Re: Rosenow


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 01. Mai 2003 11:05:03:

Als Antwort auf: Re: Deutschland auf dem Wege zum Gottesstaat geschrieben von Drahbeck am 30. April 2003 10:16:30:

Zu der Zeit, wo es in der Traditionspartei SPD noch keinen Bundestagspräsidenten namens Wolfgang Thierse gab (weil der da noch gar nicht geboren war). Zu der Zeit wehte in der SPD allerdings in Sachen Religionsfragen ein "anderer Wind".
Ein Beispiel dafür auch das zweibändige Werk von Emil Rosenow das im Berliner sozialdemokratischen "Vorwärts"-Verlag erschien. Etwa terminlich ums Jahr 1910.
Da schrieb Rosenow beispielsweise die Sätze:
"Die sozialistische Gleichheitsgesellschaft wird auch erst die ökonomischen Vorbedingungen für die Beseitigung der religiösen Mystik schaffen, ohne die alle Aufklärungsarbeit keinen Erfolg verspricht. Sie wird das soziale Elend ausrotten, unter dessen seelischem Zwange noch heute breite Schichten der in Unwissenheit Dahinlebenden in die Sphäre des Jenseitsglaubens flüchten."

Schon diese Sätze kann man nicht unkommentiert stehen lassen. Fakt ist. Von einer "Gleichheitsgesellschaft" sind wir global gesehen, weiter denn je entfernt. Fakt ist weiter. Das auch die heutige SPD dieses Ziel schon längst begraben hat. Aber darin hat Rosenow sicherlich recht, wenn er auch von ökonomischen Vorbedingungen für die Beseitigung religiöser Mystik redet. Und wenn er weiter davon redet, dass ohne die alle Aufklärungsarbeit keinen Erfolg verspricht. Das soziale Spannungen eben auch ihr Ventil im Jenseitsglauben finden.

Breiter Konsens der heute politisch Tätigen ist dabei offenbar. Na, dann lasst sie doch an ihr Jenseits oder Harmagedon glauben. Das erspart uns doch eine riesige Menge an Kärrnerarbeit. Dumme muss es immer geben; damit es diejenigen die sich nicht als auch dazu gehörend ansehen, besser gehen kann und vor allem ihre Privilegien nicht angetastet werden. Insofern ist Religion, auch die der Zeugen Jehovas, sehr wohl "staatserhaltend" zur Sicherung jener Zustände, die den Betuchten als die ihren Interessen entsprechend ansehen.

Es ist nicht erkennbar, dass sich das in absehhbarer Zeit ändern würde. Erkennbar hingegen ist dass der Religions-Privilegierungsweg weiter ausgebaut bzw. nicht angetastet wird.

Rosenow lasst sein zweibändiges Buch "Wider die Pfaffenherrschaft" mit dem Satz ausklingen. "Die größte Lehre der Geschichte ist aber die, daß kein 'Gott', wie seine herrschgierigen 'Stellvertreter' behaupten, die Menschheit erlösen kann, sondern daß die Menschheit in unermüdlichen Ringen sich selbst erlösen muß!"

Im Verlauf seiner Geschichtsdarstellung kommt Rosenow auch auf den Fall Servet zu sprechen. Das war ein Leugner der Dreieinigkeitslehre. Er landete auf dem Scheiterhaufen.
Dazu mal ein wörtliches Zitat:

"Im Jahre 1553 endlich ließ Servet jenes Werk erscheinen, das ihn dem Tod in die Arme liefern sollte: 'Die Wiederherstellung des Christentums'. In diesem Werke goß er in geistreicher Form seinen ätzenden Spott über die Lehrmeinungen Calvins aus. Auch seine rationalistischen Auffassungen über das Christentum und die Dreieinigkeit legte er in dem Werke von neuem nieder.
Das Erscheinen dieses Buches entflammte den Haß Calvins zur verzehrenden Glut. Durch eine Mittelsperson unter den französischen Flüchtlingen in Genf ließ er Servet als den Verfasser des unter einem Pseudonym erschienenen Buches der katholischen Inquisition in Lyon denunzieren. Der Inquisitionsrichter Ory eröffnete das Verfahren gegen Servet, aber es lagen keine Beweise für seine Verfasserschaft vor. Da durchsuchte Calvin seine Briefe, die er seinerzeit von Servet erhalten hatte, und schickte diejenigen, in denen dieser die Dreieinigkeitslehre in derselben Form bekämpfte wie in seinem letzten Buche, als Beweismaterial an den katholischen Ketzerrichter!"

Rosenow weilt nicht mehr unter den Lebenden. Würde er es sein und würde er auch heute der Partei SPD angehören. Ich fürchte für ihn. Er würde sich dort in der Rolle des Servet wiederfinden und Thierse in der Rolle des Calvin


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