Re: Verleich zwischen den DDR-Verfassungen von 1949 und 1968


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 22. September 2002 18:08:50:

Als Antwort auf: Re: das ist knallharte Politik! geschrieben von LuckyX am 22. September 2002 14:21:24:

Zur Veranschaulichung.
Die 1949-er Verfassung der DDR enthielt noch rund acht Artikel, in denen das Verhältnis Bürger-Staat in Kirchenfragen beschrieben wurde. In der 1949-er Verfassung war auch noch ausdrücklich (aus der Weimarer Verfassung übernommen) davon die Rede, dass Kirchen usw. "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" waren bzw. werden konnten.

Die danach Rechtskraft erlangt habende DDR-Verfassung vom April 1968 hingegen, reduzierte die kirchenpolitischen Abschnitte auf gerade mal zwei magere Artikel. Die im Vorfeld der 68 Verfassung dazu bekannt gewordenen kirchlichen Proteste, teilweise auch über die Ost-CDU ventiliert, konnten diese Sachlage nicht abändern. Rechtskraft erlangte, was die Kommunisten den Kirchen gerade mal noch zuzubilligen bereit waren. Besonderes Kennzeichen der 68-er Verfassung war auch noch, dass unter anderem auch der Status "Körperschaft des öffentlichen Rechts" für die Kirchen, nebst anderen Rechten, die in der 49-er Verfassung (theoretisch) noch verbrieft waren, ersatzlos weggefallen ist.

Schon davor waren die KdöR-Bestimmungen der 49er Verfassung weitgehend (in der Praxis) zur Wirkungslosigkeit verurteilt. In der 68-er Verfassung war dieser Zustand endgültig auch de jure "legalisiert". Im Jahre 1990 zum Zeitpunkt der offiziellen Wiederanerkennung der DDR Zeugen Jehovas, war die 1968 Verfassung bis zum allerletzten Tag der DDR geltendes Recht. Eine Ableitung als juristische "Körperschaft des öffentlichen Rechts" ist aus der DDR-Verfassung von 1968 nicht möglich.

Anders wäre die Sachlage gewesen, die Alt-Bundesrepublikanischen Zeugen Jehovas, hätten in der alten Bundesrepublik schon den KdöR-Status gehabt, zum Zeitpunkt des Beitrittes der "neuen Bundesländer" in die alte BRD. Dann hätte auch gegolten, dass eine Übertragung des Rechtsstatutes in der alten BRD auf die neuen Bundesländer zutreffend ist.

Die WTG indes hat es versäumt, sich in der alten Bundesrepublik um diesen Status zu bemühen. Hätte sie beispielsweise in Hessen, Baden-Württemberg, Bayern sich um diesen Status bemüht, und wäre sie mit einem solchen Ansinnen vielleicht erfolgreich geworden, dann dürfte es wohl den bekannten Jahrzehntestreit nicht gegeben haben. Aber genau dies hat die WTG nicht getan. Sie ist erst "aufgewacht", als das Land Berlin, in juristischer Hinsicht den Status der DDR-Zeugen Jehovas zu bewerten hatte.

Das Land Berlin hat meines Erachtens zu Recht festgestellt, dass die DDR-Zeugen Jehovas keine "Körperschaft des öffentlichen Rechts" waren. Das Ansinnen über diesem Hebel den gesamtdeutschen Zeugen Jehovas noch diesen Status zu verschaffen, hat sich bis heute als Sackgasse erwiesen. Eine endgültige Prognose wage ich nicht. Aber ich glaube wohl sagen zu können, dass die WTG sich von allen denkbaren Wegen, den steinigsten ausgesucht hat!

Nachstehend zur Veranschaulichung die kirchenpolitischen Abschnitte der DDR-Verfassungen:

Verfassung 1949, Artikel 41:
Jeder Bürger genießt volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung steht unter dem Schutz der Republik. Einrichtungen von Religionsgemeinschaften, religiöse Handlungen und der Religionsunterricht dürfen nicht für verfassungswidrige oder parteipolitische Zwecke mißbraucht werden. Jedoch bleibt das Recht der Religionsgemeinschaften, zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, unbestritten.

Verfassung 1949, Artikel 42:
Private oder staatsbürgerliche Rechte und Pflichten werden durch die Religionsausübung weder bedingt noch beschränkt.
Die Ausübung privater oder staatsbürgerlicher Rechte oder die Zulassung zum öffentlichen Dienst sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis.
Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Verwaltungsorgane haben nur insoweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, als davon Rechte oder Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.
Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden.

Verfassung 1949, Artikel 43:
Es besteht keine Staatskirche. Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften wird gewährleistet.
Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig nach Maßgabe der für alle geltenden Gesetze. Die Religionsgemeinschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie es bisher waren. Andere Religionsgemeinschaften erhalten auf ihren Antrag gleiche Rechte, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.
Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sind berechtigt, von ihren Mitgliedern Steuern auf Grund der staatlichen Steuerlisten nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen zu erheben. Den Religionsgemeinschaften werden Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

Verfassung 1949, Artikel 44:
Das Recht der Kirche auf Erteilung von Religionsunterricht in den Räumen der Schule ist gewährleistet. Der Religionsunterricht wird von den durch die Kirche ausgewählten Kräften erteilt. Niemand darf gezwungen oder gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen. Über die Teilnahme am Religionsunterricht bestimmen die Erziehungsberechtigten.

Verfassung 1949, Artikel 45:
Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden öffentlichen Leistungen an die Religionsgemeinschaften werden durch Gesetz abgelöst.
Das Eigentum sowie andere Rechte der Religionsgemeinschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet.

Verfassung 1949, Artikel 46:
Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten oder anderen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zugelassen. Niemand darf zur Teilnahme an solchen Handlungen gezwungen werden.

Verfassung 1949, Artikel 47:
Wer aus einer Religionsgesellschaft öffentlichen Rechtes mit bürgerlicher Wirkung austreten will, hat den Austritt bei Gericht zu erklären oder als Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form einzureichen.

Verfassung 1949, Artikel 48:
Die Entscheidung über die Zugehörigkeit von Kindern zu einer Religionsgesellschaft steht bis zu deren vollendetem vierzehnten Lebensjahr den Erziehungsberechtigten zu. Von da ab entscheidet das Kind selbst über seine Zugehörigkeit zu einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft.
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Verfassung 1968, Artikel 20:
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat unabhängig von seiner Nationalität, seiner Rasse, seinem weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnis, seiner sozialen Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und Pflichten. Gewissens- und Glaubensfreiheit sind gewährleistet. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich …

Verfassung 1968, Artikel 39:
(1) Jeder Bürger der deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben.
(2) Die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften ordnen ihre Angelegenheiten und üben ihre Tätigkeit aus in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik. Näheres kann durch Vereinbarungen geregelt werden.


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