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Geschrieben von Drahbeck am 08. Mai 2003 07:22:23: Am 10. Mai jährt sich zum 70. mal der Tag, an dem die Nazis mit als Auftakt ihrer Herrschaft auf einem Platz vor der Berliner Humboldt-Universität, eine öffentliche Bücherverbrennung als Spektakel veranstalteten. Das war das mehr symbolische. Weit wichtiger war, dass sämtliche öffentlichen Bibliotheken nunmehr systematisch gesäubert wurden von jener Sorte Literatur, die den Nazis nicht genehm war. Einen von vielen Titeln die es auch betraf, sei mal namentlich genannt. Den Antikriegsroman von Remarque "Im Westen nichts neues". Die 1913 gegründete Deutsche Bücherei zu Leipzig als Gesamtarchiv deutschen
Schrifttums bekam eine neue Abteilung. Ob sie damals schon so hieß weiß ich nicht.
Allerdings ist bekannt, dass sie auch nach 1945 fortbestand, unter anderem Vorzeichen als
"Sachgebiet für spezielle Forschungsliteratur". Dort wurde alles missliebige
hineinverbannt und kein gewöhnlicher Sterblicher hatte die Chance Literatur daraus
einzusehen. Einige wenige der großen anderen wissenschaftlichen Bibliotheken; besonders die Preußische Staatsbibliothek zu Berlin, taten es der Deutschen Bücherei in diesem Punkt gleich. Für etliche andere hingegen galt; dass missliebige war nicht nur gesperrt, sondern gar aus den Katalogen eliminiert; sodass man seine Existenz kaum erahnen konnte. Es sei angemerkt, dass solche Sperrabteilungen (mit wechselndem Inhalt) auch heute keineswegs "ausgestorben" sind. Die Bayerische Staatsbibliothek zu München etwa, nennt ihre diesbezüglich nach wie vor bestehende Abteilung verschämt "Remota". Wie schon gesagt. Nach 1945 setzten die Kommunisten in ihrem Machtbereich dieses Prinzip fort. Um das Beispiel Deutsche Staatsbibliothek in Ost-Berlin zu nennen. In der dortigen ASF-Abteilung gab es auch einen nicht öffentlichen Katalog, in dem die gesamten Sperrtitel die ursprünglich mal zum Bestand anderer wissenschaftlicher Bibliotheken im kommunistischen Machtbereich gehörten, zusammengefasst waren. Man betrieb die "Säuberung" also besonders gründlich. Auch ein Buch sei noch genannt; dass sowohl bei den Nazis als in Kontinuität bei den Kommunisten, gesperrt war. Franz Zürcher "Kreuzzug gegen das Christentum". Der seinerzeitige Corona-Verlag, der die nichtssagende Propagandaschrift des Marley Cole in einem Reprint anbot. Selbst der hatte es nicht unternommen, das so geschundene Zürcher-Buch der Öffentlichkeit neu zu offerieren; obwohl das sicherlich einen höheren Stellenwert hätte als der Cole'sche Propagandaschinken. Ein 70. Jahrestag, wenn auch der makabren Art, verdient es sicherlich entsprechend
gewürdigt. Und so findet man denn in der heutigen Ausgabe einer Berliner Zeitung ein
Inserat das auf diesbezügliche Veranstaltungen hinweist. Nichts gegen die Sache als
solche. Stören tut mich dabei nur eines. Der Auftraggeber jenes Inserates. Die PDS. Wolfgang Leonhard, dessen Mutter in die Sowjetunion mit ihm emigrieren
musste, dort ebenfalls einer buchstäblichen "Säuberung" zum Opfer fiel.
Leonhard hatte trotz diesem Schicksal noch relatives Glück. Er konnte (zumindest
persönlich) ein zeitweises Privilegiertenleben in der Sowjetunion genießen. Dazu
gehörte auch, dass er dort studieren durfte. Er berichtet in seinem "Die Revolution
entlässt ihre Kinder" unter anderem auch, wie er in dortigen Bibliotheken Bücher in
die Hand bekam, in denen ganze Passagen manuell mit Tusche unleserlich gemacht worden
waren und anderes mehr.
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