als Antwort auf: Doppelmoral geschrieben von Drahbeck am 07. Juni 2001 18:04:37:

In den USA unterstellt der Ex-Zeuge Jehovas William H. Bowen aus der Versammlung Draffenville auf einer eigenen Webseite, dass seitens der Zeugen Jehovas Fälle von Kindesmißbrauch, bewusst vertuscht wurden. Lang und breit wird dieses Thema auf seiner Webseite behandelt
http://www.silentlambs.org/home_page.htm

In einem verschiedenen Presseorganen zugestellten Rundschreiben versucht er seine diesbezügliche These zu stützen. Jedenfalls nahm er die von ihm dargestellte Sachlage als Anlass um seinen Austritt bei den Zeugen Jehovas zu erklären. Er ließ es nicht bei diesem persönlichen Austritt bewenden, sondern versucht, wie gesagt, via seiner Webseite, die Öffentlichkeit diesbezüglich zu erreichen.
Nachstehend sei einmal (eine Übersetzung) seines Schreibens an die Presse zitiert:

Ich schreibe, um ein Thema anzusprechen, das den Glauben übersteigt und eine Wirklichkeit offenbart, die tagtäglich Tausende von Kindern betrifft. Ich war über zwanzig Jahre lang als christlicher Diener tätig. Ich kann den Gliedern meiner Kirche jedoch nicht mehr weiter dienen, weil ich nicht mit einer Kirchenpolitik einig gehe, die durchzusetzen ich als Kirchenältester gezwungen bin. Diese Politik hat meiner Meinung nach Tausende geschädigt, lässt viele ohne Schutz und biete eine Zuflucht für direkte Verbrecher.

Ich meine damit die Kirchenpolitik, Informationen über Mitglieder, die Pädophile sind, vertraulich zu behandeln. Diese Pädophilen werden geschützt durch einen von der Kirche verfügten "Kodex des Schweigens", wo nicht einmal die unmittelbaren Angehörigen informiert werden können, und in vielen Fällen beschuldigte Pädophile in verantwortlichen Ämtern innerhalb der Kirche bleiben, während ihre Opfer still leiden oder vor Sanktionen stehen. Ich halte diese Politik für unethisch, unmoralisch und für in vielen Bundesstaaten illegal.

Diese Politik wurde im Wachtturm dargelegt, einer Veröffentlichung meiner Religion, der Zeugen Jehovas. Der Wachtturm, der in zehnmillionenfacher Auflage erscheint und in über 139 Sprachen auf der ganzen Welt verbreitet wird, stellte in der Ausgabe vom 1. November 1995, Seiten 28-29, in bezug auf die Frage, wie Kirchenfunktionäre sexuelle Belästigung behandeln sollten, fest: Wird die Beschuldigung zurückgewiesen, sollten die Ältesten dem Ankläger erklären, daß rechtlich nichts weiter unternommen werden kann. Und die Versammlung wird den Beschuldigten weiterhin als unschuldig betrachten. Gemäß der Bibel müssen zwei oder drei Zeugen vorhanden sein, damit rechtliche Schritte unternommen werden können (2. Korinther 13:1; 1. Timotheus 5:19). Selbst wenn sich mehr als
eine Person an einen Mißbrauch durch dieselbe Person „erinnert", ist die Natur dieser Erinnerungen doch zu ungewiß, um ohne weitere belastende Beweise rechtliche Entscheidungen darauf zu stützen. Das bedeutet nicht, daß solche „Erinnerungen" als falsch (oder als wahr) betrachtet werden. Aber bei einem Rechtsfall muß man sich an die biblischen Grundsätze halten. Demgemäß ist der einzige Weg, dass ein Beschuldigter innerhalb der Wachtturm-Organisation von den Kirchenführern als der sexuellen Belästigung schuldig betrachtet wird, das eigene Geständnis oder die Aussage zweier Zeugen, die das Verbrechen sahen.

Falls ein Pädophiler die Anschuldigung abstreitet, wird er von den Kirchenoberen geschützt. Die Kirche fordert, dass das Opfer sich still verhält, sonst wird es wegen Verleumdung eines Unschuldigen geächtet. Ich glaube, dass ich in bezug auf meine Kinder niemandem in der Wachtturm-Organisation trauen kann. So wie es jetzt aussieht, braucht ein Zeuge Jehovas, der mein Kind sexuell belästigen würde, die Sache nur abstreiten, und als Vater würde ich mit der Drohung, geächtet zu werden, zum Schweigen gebracht, sollte ich versuchen, andere zu warnen oder zu schützen, denen Schaden zugefügt werden könnte.

Ich möchte Sie einmal fragen, wie oft es Augenzeugen gibt, wenn ein Kind sexuell belästigt wird? Wie kann es "belastende Beweise" für eine Belästigung geben, wenn 90% der Verbrechen erst Wochen oder Jahre später berichtet werden? Wie viele Pädophile werden in dem Wissen die Wahrheit sagen, dass sie dafür ins Gefängnis kommen könnten? Bedeutet die Tatsache, dass ein Durchschnittspädophiler sich in seinem Leben an siebzig Kindern vergehen wird und niemals eines Verbrechens überführt wird, wir sollten ihnen Anonymität innerhalb der Kirche zugestehen? Was ist mit Kirchenmitgliedern, die nichts von diesen Anschuldigungen wissen? Sie werden regelmäßig ohne Wissen, dass ihre Kinder vielleicht Gemeinschaft mit einem beschuldigten Sexualverbrecher haben, im Dunkeln gelassen.

Darüber hinaus: Wenn der Täter die Belästigung zugibt und im Vertrauen vor den Kirchenältesten bereut, dann wird dem Opfer oder den Angehörigen des Opfers nicht zugeraten, die Belästigung bei der Polizei anzuzeigen, und wenn sie nicht angezeigt wird, dann fordern die Kirchenoberen von dem Opfer, sich still zu verhalten. Damit kann ein Pädophiler sein Verbrechen wiederholen, weil niemand seine Vergangenheit kennt.
Wie schlimm ist das?

Meiner Meinung nach ist meine Religion aufgrund der gegenwärtigen Kirchenpolitik durchtränkt mit Pädophilen, die von ganz oben bis ganz unten Ämter innehaben. In meinen über vierzig Jahren als Mitglied muss ich immer noch nach einer Versammlung der Zeugen Jehovas suchen, wo es kein Problem mit der sexuellen Belästigung von Kindern gibt.

Daher werde ich in einer Einrichtung, die unethisches und unmoralisches Verhalten gegenüber Kindern fördert, nicht länger als Kirchenältester dienen. Ich lehne es ab, eine Wagenburgmentalität gegenüber Pädophilen zu unterstützen, die in unseren Versammlungen auf der ganzen Welt bewahrt wird. Ich glaube, statt dass die Kirche sich darangibt, selbst zu entscheiden, ob ein Angeklagter schuldig oder unschuldig ist, sollte sie als ersten Schritt die örtlichen Behörden in Kenntnis setzen, die dann untersuchen werden, ob eine Anklage Bestand hat. Wenn dann ein Pädophiler vor Gericht für schuldig befunden wird, wird er in aller Öffentlichkeit namentlich bekannt und bestraft. Das schützt Unschuldige und könnte dem Opfer helfen, einen Schlussstrich zu ziehen. Bis der Tag kommt, sind die Lämmer, die Kleinen in der Opferrolle, die von ihren Dienern Schutz erwarten, zum Schweigen gebracht worden, aber statt beschützt zu werden, werden sie durch eine Politik der Organisation gebrochen und geächtet, wenn sie die Hilfe am nötigsten hätten. Es ist meine aufrichtige Hoffnung, dass dieser Brief dazu führt, die Menschen auf das aufmerksam zu
machen, was auch in ihrer eigenen Kirche geschehen könnte. Es muss eine Basisbewegung geben, die die Verantwortlichen zwingt, ihre Kirchenpolitik völlig zu überholen, wenn es eine ähnliche Politik wie bei Jehovas Zeugen ist, und die diese entsetzliche Haltung, Pädophile zu schützen und Kinder der Gefahr auszusetzen, anspricht.

William H. Bowen
info@silentlambs.org
Po Box 311
Calvert City, KY 42029
270-527-5350
www.silentlambs.org/home_page.htm


ZurIndexseite