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Geschrieben von Drahbeck am 22. September 2002 15:52:27: Wenn ein Buch, das vor bereits mehr als einhundert Jahren erstmals erschien (im Jahre 1899) noch heute als herausragendes Buhmann-Zeugnis herhalten muss, dann fragt man sich schon was denn in diesem über 600 Seiten umfassenden Wälzer damals alles so zu lesen war. Die Rede ist von dem Buche des Ernst Haeckel mit dem Titel: "Die Welträtsel". Derjenige der diese Schrift noch heute als "abschreckendes Beispiel" vorstellen will, heisst Fritz Poppenberg. Schon gleich eingangs seines dem Thema Evolutionstheorie gewidmeten Video "Gott würfelt nicht", stellt er Haeckel nebst Darwin als abschreckende Beispiele vor. Übrigens schon zeitgenössisch wurde Haeckel massiv angefeindet. Einer der es im besonderem Maße tat, war der Theologieprofessor Friedrich Loofs, der schon ein Jahr später, im Jahre 1900 eine programmatische Schrift mit dem Titel "Anti-Haeckel" veröffentlichen ließ. Das war jener Friedrich Loofs, der einige Jahre später dann noch mit einer noch heute zitierungsfähigen Schrift über die Bibelforscher in Erscheinung trat. Sieht man sich Loofs "Anti-Haeckel" indes näher an, hat man in nicht
seltenen Fällen den Eindruck von kleinkarierter Erbsenzählerei. Genau einen ähnlichen Vorwurf würde ich jetzt auch Poppenberg machen. Ich würde sogar wagen zu behaupten, dass Poppenberg das Haeckel'sche "Welträtsel"-Buch nie selbst gelesen hat. Es reicht ihm offenbar, auch die andernorts nachweisbare Feststellung mit zu kolportieren, dass Haeckel mit einer der aktivsten "Durchpeitscher" der Darwin'schen Evolutionstheorie im deutschsprachigem Raum ist. Und die Evolutionstheorie ist es ja, die Poppenberg, als eigentlichen Buhmann in seinem Video vorstellen will. Haeckel erfüllt in diesem Kontext für ihn nur die Rolle eines untergeordneten "Statisten", den er an der ihm dafür passend erscheinenden Stelle mit vorstellt. Poppenberg, und im Hintergrund noch etliche andere religiöse Kreise, belieben da eine
Gleichung aufzumachen. Evolutionstheorie; auf ihr fußend dann auch sowohl das sowjetische
kommunistische Regime, als auch der deutsche Faschismus, werden da dem Zuschauer als
Buhmänner genannt und namentlich die Evolutionstheorie als ihre eigentliche Wurzel
gebrandmarkt. Poppenberg versäumt es nicht, in seinem Video auch die Schwachstellen der Evolutionstheorie benennen zu lassen. Dazu kann ich nur sagen: Dies tangiert mich nicht. Ich kann damit leben, dass es Fragen gibt, die auch nach heutigem Erkenntnisstand nicht letztendlich beantwortet werden können. Die Evolutionstheorie war solch ein Beantwortungsversuch. Auch der kirchliche Gottesglaube ist ein solcher. Keiner ist mit letztendlicher Gewissheit bis heute bewiesen. Was ich aber auch noch sagen möchte ist dies. Haeckel hat auf seinen genannten 600 Seiten keineswegs "nur" über die Evolutionstheorie schwadroniert, wie man dies bei oberflächlicher Betrachtung meinen könnte. Im Gegenteil. Er hat auch einige Wunden des kirchlichen Gottesglaubens beim Namen genannt, über die es heute noch zu reflektieren gälte. Die Poppenberg und Kompagnons machen es sich zu einfach, diese Aspekte, bewusst unter den Tisch fallen zu lassen. Nachstehend mal ein paar Zitate aus dieser Haeckelschrift, entnommen einer CD-ROM-Ausgabe ("Philosophie von Platon bis Nietzsche"). Auf detaillierte Seitenangaben dazu wird verzichtet. Gleichwohl stammen sie alle aus dem authentischem Text: Die Untersuchungen über diese »Welträtsel«, welche ich in der vorliegenden Schrift gebe, können vernünftigerweise nicht den Anspruch erheben, eine vollständige Lösung derselben zu bringen; vielmehr sollen sie nur eine kritische Beleuchtung derselben für weitere gebildete Kreise geben und die Frage zu beantworten suchen, wie weit wir uns gegenwärtig deren Lösung genähert haben. Das schlimmste ist, wenn der moderne Kulturstaat sich der kulturfeindlichen Kirche in die Arme wirft, und wenn der bornierte Egoismus der Parteien, die Verblendung der kurzsichtigen Parteiführer die Hierarchie unterstützt. Dann entstehen so traurige Bilder, wie sie uns leider am Schlusse des neunzehnten Jahrhunderts der deutsche Reichstag vor Augen führt: die Geschicke des gebildeten deutschen Volkes in der Hand des ultramontanen Zentrums, unter der Leitung des römischen Papismus, der sein ärgster und gefährlichster Feind ist. Statt Recht und Vernunft regiert dann Aberglaube und Verdummung. Unsere Staatsordnung kann nur dann besser werden, wenn sie sich von den Fesseln der Kirche befreit, und wenn sie durch allgemeine naturwissenschaftliche Bildung die Welt- und Menschenkenntnis der Staatsbürger auf eine höhere Stufe hebt. Dabei kommt es gar nicht auf die besondere Staatsform an. Ob Monarchie oder Republik, ob aristokratische oder demokratische Verfassung, das sind untergeordnete Fragen gegenüber der an ihre Stelle die kirchliche Konfession gesetzt. Der Glaube soll dem Wissen vorangehen; jener unvernünftige Aberglaube, der die Grundlage eines verunstalteten Christentums bildet. Dagegen sträuben sich aber mit aller Macht diejenigen einflußreichen Kreise, welche unsere Geistesbildung in betreff der wichtigsten Probleme in den überwundenen Anschauungen des Mittelalters zurückhalten wollen; sie verharren im Banne der traditionellen Dogmen und verlangen, daß die Vernunft sich unter diese »höhere Offenbarung« beugen solle. Während der langen Geistesnacht des christlichen Mittelalters wagte begreiflicherweise
nur selten ein kühner Freidenker seine abweichende Überzeugung zu äußern; die
Beispiele von Galilei, von Giordano Bruno und anderen unabhängigen Philosophen, welche
von den »Nachfolgern Christi« der Tortur und dem Scheiterhaufen überliefert wurden,
schreckten genügend jedes freie Bekenntnis ab. Dieses wurde erst wieder möglich, nachdem
die Reformation und die Renaissance die Allmacht des Papismus gebrochen hatten. Die
Geschichte der neueren Philosophie zeigt die mannigfaltigen Wege, auf denen die gereifte
menschliche Vernunft dem Aberglauben der Unsterblichkeit zu entrinnen versuchte. Immerhin
verlieh demselben trotzdem die enge Verknüpfung mit dem christlichen Dogma auch in den
freieren protestantischen Kreisen solche Macht, daß selbst die meisten überzeugten
Freidenker ihre Meinung still für sich behielten. Nur selten wagten einzelne
hervorragende Männer, ihre Überzeugung von der Unmöglichkeit der Seelenfortdauer nach
dem Tode frei zu bekennen. Besonders geschah dies in der zweiten Hälfte des achtzehnten
Jahrhunderts in Frankreich von Voltaire, Danton, Mirabeau u. a., ferner von den
Hauptvertretern des damaligen Materialismus, Holbach, Lamettrie u. a. Dieselbe
Überzeugung vertrat auch der geistreiche Freund der letzteren, der größte der
Hohenzollernfürsten, der monistische »Philosoph von Sanssouci«. Was würde Friedrich
der Große, dieser »gekrönte Thanatist und Atheist«, sagen, wenn er heute seine
monistischen Überzeugungen mit denjenigen seiner Nachfolger vergleichen könnte! Wie allgemein bekannt, hat das Dogma von der Unsterblichkeit der Seele in der
christlichen Religion schon lange diejenige feste Form angenommen, welche sich in dem
Glaubensartikel ausspricht: »Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches und ein ewiges
Leben.« Wie am Osterfest Christus selbst von den Toten auferstanden ist und nun in
Ewigkeit als »Gottes Sohn, sitzend zur rechten Hand Gottes«, gedacht wird, versinnlichen
uns unzählige Bilder und Legenden. In gleicher Weise wird auch der Mensch »am jüngsten
Tage auferstehen« und seinen Lohn für die Führung seines einstigen Erdenlebens
empfangen. Die Gründe, welche man seit zweitausend Jahren für die Unsterblichkeit der Seele anführt, und welche auch heute noch dafür geltend gemacht werden, entspringen zum größten Teile nicht dem Streben nach Erkenntnis der Wahrheit, sondern vielmehr dem sogenannten »Bedürfnis des Gemütes«, d.h. dem Phantasieleben und der Dichtung. Um mit Kant zu reden, ist die Unsterblichkeit der Seele nicht ein Erkenntnisobjekt der reinen Vernunft, sondern ein »Postulat der praktischen Vernunft«. Wollten wir alle die einzelnen Gründe analysieren, welche für den Unsterblichkeitsglauben geltend gemacht worden sind, so würde sich ergeben, daß nicht ein einziger derselben wirklich wissenschaftlich ist; kein einziger verträgt sich mit den klaren Erkenntnissen, welche wir durch die physiologische Psychologie und die Entwicklungstheorie in den letzten Dezennien gewonnen haben. Der theologische Beweis, daß ein persönlicher Schöpfer dem Menschen eine unsterbliche Seele (meistens als Teil seiner eigenen Gottesseele betrachtet) eingehaucht habe, ist reiner Mythus. Der moralische Beweis, daß die Mängel und die unbefriedigten Wünsche des irdischen Daseins durch eine »ausgleichende Gerechtigkeit« im Jenseits befriedigt werden müssen. Die vorhergehenden Untersuchungen, die durch viele andere Ergebnisse der modernen
Wissenschaft ergänzt werden könnten, haben das alte Dogma von der »Unsterblichkeit der
Seele« als völlig unhaltbar nachgewiesen; dasselbe kann im zwanzigsten Jahrhundert nicht
mehr Gegenstand ernster wissenschaftlicher Forschung, sondern nur noch des transzendenten Bei unbefangener kritischer Prüfung und Vergleichung zeigt sich, daß beide nur durch die besondere »Gestalt des Glaubens« und durch die äußere Hülle der Konfession voneinander verschieden sind. Im klaren Lichte der Vernunft erscheint der destillierte Wunderglaube der freisinnigsten Kirchenreligionen - insofern er klar erkannten und festen Naturgesetzen widerspricht - genau so als unvernünftiger Aberglaube, wie der rohe Gespensterglaube der primitiven Fetischreligionen, auf welchen jene stolz herabsehen Werfen wir von diesem unbefangenen Standpunkte einen kritischen Blick auf die gegenwärtig noch herrschenden Glaubensvorstellungen der heutigen Kulturvölker, so finden wir sie allenthalben von traditionellem Aberglauben durchdrungen. Der christliche Glaube an die Schöpfung, die Dreieinigkeit Gottes, an die unbefleckte Empfängnis Maria, an die Erlösung, die Auferstehung und Himmelfahrt Christi usw. ist ebenso reine Dichtung und kann ebensowenig mit der vernünftigen Naturerkenntnis in Einklang gebracht werden, als die verschiedenen Dogmen der mohammedanischen und mosaischen, der buddhistischen und brahmanischen Religion. Jede von diesen Religionen ist für den wahrhaft »Gläubigen« eine zweifellose Wahrheit, und jede von ihnen betrachtet jede andere Glaubenslehre als Ketzerei und verderblichen Irrtum. Je mehr eine bestimmte Konfession sich für die »allein selig machende« hält - für die »katholische« - und je inniger diese Überzeugung als heiligste Herzenssache verteidigt wird, desto eifriger muß sie naturgemäß alle anderen Konfessionen bekämpfen, und desto fanatischer gestalten sich die fürchterlichen Glaubenskriege, welche die traurigsten Blätter im Buche der Kulturgeschichte bilden. Die Prinzipien der wahren Humanität, der goldenen Regel, der Toleranz, der
Menschenliebe im besten und höchsten Sinne des Wortes, alle diese wahren Lichtseiten des
Christentums sind zwar nicht von ihm zuerst erfunden und aufgestellt, aber doch
erfolgreich in jener kritischen Periode zur Geltung gebracht worden, in der das klassische
Altertum seiner Auflösung entgegenging. Der Papismus aber hat es verstanden, alle jene
Tugenden in ihr direktes Gegenteil zu verkehren und dabei doch die alte Firma als
Aushängeschild zu bewahren. An die Stelle der christlichen Liebe trat der fanatische Haß
gegen alle Andersgläubigen; mit Feuer und Schwert wurden nicht allein die Heiden
ausgerottet, sondern auch jene christlichen Sekten, welche in besserer Erkenntnis
Einwendungen gegen die aufgezwungenen Lehrsätze des ultramontanen Aberglaubens zu erheben
wagten. Überall in Europa blühten die Ketzergerichte und forderten unzählige Opfer,
deren Folterqualen ihren frommen, von »christlicher Bruderliebe« erfüllten Peinigern
besonderes Vergnügen bereiteten. Die Papstmacht wütete auf ihrer Höhe durch
Jahrhunderte erbarmungslos gegen alles, was ihrer Herrschaft im Wege stand. Die Kulturverachtung des Christentums. Da nach Christi Lehre unsere Erde
ein Jammertal ist, unser irdisches Leben wertlos und nur eine Vorbereitung auf das »ewige
Leben« im besseren Jenseits, so verlangt sie folgerichtig, daß demgemäß der Mensch auf
alles Glück im Diesseits zu verzichten und alle dazu erforderlichen irdischen Güter
gering zu achten hat.
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