Elsass


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 14. Januar 2003 06:18:53:

Bereits Mitte Oktober 1939 wurden die damals 1004 französischen Zeugen Jehovas, von der französischen Regierung verboten. Es sollte das Vorspiel noch schlimmeren sein, dass alsbald eintrat. Ein "Zankapfel" zwischen Deutschland und Frankreich war auch das Elsass. Jeweils kriegerische Ereignisse führten zu seinem "Anschluss" an Deutschland, oder im Gegenzug auch an Frankreich. Im Ergebnis der Ersten Weltkrieges wurde es davor bei Deutschland, wieder Frankreich zugeschlagen. Gleichwohl blieb der Anteil deutschsprechender Bewohner verhältnismäßig groß.

Nach 1940 hatte es Hitlerdeutschland wieder annektiert. Für die dortigen Zeugen Jehovas hatte dies zur Folge, dass genanntes bereits französischerseits ausgesprochenes Verbot, noch um einiges verschärft wurde.
Etliche Zeugen Jehovas dieser Region, müssen zeitgenössisch der "ersten Generation" zugerechnet werden. Das heisst es waren keineswegs solche, die aufgrund bereits bestehender elterlicher Tradition Zeugen Jehovas waren. Es waren also im hohem Maße "Neukonvertierte". Unter ihnen auch eine Familie Arnold aus Mülhausen im Elsass.

Wie schon angedeutet machte die Gestapo nachdem sie die Herrschaft im Elsass eingenommen hatte, nicht viel "Federlesen" mit den Zeugen Jehovas. Eine Tochter aus der Familie Arnold, Simone Arnold (später verheiratete Liebster) berichtet autobiographisch darüber. So erwähnt sie, nach der Verhaftung ihres Vaters (sie war 1930 geboren, hat also die Vorgänge als halbwüchsiges Kind schon voll bewusst mitbekommen), dass ihre Mutter, nach der Verhaftung einen Brief erhielt. Zitat:
"Wie konnte Papas Stiefvater, der liebevolle und großzügige Paul Arnold, einen solchen Brief schreiben? Wie konnte mein Opa-Pate nur solche Dinge sagen? Und wie konnte er glauben, Deutschland sei das Schwert der katholischen Kirche im Kampf gegen Abtrünnige und Kommunisten? Er sei stolz darauf, wieder Deutscher zu sein, und glücklich, dass Ungeziefer wie wir endlich ausgerottet würde. Auch freue er sich, dass sein Stiefsohn im Gefängnis sitze, und hoffe, dass er bald im Konzentrationslager lande. Er sei stolz darauf, dass mein Cousin Maurice sich freiwillig in die deutsche Wehrmacht gemeldet habe und dass seine ältere Schwester deutschen Soldaten diene. Für ein Deutschland, das von allen Feinden befreit werden müsse, einschließlich der Bibelforscher, sei kein Preis zu hoch. Die Unterschrift 'Heil Hitler! Paul Arnold'."

Noch so eine Episode die den ganzen Ernst der Lage deutlich machte. Nachdem der Vater verhaftet, berichtet die Tochter:
"Mutter war zur Bank gegangen und kam kreidebleich zurück. Die Gestapo hatte unser Konto aufgelöst. Es sollte noch schlimmer kommen. Sie kam mit leeren Händen vom Arbeitsamt wieder.
'Ohne Arbeitskarte kann niemand arbeiten', sagte Mutter leise …"

Zitate dieser Art brauchen wohl nicht noch weiter ergänzt zu werden. Und so ist man denn auch keineswegs "überrascht" vernimmt man im weiteren Verlauf des Berichtes, dass auch Simone Liebster noch am eigenen Leibe erfahren sollte. Ausgestoßen aus der Schulgemeinschaft, "Heimerziehung" überantwortet und anderes mehr.
Nach 1945 gab es ein relatives Happyend. Auch der Vater kehrte aus dem KZ zurück. War es wirklich ein "Happyend"?
Es mag sich jeder seine eigene Antwort darauf formulieren, wenn er auch Sätze liest wie beispielsweise den:

"War dies denn wirklich mein Vater? Wie konnte sich seine Stimme so sehr verändert haben? In nur vier Jahren war er ein Greis geworden. Er hatte seine Zähne verloren und war fast taub. Seine Beine hielten ihn nicht mehr aufrecht. Die Hände zitterten. Sein rundes Gesicht war ganz lang. Seine Gesichtsfarbe war nicht mehr rosa, sondern gelb. Er war mir so fremd, wie auch ich ihm fremd vorkommen musste".

Die Simone Arnold besuchte dann im Jahre 1952 (also als Zweiundzwanzigjährige) die WTG-Schule Gilead. Dort lernte sie dann noch einen Druckereiarbeiter namens Max Liebster kennen. Dort als Schriftsetzer eingesetzt. Max Liebster, viele werden es wissen, hatte auch eine persönliche "KZ-Karriere" schon hinter sich. Die Simone Arnold auch in ihrer Familie plastische Beispiele dafür vor Augen. Die beiden heirateten schließlich im Jahre 1956. Liest man auch zwischen den Zeilen. Etwa jenen Satz wo die Simone betont, dass dieser Max doch erheblich älter sei als sie selbst, und zitiert sie dann eine Mit-Gileadabsolventin die sich dergestalt verbreitet, man solle sich aufopfern. Berücksichtigt man dies alles wird man vielleicht sagen können. Es war keine "reine Liebesheirat". Aber das soll es ja bei den Zeugen Jehovas des öfteren geben. Nicht nur im Falle Simone und Max Liebster.

Nachdem der Bericht der Simone Arnold Liebster bereits seit einiger Zeit in Englisch vorgelegen hat, gibt es unter dem Titel "Allein vor dem Löwen" jetzt auch eine überarbeitete deutsche Fassung davon. Im Anhang gibt es auch einen knappen Abriss über die politisch-geschichtliche Entwicklung des Elsass. Diese Mit-Anfügung ist durchaus zu begrüßen, da nur wenige mit dessen spezifischer Geschichte näher vertraut sein dürften.


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