Ger van Roon


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 26. Juli 2002 10:44:01:

Wo Ger van Roon irrt.
Der holländische Geschichtsprofessor Ger van Roon veröffentlichte im Jahre 1984 auch in deutscher Sprache ein Buch über den "Widerstand im Dritten Reich". Anderen Autoren die ähnliche Studien vorlegten hält er vor, dass sie vielfach doch nur apologetisch seien und spezifisch das Loblied einzelner Gruppen singen. Handele es sich nun um die Männer des 20 Juli 1944 auf konservativer, oder um die "Rote Kapelle" auf kommunistischer Seite und andere mehr. Er registriert auch, ohne in Einzelheiten nennenswert einzusteigen, dass die Zeugen Jehovas ob ihrer Wehrdienstverweigerung auch unter das grobe Oberdach "Widerstand im Dritten Reich" einzuordnen seien. Er arbeitet heraus, wie protestantische Kreise dem Kaiserreich nachtrauerten, wo sie noch Staatskirche waren. Und jüngere über das Wirrwarr des "Parteienstaates" frustriert waren. Das in dieser Konstellation die These der Nazis den Parteienstaat durch einen "starken Mann" zu überwinden, für viele Zeitgenossen sehr anziehend wirkte. Sowohl für jene die dem "starken Mann" vor 1918, namens Deutscher Kaiser nachtrauerten, als auch für jene die der doch immer verhältnismäßig kurzlebigen Regierungen in der Weimarer Republikzeit langsam aber sicher, überdrüssig wurden.

Insofern liest man seine durchaus als abgewogen einzuschätzende Studie mit Gewinn. Wie aber der Titel schon sagt, ist der Widerstand der sich faktisch in der NS-Zeit artikulierte, sein eigentliches Thema. Und da berichtet er ebenfalls abrißhaft, was es da alles zu nennen gilt. Grundlegend neues bietet er kaum, aber konzentriert einen guten Überblick, was ohne Zweifel die Stärke seiner Ausführungen ist.

Zur Politik der Nazis gehörte es auch ihren "Volksgenossen" einzubläuen, das abhören ausländischer Sender sei unerwünscht. (von wem wohl die WTG ihre in der Sache gleiche Empfehlung gelernt hat?) Mehr noch. Man ging in späteren Jahren dazu über, daraus einen gerichtlich zu ahndenden Tatbestand zu machen. Und so sind denn tatsächlich diverse Fälle auch solcher "Rundfunkvergehen"die mit hohen Strafen belegt wurden, bekannt. Auf Seite 46 kommt auch Ger van Roon auf einen solchen Fall, den Fall Hübner zu sprechen. In der Sache berichtet er (kolportiert aus anderen Büchern):

"Hübeners Bruder hatte aus Frankreich ein Radio mitgebracht … Dabei fing er einen deutschen Sender aus London auf und verfolgte fortan dessen Berichte. Auf einer Schreibmaschine tippte er das Gehörte ab und verbreitete mit anderen diese Nachrichten. Die Jungen deponierten Dutzende von Blättern in Hauseingängen und Briefkästen. Die Gestapo war höchst erstaunt, als sie entdeckte, daß hinter dem Ganzen 16- und 17jährige Jungen standen." Für den "Hauptschuldigen" Hübner sollte das ganze mit der Todesstrafe enden.
Ger van Roon berichtet diesen Sachverhalt lediglich vom "Hörensagen". Das heißt er gibt nur wieder was er andernorts dazu gelesen hatte. Eigene Archivstudien zum konkreten Fall hat er jedenfalls nicht getätigt.
Dabei sind ihm zwei gravierende Fehler unterlaufen. Über den ersten kann man vielleicht noch hinwegsehen. So tauft er den Hübner auf den Vornamen "Günther". Falsch. Tatsächlich hieß der Betreffende Helmuth Hübener.

Der zweite Fehler ist allerdings nicht tolerierbar. Sage und schreibe unterstellt er doch, das besagter Hübener den Zeugen Jehovas angehörte. Richtig ist, dass Hübener sehr wohl eine religiöse Sozialisation hatte. Weiter richtig ist, dass diese nicht den "Großkirchen" sondern einer kleineren zuzuordnen ist. Das aber Ger van Roon aus einem Mitglied der "Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage" (Mormonen) einen Zeugen Jehovas machte. Diesen Lapsus kann man ihm nicht verzeihen.

Zum Glück ist man nicht auf die Darstellung von Ger van Roon angewiesen. Zum Glück gibt es auch Studien von solchen, die in dieser Sache tatsächliches Aktenstudium betrieben haben. Es gab auch Mittäter Hübener's die das NS-Regime überlebten. Einer von ihnen, Rudolf Wobbe verfasste einen spezifischen Aufsatz betitelt: "Der 'Hochverräter' Hübener". In ihm liest man unter anderem:

"Wir, d. h. Helmuth Hübener und ich, lernten uns in der 'Kirche Jesu Christ der Heiligen der letzten Tage' kennen.
Da wir durch unsere religiöse Einstellung ein wenig international dachten, denn vor Gott sind alle Menschen gleich, und dann die Nachrichten von BBC London hörten, wurde in uns eine gerechte Empörung gegen dieses dunkle Spiel der Regenten des 'Dritten Reiches' wach.
Zuerst aus Neugier und dann mit Interesse verfolgten wir die Nachrichten des englischen Rundfunks. Bis eines Tages mein Freund den Entschluß faßte, der Aufforderung nachzukommen und diese Nachrichten weiterzuverbreiten.
Innerhalb unserer Glaubensgemeinschaft hatte diese Bewegung keine Kreise gezogen, denn nur ein ungefähr im Alter Gleichstehender, Karl Heinz Schnibbe, und ein Älterer, Heinrich Worbs standen zu uns. Sonst waren wir allein, denn ein Prinzip der Kirche ist, sich nicht in die Politik zu mischen."

Vorgenannte Studie erschien im Verlag C. H. Beck in München, wo bekanntlich auch Garbe sein zweites ZJ-Buch verlegen läßt. Jener Verlag ist durchaus eine Adresse für historisch orientierte Literatur. Es ist davon auszugehen, dass es dort auch Historiker gibt, die die veröffentlichten Texte lektorieren:

Kommentar: Setzen, eine fünf. Einen gravierenden Fehler nicht erkannt!


ZurIndexseite