Re: Hudal


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 03. Oktober 2002 03:57:25:

Als Antwort auf: Re: Goldhagen geschrieben von Gerd Borchers am 02. Oktober 2002 14:06:26:

Ergänzend zum vom Gerd mitgenannten Fall Hudal noch:
Alois Hudal lies im Jahre 1937 (also noch vor dem Zwangs"anschluss") Österreichs in Hitlerdeutschland ein Buch veröffentlichen mit dem programmatischen Titel:
"Die Grundlagen des Nationalsozialismus. Eine ideengeschichtliche Untersuchung".
Darin stellt er sich vor als "Bischof Dr. Alois Hudal (Rom)"
Seinen Ausführungen stellt er ein Motto voran. Er zitiert den damaligen sowjetischen Außenminister Molotow, der nach Hudal am 22. 1. 1934 "vor dem Exekutivkomitee der 3. Internationale" erklärt haben soll:
"Die Weltrevolution ist in der größten Gefahr, wenn es zur ideologischen und organisatorischen Verständigung zwischen der katholischen und faschistischen Internationale kommen sollte. Die Komintern muß dieselbe verhindern und auf deutschem Boden wird es zum Kampf zwischen diesen Mächten kommen."

Seinen eigenen Part umschreibt er in diesem Buch mit den Worten:
"Das vorliegende Buch ist als ein Versuch gedacht, vom christlichen Standpunkt einen Weg zum Verständnis des Nationalsozialismus zu ebnen." (S. 13)
Zu dieser These muss man wissen, dass seitens der katholischen Kirche vor 1933 der Nationalsozialismus teilweise scharf angegriffen wurde. Das es sogar Fälle gab von kirchlichen Exkommunikationen einiger Katholiken, die sich im besonderen für den Nationalsozialismus verwandten. Mit dem Anbruch des Jahres 1933 änderte auch die katholische Kirche diese ihre vormalige Haltung auf breiter Front. Das deutsche Konkordat war sichtbares, auch propagandistisches Zeichen dieser Entwicklung.

Hudal seinerseits wollte über diese Anpassung noch hinausgehen, und gar zu einem echten Freundschaftsverhältnis zwischen katholischer Kirche und Nationalsozialismus beitragen.
Etwas allerdings, lag auch der katholischen Kirche, trotz aller taktischen Anpassungen, nach wie vor schwer im Magen. Das war der Fall Rosenberg. Den (schon jahrelang als Chefredakteur des "Völkischen Beobachters" amtierend) ernannte Hitler Anfang 1934 gar noch zum "Beauftragten für die gesamte weltanschauliche Schulung". Ein einziger riesiger Schmerzensaufschrei auf breitester christlicher Front, nicht nur der katholischen Kirche, war die Reaktion darauf.

Warum provozierte Hitler diesergestalt? Das Jahr 1933 war auch durch die Versuche der regimetreuen "Deutschen Christen" (auf evangelischer Seite) dominiert, die gesamte Kirche nationalsozialistisch "gleichzuschalten". Weite Bereiche der Führungsebene der evangelischen Kirche waren diesergestalt nationalsozialistisch verseucht. Dennoch rührte sich auch dort Widerstand. Er sollte als "Bekennende Kirche" noch in die Geschichte eingehen.
Faktisch war der Bereich evangelische Kirche durch diesen Widerstand zutiefst innerlich zerrissen. Hitlers Plan einer Gleichschaltung der g e s a m t e n evangelischen Kirche ist letztendlich nicht aufgegangen. Auch die "Bekennende Kirche" betonte geradezu penetrant, dass sie der "großen Politik" des Hitlerregimes loyal gegenüberstehe. Verwahrte sich also entschieden dagegen als "politische Opposition" bezeichnet zu werden. Dies wiederum bewirkte, dass die Gestapo im Falle "Bekennende Kirche" nicht so zuschlagen konnte, wie sie es gerne gemocht hätte.

Hitler sah sich sogar genötigt, einen der Führer der Bekennenden Kirche (Niemöller) anläßlich eines Empfanges von Kirchenführern mit einzuladen (nebst Koryphäen der "Deutschen Christen"). Niemöller wurde zwar bei diesem Empfang speziell durch Göring massiv desavouiert; indem ein abgehörtes Telefonat von ihm öffentlich verlesen wurde. Aber als Summa Summarum ist zu rekapitulieren, dass Hitler sich in der Lage sah, angesichts des Streites innerhalb der evangelischen Kirche, seine Gleichschaltungspläne auf unabsehbare Zeit fürs erste "auf Eis" legen zu müssen.

Seine Reaktion darauf, die provokative Aufwertung des Rosenberg. Dies kann man eigentlich nur dann richtig verstehen, wenn man den Rosenberg'schen 700-Seiten-Wälzer "Mythus des 20. Jahrhunderts" einmal selbst gelesen hat. Finden sich darin doch solche Sätze wie, das die Bibelforscher eine "bastardische Sekte" seien, oder sinngemäß, dass die sonstige kirchliche Ideologie nicht mehr dem "deutschen Wesen" entspreche und sich nach den "germanischen Höchstwerten" "umwerten" lassen müsste und anderes mehr.

Der Rosenberg-Wälzer erschien erstmals schon im Jahre 1931. Und hatte seit jenem Zeitpunkt die Kirchen in immer größerem Umfang hochgeschreckt. Und nun zu allem Überfluss noch die provokative Ernennung des Rosenberg zum "Ideologiepapst", durch Hitler. Dies alles konnte auch Hudal nicht entgangen sein. Notgedrungen sah auch er sich genötigt zu Rosenberg Stellung zu nehmen. Kennt man sonstige kirchliche Stellungnahmen zu Rosenberg, in der Regel schroff ablehnend, wirkt die Stellungnahme von Hudal geradezu zahm.

Hudal äußerst sich zu Rosenberg mit den Worten:
"Ist besonders Rosenbergs Buch 'Der Mythus des 20. Jahrhunderts', das auf dem Nürnberger Parteitag am 11. September 1935 mit anderen Urkunden in dem Grundstein der neuen Parteikongreßhalle versenkt wurde, das Evangelium oder der Katechismus des Dritten Reiches? Seit Häckels Welträtsel hat kein anderes deutsches Buch eine so große und leidenschaftliche Gegenliteratur verursacht als Rosenbergs Mythus, obwohl seine Auffassungen Jahrzehnte hindurch von protestantischen Theologieprofessoren auf den Kanzeln und Kathedern Deutschlands vorgetragen worden waren. (Vgl. die 'Fälle' Schrempf, Jatho, Traub!)" (S. 16)

Mit anderen Worten. Hudal relativiert. Der kirchlichen Aufgeregtheit gegenüber Rosenberg erklärt er sinngemäß. Was der da sagt, ist doch kalter Kaffee. Weshalb regt ihr euch auf. Das gibts doch als Thesen schon lange. Beleg dafür ist auch seine These:
"Seitdem der Nichtarier [man beachte diese Etikettierung - Einfügung von mir] David Friedrich Strauß mit seinen 'Leben Jesu' (1835) und dem 'Alten und neuen Glauben' (1872) die Grundlagen christlicher Gläubigkeit im Protestantismus erschüttert hat, hat diese Krise nie mehr aufgehört, den Strauß hat den tiefsten Einfluß auf Jahrzehnte, so auch auf Nietzsches Haltung gegenüber dem Christentum ausgeübt.
Fast für jede religiös-kulturelle Behauptung im führenden nationalsozialistischen Schrifttum könnte man einem liberalen Theologieprofessor (Harnack, Delitzsch, Drews, Greßmann, Gunkel) eine Parallele nachweisen. Philosophisch und literarisch war also diese Wende vorbereitet." (S. 236).

Dies alles focht Hudal offenbar nicht sonderlich an. Unbeirrt hält er an seinem Ziel fest, einen Ausgleich zwischen katholischer Kirche und dem Nationalsozialismus zu befördern. Beleg dafür ist auch seine Ausführung:
"Es darf nicht übersehen werden, daß leider gerade diese von der Los-von-Rom-Bewegung heimgesuchten Gebiete Österrreichs später die stärksten Stützpunkte des Nationalsozialismus wurden und teilweise es bis heute geblieben sind und damit gleichzeitig die ganze Bewegung in den Augen religiös gesinnter Menschen kompromitieren als eine zweite Los-von-Rom-Bewegung, was sie tatsächlich gar nicht sein wollte." (S. 26)

Nachdem er so den Nationalsozialismus indirekt in Schutz genommen, kommt er zu seiner Hauptthese, die man aber als Zweckoptimismus charakterisieren muss. So schreibt er:
"Zum unerschütterlichen Programmpunkt des Nationalsozialismus gehört auch das Bekenntnis zum positiven Christentum. Wie immer auch dieser Begriff ausgelegt werden will, es ist damit Christentum und nicht Heidentum gemeint. Es ist zugleich die Anerkennung der christlichen Vergangenheit des deutschen Volkes und der Gegensatz zur bolschewikischen Gottlosenpropaganda." (S. 57)

Ergänzend noch der Hinweis. In dem Buch "Geschichte der Zeugen Jehovas. Mit Schwerpunkt der deutschen Geschichte", wird auf den Fall Rosenberg noch weiter eingegangen.

Weiter ergänzend noch.
In Heft 4/1985 der vom Freidenkerbund Österreichs seinerzeit herausgegebenen Zeitschrift "Der Freidenker. Geist und Gesellschaft" (Bestand Deutsche Bücherei Leipzig, Signatur ZA 54707) ging Anton Szanya, auf Hudal, anlässlich dessen 100. Geburtstages näher ein. Aus diesem Aufsatz die nachfolgenden Zitate:
"Hudal war also der Faszination des Nationalsozialismus erlegen und er sollte sich bis zu seinem Lebensende nicht mehr davon lösen können. Er entfaltet insbesondere in der einflußreichen katholischen Zeitschrift 'Schönere Zukunft' eine rege publizistische Tätigkeit, indem er immer versuchte, eine Verträglichkeit von Christentum und Nationalsozialismus zu beweisen, sofern das 'Erstgeburtsrecht der Religion über allen anderen Werten' gewahrt bleibt.

Das zweite Anliegen Hudals, das er in der 'Schöneren Zukunft' immer wieder verfocht war 'die Vernichtung der kommunistischen und bolschewistischen Weltgefahr, wobei er darauf hinwies, daß sich Österreich neben Deutschland in die antirussische Front eingliedern solle und hierbei die Kirche als besten Bundesgenossen ansehen dürfe.

Die Publizistik Hudals strebte im Jahre 1936 ihrem Höhepunkt zu.
Hudal wählte auch den 11. Juli 1936 zur Veröffentlichung seines Hauptwerkes 'Die Grundlagen des Nationalsozialismus'. Der Grundtenor dieses Buches ist der Nachweis, daß es zwischen dem Nationalsozialismus und dem Christentum keine grundsätzlichen Unvereinbarkeiten gibt.

Nichtsdestoweniger erschien er dem deutschen Propagandaminister Josef Goebbels verdächtig und er unterdrückte seine Verbreitung im Deutschen Reich. Die deutsche Führung zeigte Hudal aber ihre Gewogenheit, indem sie ihm das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP verlieh.

Als sich der zweite Weltkrieg dem Ende zuneigte, kam Hudals große Zeit, in der er seine Nibelungentreue zum Nationalsozialismus bewähren konnte. Die Grundlage hierfür baute er sich im Jahre 1944 auf, als nach dem Tode des Kardinalstaatssekretärs Moglione diese Funktion von Pius XII. nicht mehr besetzt wurde. Pius teilte das Staatssekretariat in zwei ihm direkt unterstehende Abteilungen: In die Verwaltungsabteilung, die Domenico Tardini unterstellt wurde, und in die außenpolitische Abteilung, die von Giovanni Battista Montini geleitet wurde. Unter Montini führte Hudal das vatikanische Paßbüro und pflegte auch Kontakte zum Flüchtlingsbüro und zur Caritas Internationalis. Auf Hudals Drängen legte Montini mit Zustimmung des Papstes Paß- und Flüchtlingsbüro zusammen.

Damit standen Hudal alle denkbaren Möglichkeiten offen, um seinen Nazi-Freunden zu helfen, sich aus dem Verderben zu retten. Und er half, denn er war von den unlauteren Motiven der Alliierten in diesem Krieg zutiefst überzeugt. In seinem Lebensrückblick schrieb Hudal: "Alle diese Erfahrungen haben mich schliesslich veranlaßt, nach 1945 meine ganze karitative Arbeit in erster Linie den früheren Angehörigen des NS und Faschismus, besonders den sogenannten 'Kriegsverbrechern' zu weihen, die von Kommunisten und 'christlichen' Demokraten verfolgt wurden, oft mit Mitteln, deren Methoden sich nur wenig von manchen ihrer Gegner von gestern unterschieden haben; obwohl diese Angeklagten vielfach persönlich ganz schuldlos, nur die ausführenden Organe der Befehle ihnen übergeordneter Stellen und so das Sühneopfer für große Fehlentwicklungen des Systems waren. Hier zu helfen, Menschen zu retten, ohne opportunische und berechnende Rücksichten, selbstlos und tapfer, war in diesen Zeiten die selbstverständliche Forderung eines wahren Christentums, das keinen Talmudhaß, sondern nur Liebe, Güte und Verzeihung kennt und Schlußurteile über die Handlungen der eigentlichen Menschen nicht politischen Parteien, sondern einem ewigen Richter überläßt, der allein die Herzen, Beweggründe und letzten Absichten überprüfen kann. …

Ich danke aber dem Herrgott, daß Er mir meine Augen geöffnet hat und auch die unverdiente Gabe geschenkt hat, viele Opfer der Nachkriegswirren in Kerkern und Konzentrationslagern besucht und getröstet und nicht wenige mit falschen Ausweispapieren ihren Peinigern durch die Flucht in glücklichere Länder entrissen zu haben."

Wer waren nun diese armen, unschuldigen Verfolgten, die Hudal vor ihren Peinigern gerettet hat? Da wäre einmal Martin Bormann, Chef der Parteikanzlei der NSDAP, zu nennen. [Einfügung von mir. Entgegen der Darstellung von Szanya, der sich auf eine von ihm noch genannte Quelle beruft, vertreten einige Historiker die Meinung Bormann sei in den Kriegswirren in Berlin umgekommen. Ende der Einfügung]. Nach Irren durch österrereichische und italienische Klöster kam er, versehen mit einem vatikanischen Reisepaß (Paß-Nr. 073.909, gezeichnet von Pius XII, lautend auf den Staatenlosen Jesuiten Eliecer Goldstein), im Jahre 1948 nach Brasilien. Nach einem Zwischenaufenthalt in einem römischen Palottinerkloster folgten ihm seine fünf Kinder nach. In den folgenden Jahren tauchte er immer wieder in verschiedenen südamerikanischen Staaten auf. (Nino La Bello: Vatikan im Zwielicht; die unheiligen Geschäfte des Kirchenstaates. Düsseldorf, Econ-Verlag S. 67).

Da war auch Adolf Eichmann, Leiter des Judenreferates im Reichssicherheitshauptamt, dem ein gewisser Kurienpater Benedetti zur Flucht verhalf.

Besondere Erwähnung verdient der Fall des Chefs der Gestapo, Heinrich Müller [Einfügung von mir. Auch hier die Anmerkung. Nachfolgende Ausführungen werden keinesfalls von allen Historikern "gestützt". Ende der Einfügung] Unter der Identität seines gefallenen Assistenten Oskar Liedtke floh Müller mit einem Koffer voll Dollars am 17. Mai 1945 aus der Reichskanzlei [Einfügung von mir. Wie dieses Datum? Bereits am 8. 5. 45 hatte Deutschland de jure kapituliert. Wie kann da jemand noch aus der zerstörten Reichskanzlei fliehen? Ende der Einfügung] Drei Wochen später hatte er dann Innsbruck erreicht, von wo er sich zu Fuß nach Meran durchschlug. Von dort ging es mit dem Auto nach Rom ins Collegio Croatie. (Cladislas Frago: Scheintot; Martin Bormann und andere NS-Größen in Südamerika. Hamburg: Hoffmann & Campe 1975 S. 157, 158).

Im Juli 1945 traf Müller mit Hudal zusammen, der ihn zunächst im Collegio Teutonica und dann in der Anima unterbrachte. Mit neuen Papieren, lautend auf Jan Belinski aus Lodz, und gekleidet als Mönch, schiffte er sich Ende 1945 in Neapel nach Barcelona ein. 1950 kam er nach Südamerika, wo er zuletzt unter dem Namen Herzog als Gutsverwalter in der argentinischen Stadt Cordoba lebte (ebenda S. 161, 162).

Seit 1944 war ein Teil der Millionen aus dem deutschen Geldfälschungsprojekt 'Unternehmen Bernhard' auf einem Schweizer Geheimkonto gehortet worden. Der Verwalter dieses Geldes, ein gewisser Freddy Messer, überwies die benötigten Gelder an Hudal.

Im April 1951 war der österreichische Episkopat endlich soweit zermürbt, daß er an Hudal in ziemlich barscher Form die Aufforderung richtete, sich von seiner Funktion zurückzuziehen. Hudal gab diesem Druck nach und gab zu Weihnachten 1951 seinen Entschluß bekannt, von seinem Amt als Rektor der Anima zurückzutreten.
Er starb am 13. Mai 1963."


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