Re: zeugen jehovas im dritten reich

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 05. Juni 2002 09:08:40:

Als Antwort auf: Re: zeugen jehovas im dritten reich geschrieben von Drahbeck am 31. Mai 2002 13:09:53:

Eine italienischsprachige Webseite

www.triangoloviola.it/historik.html stellt die Frage:
Haben sich Jehovas Zeugen kurz nach der „Machtergreifung", ähnlich wie andere Kirchen, Hitler und den Nationalsozialisten „angebiedert"?
Drei sattsam bekannte "Kronzeugen" werden dazu zur Beantwortung herangezogen:
Detlef G., Gerhard B., Gabriele Y.. Schon diese Mixtur macht deutlich wie die Antwort ausfällt. Und so werden denn auch von den drei Genannten, entsprechende Veröffentlichungsauszüge, auch in Deutsch offeriert.

Was ist dazu zu sagen. Zum ersten. Es ist richtig, dass sich die Kirchen und Religionsgemeinschaften, auf breiter Front, dem Naziregime anbiederten. Der Protestantismus mit seinen Deutschen Christen, die Katholiken mit ihrem Konkordat und der Aufhebung früherer Anathema über die Nazis. Auch bei etlichen kleineren Religionsgemeinschaften ist nachweisbar, dass ihnen die Angst im Nacken saß, mit daraus resultierenden Ergebnissen.

Immerhin muss auch B. einräumen, dass man die WTG-Veranstaltung vom 25. 6. 1933 als "angepaßte Erklärung und Tributleistung" bewerten kann und muss. Das die andernorts noch drastischere Formen angenommen hat, ist unbestritten.

Y...'s Behauptung, dass da "eine winzige christliche Splittergruppe auf der Trompete von Jericho" blies, ist indes als Wunschinterpretation zurückzuweisen. Geist und Tenor der 1933-er Erklärung und des dazugehörigen WTG-Begleitschreibens atmen durchaus den Geist des Kompromissangebotes. Man gibt vor, die bis dahin schon existenten regionalen Verbote lediglich als "Missverständnisse" und Ausdruck der religiösen Konkurrenz anzusehen. Folgt man der Diktion dieser WTG-Erklärungen, so haben die "teuflischen Konkurrenzreligionen", die Zeugen Jehovas unberechtigt, madig bei der neuen Naziregierung gemacht. Und dieses "Missverständnis" wolle man doch nur unterwürfigst klarstellen.

Man übernimmt auch die Nazi-Gummifloskel vom "positiven Christentum" und will den neuen Machthabern suggerieren, man selbst sei doch auch nur "positives Christentum". Genau das also, was die Nazis doch vorgaben zu "fördern". Hier redeten in der Tat beide Seiten mit gespaltenen Zungen. Ihre Vokabeln und wichtiger ihre praktische Auslegung, wich auf beiden Seiten erheblich von dem ab, was man glaubte öffentlich vorgaukeln zu können.

Gemessen an der harten Gangart der Zeugen Jehovas nach 1934, als verschmähter Liebhaber, muss man jedoch auch dies sagen. Man kann nicht Apfel mit Birnen vergleichen. Gemessen am praktischen Verhalten. Genau genommen schon ab der November"wahl" 1933 im Naziregime, stellen die Verlautbarungen vom Juni 33 einen nicht kongruenten Fremdkörper dar, der durchaus im Widerspruch zu der Gesamtlinie der Zeugen Jehovas ab 1934 stand. Wichtiger noch. Die Verlautbarungen vom Juni 33 wurden von Rutherford höchstpersönlich abgesegnet, dokumentiert auch durch ihren Abdruck im 1934-er Jahrbuch der Zeugen Jehovas. Rutherford und seine deutschen Satrapen wollten sich im Juni 33 tatsächlich den Nazis anbiedern. Nur gehören zu einem solchen Unterfangen immer zwei notwendige Partner. Der Anbiederungswillige und der dieses Anliegen "Annehmende". Hier hatte sich Rutherford, mangels "göttlicher Leitung" in der Tat grundlegend verkalkuliert. Schon im Vorfeld hatte er die für die Nazis besonders unannehmbare WTG-Zionismusbegünstigung in den WTG-Büchern "Trost für die Juden" und "Leben" gekippt. Sie wurden durch "neues Licht" in den dreibändigem Opus "Rechtfertigung" ersetzt, in der jene jahrzehntelange Zionismubegünstigung nunmehr als aus dem "Geist des Teufels" gespeist, dargestellt wurde.

Keiner der Nazikoryphäen hat sich vor 1933 wirklich ernsthaft mit den Bibelforschern/Zeugen Jehovas auseinandersetzt. Dem Ausnahmefall Alfred Rosenberg, wird man zudem hochgradige Oberflächlichkeit bescheinigen können. Und was den Nazipfarrer Julius Kuptsch und andere anbelangt, stand es da um sie auch nicht viel "besser". Wohl hatten sie sich schon in der Weimarer Republikzeit ein ablehnendes Urteil zu den Bibelforschern erarbeitet. Aber das vorgenannte Detail (Kippung der Zionismusbegünstigung) ist keinem von diesen Herrschaften bewusst geworden. Zudem drehten sich die Konflikte mit den Zeugen Jehovas nach 1933 auch nicht primär um "theologische" Fragen. Anstoß nahmen die Nazis besonders am "staatsbürgerlichen Verhalten" oder besser: Nichtstaatsbürgerlichem Verhalten der Zeugen Jehovas und reagierten in ihrer sattsam bekannten Art entsprechend darauf. Die 1933-Erklärung reflektiert diese eigentliche Konfliktlage in keiner Weise. Stattdessen reproduziert sie kräftigst Nebelvorhänge. Die Vokabel "anbiedern" beinhaltet doch im allgemeinem Sprachgebrauch, den Versuch zu unternehmen, sich als "harmlos" darzustellen, unter gleichzeitiger Verschweigung jener Tatbestände, die keineswegs "harmlos" sind. Genau diesem Kriterium entsprach die 1933-er WTG-Erklärung.

Der Versuch heutiger Apologeten, diesen unbequemen Tatbestand, wegzuerklären, erweist sich als durchsichtig und bedarf des Widerspruchs!

Anbiederungstexte


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