Re: Weiteres zu Kersten

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 03. Juni 2003 11:00:06:

Als Antwort auf: Re: Von Schwarzschlächtern und anderen Fertigkeiten geschrieben von Bauer am 02. Juni 2003 11:29:39:

Aus dem Buch des französischen Schriftstellers Josef Kessel über den Fall des Felix Kersten wurde bereits zitiert. Ohne Zweifel war Kersten eine schillernde Persönlichkeit. Dem von permanenten Magenkrämpfen geschüttelten Himmler Erleichterung verschaffend, verstand er es zusehends mehr auf Himmler dergestalt Einfluss auszuüben, ihm Entgegenkommen abzuringen. Dies blieb der Umgebung von Himmler nicht verborgen. Und so ist denn auch überliefert, dass Kaltenbrunner gar, einen als "Unfall" getarnten Mordanschlag für den 3. August 1944 auf Kersten plante. Also Feinde hatte Kersten mit Sicherheit auch.
Über die Rolle, die die Zeugen Jehovas in seinem ungewöhnlichen Lebenslauf mit spielten, wurde bereits geredet. Es wäre durchaus das gefundene Fressen für die Feinde von Kersten gewesen; hätten sie ihn beispielsweise der Übertretung der Lebensmittelrationierungen bezichtigen können. Das ihnen das nicht gelang, verdankte er wie bereits ausgeführt, den Zeugen Jehovas.

Noch bezüglich eines anderen Aspektes erscheint mir Kersten interessant. Er, der da nun in engstem Kontakt zu Himmler stand, bekam natürlich auch so einiges über seine Ideologie mit. Noch heute gestern beispielsweise dubiose Theorien bezüglich der Freimaurer herum. Jene Theorienverbreiter (ich bezeichne sie glashart als politische Idioten) legen sich allerdings keine Rechenschaft darüber ab, dass sie damit nur die Thesen (auch) der Nazis wiederkäuen. Noch heute gibt es in der bayerischen Stadt Bayreuth ein sogenanntes Freimaurer-Museum. Etliches Material das dort zusammengetragen wurde, stammt schon aus Nazizeiten. Und Himmlers SS war einer seiner treibenden Faktoren. Adolf Eichmann, unseligen Angedenkens etwa, begann seine berufliche Laufbahn im Freimaurerreferat des SD.

Schon im Jahre 1952 erschien auch in Deutsch ein Buch in Sachen Felix Kersten mit dem Titel "Totenkopf und Treue. Heinrich Himmler ohne Uniform. Aus den Tagebuchblättern des finnischen Medizinalrates Felix Kersten". Unter dem Datum vom 7. Februar 1940 liest man dort von der Besichtigung des Freimaurer-Museums und wie Kersten im Anschluss daran fragte:

"Glauben Sie wirklich daran, Herr Himmler, daß hinter dem ganzen Geschehen wirtschaftlicher und politischer Art eine kleine Gruppe von Freimaurern aus dem 14. oder 21. Grad sitzt, die regelmäßig, ihre Geheimtagungen abhält, auf denen über Krieg und Frieden beschlossen wird und nach deren Beschlüssen dann das Geschehen im leben der Völker und Staaten abrollt? So etwa wurde mir dies mit tiefem Ernst von Ihren Männern in der Freimaurerabteilung vorgetragen".
"Das glaube ich nicht nur Herr Kersten", antwortete Himmler, "das weiß ich. Sie haben nur hinzuzufügen vergessen, daß diese Männer in den letzten Graden wieder identisch mit dem engsten Kreis der Weisen von Zion sind, so daß im Grunde das Freimaurertum als die große weltumfassende, der jüdischen Weltherrschaft dienende Tarnorganisation aufzufassen ist."

Das Hitlerregime gehört der Vergangenheit an. Eben zitierte Paranoia-Thesen offenbar aber nicht. Und sie erfüllen auch einen gewissen Zweck. Den des Glaubensersatzes. Glauben ist indes nicht mit Wissen identisch. Diese Rolle des Glaubensersatzes, nachdem einige offenbar unzähmbar "dürsten" kommt auch in dem genannten Buch mit zum Ausdruck. Etwa wenn man da auf Seite 186 lesen kann:

"Ich frug Himmler, ob er denn, wenn er sich so stark gegen die christliche Religion ausspräche, die nun einmal der beherrschende Faktor des Abendlandes sei, sich damit gegen jede religiöse Einstellung überhaupt aussprechen wolle. "Was denken Sie, Herr Kersten!" war die Antwort. "Schon die bloße Vernunft muß einem sagen, daß hinter all dem Werden der Natur, hinter dieser wunderbaren Anordnung, wie wir sie im Menschen-, Tier- und Pflanzenreich finden, ein planendes, höheres Wesen stehen muß, mögen wir das nun Gott oder die Vorsehung oder sonst irgendwie nennen. Wenn wir das nicht anerkennen wollten, dann würden wir ja auf derselben Stufe wie der Marxismus stehen und wären um nichts besser. Wenn ich von meinen SS-Männern verlange, daß sie gottgläubig sein müssen, ist das nicht, wie mir dies oft ausgelegt wird, eine Tarnung oder eine Konzession, sondern es ist mir damit sehr ernst. Menschen, die kein höheres Wesen oder eine Vorsehung oder wie sie das sonst nennen wollen, anerkennen, möchte ich nicht in meiner Umgebung haben."

Dies hinderte den offenbar nach eigenen Bekunden tiefgläubigen Himmler aber nicht daran, als einer der größten Menschenschlächter in die Geschichte einzugehen!

Summa summarum: Die einen glauben Christus konnte 1844 deshalb noch nicht wiederkommen, weil er im Himmel erst einmal ein "Untersuchungsgericht" in die Wege leiten musste, wegen des Frevels der Menschenkinder, den Sabbat nicht zu heiligen.
Die anderen glauben, Christus habe 1914 im Himmel seine Macht angetreten. Und die Dritten glauben, alle Übel dieser Welt lassen sich auf den Faktor Freimaurer reduzieren.
Glauben tun sie alle drei. Dies erspart ihnen die Mühsal sich mit den Problemen wirklich auseinanderzusetzen.

Glauben ist in der Tat das Zeichen einer mangelhaften Bildung, der Notschrei derjenigen die da meinen ohne irgendwelche Krücken nicht durchs Leben zu kommen. Sehen sie eine von ihnen früher als heilig angesehene Krücke nicht mehr ganz so heilig an, so geht ihr vorrangiges Suchen und Trachten dem finden einer neuen Krücke. Ob die indes soviel "besser" als die alten sind?
Man mag auch daran seine Zweifel haben; was dann schon wieder eine Form des Auch-Glaubens wäre. Es ist in der Tat ein Teufelskreis, der sich da offenbart.
Offenbar ist der bereits verstorbene Philosoph Emanuel Kant nicht nur zwei sondern etliche weitere Jahrhunderte seiner Zeit voraus. Denn seine Erkenntnis das Aufklärung die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist, hat sich in gewissen Bevölkerungskreisen bis heute nicht durchgesetzt. Dieweil Glauben offenbar einfacher und bequemer für sie ist, als wie Wissensaneignung.

Sylvie Freymond


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