Re: B...


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 08. Oktober 2002 18:14:03:

Als Antwort auf: Re: Scholder-B... geschrieben von Drahbeck am 03. Oktober 2002 14:48:18:

Ein Artikel der "Berliner Zeitung" über ein neueres kirchengeschichtlich orientiertes Buch endet mit dem Satz: "Im Frühjahr 1933 habe sich das Volksgemeinschaftserlebnis vom Sommer 1914 wiederholt, mit deutlich steigenden Besucherzahlen für die Kirchen, sagte B.; und dieser 'Geist von 1914, der immer wieder auftaucht und den wir gerade wieder erlebt haben, ist für die Kirchen die Versuchung schlechthin'. Was aber daraus politisch für die Kirchen heute folge, dass hätte man doch gern genauer gewusst." (Vgl. dazu Forumsarchiv A 6). Nun, ich bin geneigt darauf zu antworten, der "heutige Geist von 1914" heißt "Körperschaft des öffentlichen Rechts". Oder noch anders formuliert. Die Mit-Alimentierung von Kirchen und Religionsgemeinschaften durch öffentliche Steuergelder. Und einer der sich diesbezüglich auch "stark" macht, heißt eben Gerhard B.
Zu der weiteren Frage der "Berliner Zeitung", "Was aber daraus politisch für die Kirchen heute folge, dass hätte man doch gern genauer gewusst." Auch darauf gibt es eine Antwort. Den Einflüsterungen von B. und seiner Klienten, in Sachen KdöR n i c h t nachgeben!

Was soll man zum 3. Band, diesmal aus der Feder von Gerhard B., der Reihe "Die Kirche und das Dritte Reich" aus hiesiger Interessenlage sagen? Nun vielleicht dies, dass auch darin, wie in den vorangegangenen Bänden sich alles nur um den Nabel der "Großkirchen" und ihre Befindlichkeit dreht. Symptomatisch dafür ist auch, in einer Anmerkungsnummer zitiert B. auch das Buch des Detlef G. "Zwischen Widerstand und Martyrium" (man vergleiche dazu S. 982, Anm. 665). Der von B. genannte Kontext bezieht sich darauf, dass einer der führenden Vertreter der "Deutschgläubigen", Jakob Wilhelm Hauer, unter anderem auch ein Gutachten über die Zeugen Jehovas angefertigt habe. B. bemerkt zurecht, dass dieser Fakt bei G. in keiner Form erwähnt wird. Nur, das muss auch gesagt werden. Auch B. handelt ähnlich. Nebulös redet er von diesem "Gutachten", dass er mutmaßlich in irgendeiner Akte eingesehen hat. Unterlässt es aber, einen Quellenbeleg hinzufügen. Wo, in welcher Archivalie etc.? Die Bücher von Hans Hesse zum Thema Zeugen Jehovas, werden von ihm gerade mal mit Mühe und Not im Literaturverzeichnis mit aufgeführt. Irgend einer Erwähnung im Text sind aber auch sie unwürdig. Das war's dann schon, was zu diesem Buch bezüglich der Zeugen Jehovas zu berichten ist.

Im Prinzip gibt es ja mittlerweile schon ganze Bibliotheken voll Bücher, nur unter dem einem Oberthema "Kirchenkampf in Deutschland". B. hat dem ein weiteres hinzugefügt. Er verweist auf die große zeitliche Lücke, die zwischen dem Erscheinen des zweiten und des dritten Bandes besteht. Seine, durchaus plausible Erklärung besteht darin, dass es der alt-Bundesrepublikanischen Forschung, und in diesem Kontext ist auch B. einzuordnen, nunmehr möglich geworden sei, auch Archivbestände aus dem geographischen Bereich der früheren DDR mit auszuwerten. Insofern hat er eine breitere Quellenbasis. Er konnte Archivbestände aus beiden Teilen Deutschlands auswerten; während für den Bereich DDR, wo Kurt Meier gleichfalls eine dreibändige Ausgabe zum Thema vorgelegt hatte, er eben nur mehr oder weniger auf die Archivbestände eines deutschen Teilstaates zugreifen konnte.

Ob diese breitere Quellenbasis nun wirklich zu "grundlegend" neuen Einsichten führte, wäre eine Frage, die darauf spezialisierte Kirchenhistoriker unter sich auszumachen hätten. Zu diesem exklusiven "Club" zähle ich mich nicht. Bekanntermaßen ist mein Hauptinteressengebiet nicht die Geschichte der Großkirchen. Die interessiert nur als allgemeines Hintergrundwissen.

Die dreibändige Ausgabe von Kurt Meier und auch seine vorangegangene Dissertation über die "Deutschen Christen" habe ich auch gelesen. Gleichfalls auch die drei Bände nunmehr unter B.-Regie. Die berühmten "Aha"-Effekte, nach dem Motto; das war mir grundlegend neu, sind bei B. zwar auch vorhanden, halten sich aber in Grenzen. Als Beispiel dafür möchte ich seine Ausführungen bezüglich des 1935 gegründeten "Reichskirchenministeriums" nennen. Nach B. war es eigentlich gar nicht beabsichtigt, dass zum "Ministerium" aufzuwerten. Das wirre Machtgefüge des Naziregimes ausnutzend, hatte sich der diesbezügliche Minister, selbst zum Minister befördert (S. 287). Dies wiederum hatte zur Folge, dass diese Behörde in der Praxis keinerlei entscheidenden Einfluss auszuüben vermochte. Die wirkliche Kirchenpolitik wurde nach wie vor von anderen, durchaus heterogenen Kräften dominiert.

Direkte Widerspruchsthesen habe ich aber auch nicht registriert. Also ein Werk wirklich nur für Fachhistoriker. Wer tut sich schon sonst ein Buch von mehr als 1200 Seiten an? Geschäftstüchtig hat Herr B. auch den Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl für sein Buch mit eingespannt. Ich kann dies aber wirklich nur als Publicity-Masche ansehen. Da tut einer dem anderen einen Gefallen. Politisch schweben beide Herren ohnehin auf einer "Wellenlänge", die nicht die meinige ist.

Immerhin eine Kritik sei geäußert. Bei den Büchern von Kurt Meier gibt es im Anhang sowohl ein separates Personenregister als auch ein analoges Sachregister. Bei B. hingegen gibt es nur ein Personenregister. Dies macht die Auswertung des Angebotenen nicht gerade leicht. Aber es ist auch ein Signal. B. dokumentiert mehr oder weniger nur Personen, sprich "hochrangige" und was sie so von sich gaben. Suche ich indes Auskunft über spezielle Sachfragen, bin ich bei B. schlecht bedient.
Von inhaltlichen Wiederholungen ist das Buch auch nicht frei. So wird beispielsweise der schon aus Band II bekannte Text des Hitlerliedes "Wir sind die fröhliche Hitlerjugend" auch in Band III wieder zitiert (dort auf S. 135).

Der von B. behandelte Zeitraum repräsentiert jenen, wo die "Anbiederungskirchen" sich zunehmend in die Defensive gedrängt sahen. Ein Wortführer auf katholischer Seite gegen kirchenkritische Kreise war auch der Bischof Galen. Dazu notiert B. beispielsweise:
"Den Brief Galens verwendete Rosenberg in seiner Rede am 7. Juli 1935 in Münster und charakterisierte ihn als 'Herausforderung an die gesamte Partei und den heutigen Staat'. Unter Religionsfreiheit verstehe Galen 'die Unterdrückung aller Anschauungen, die nicht mit einem bestimmten Dogma zusammenfallen'. Rosenberg betonte: 'Der Nationalsozialismus, der den Bolschewismus in Deutschland niederschlug in einer Zeit, da die Kirche ihn nicht überwinden konnte, hat mehr für das Christentum getan als alle anderen Parteien in Deutschland zusammen!' Galens Brief grenze an den Aufruf zu politischen Unruhen. Daß der Bischof daraufhin nicht verhaftet wurde, sei ein Beleg für die Toleranz des NS-Staates" (S. 154). Hierzu noch die Anmerkung. Andere Bücher dieses Bereiches thematisieren, die kirchenkritischen Kräfte im NS-Regime weitaus deutlicher. B. beschränkt sich wirklich nur auf seine Hauptklientel, der er ja soziologisch auch angehört, den Theologen.

Der Erwähnung wert, erscheint mir auch der von B. mitbehandelte Aspekt, dass seitens der Nazis eine gezielte Propagandakampagne gegen die Kirchen in Szene gesetzt wurde, unter dem Stichwort "Devisen- und Sittlichkeitsprozesse". Da wurden bewusst Mücken zu Elefanten hochstilisiert und so mancher der sich da besonders hervortat, konnte sich ohne besondere Schwierigkeiten (so er denn "wollte") den Mantel eines Pharisäers umhängen. Vielleicht sollte mancher mal über diese historischen Vorgänge tiefer nachdenken. Vor allem sie erst einmal zur Kenntnis nehmen!

Am Rande notiert. Der Bibelforscher-Häuptling Rutherford, polemisierte in einigen seiner Schriften gegen den amerikanischen Präsidenten Roosevelt und gegen den katholischen Kardinal Mundelein in den USA. In der Bildbeilage findet man auch ein Foto der beiden, wie sie sich da gegenseitig so anlächeln.
Mit seiner antikatholischen Aversion indes, muss man rückfragen, ob Rutherford den Mundelin wirklich "sachgerecht" beurteilte. Da ergeben sich in der Tat einige Zweifel, etwa wenn man bei B. (S. 799) liest:
"Mehr als alle anderen Proteste, die infolge der Enzyklika (Mit brennender Sorge) aus dem Ausland gegen die Unterdrückung der Kirchen erhoben wurden, erregte eine nichtöffentliche Rede des Chicagoer Kardinals George William Mundelein vom 18. Mai 1937 die NS-Gesellschaft. Der leitende Geistliche hatte nämlich nicht nur Kritik an den unredlichen Sittlichkeitsprozessen in Deutschland geübt, die ein Werk des 'unehrlichen' Propagandaministers seien, sondern er hatte den Hitler Mythos selbst angegriffen. 'Ihr werdet vielleicht fragen', sprach er seine Zuhörer an, 'wie eine Nation von 60 Millionen Menschen, intelligenten Menschen, sich in Furcht und Knechtschaft einem Ausländer unterwerfen kann, einem österreichischen Tapezierer und - wie mir gesagt wird - einem schlechten dazu."

Rutherford kritisiert nun besagtem Mundelein dahingehend, dass er zu denen gehöre, die die Bibelforscher-Religion am liebsten auch in den USA verboten wissen wollten, diese ihre Zielstellung "aber nicht hinbekommen" haben. Da mag man nur sagen, angesichts der Einschätzung Hitlers durch diesen Kardinal. Er hatte offenbar einen scharfen Blick! Und er wusste wohl auch Rutherford sachgerecht zu bewerten!

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