Geschrieben von Drahbeck am 11. Mai 2002
12:18:17:
Als Antwort auf: Jonak geschrieben von D. am 06. Mai 2002
14:42:58:
Mit einigen, wie mir erscheint, notwendigen Einschränkungen, sind Teile des
Jonak-Textes zu Studienzwecken, jetzt auch im Internet zugänglich.
Zitat aus der Einleitung der Internet-Ausgabe desselben:
Die erneute Durchsicht seines Textes macht deutlich, dass er als der profundeste
deutschsprachige Kenner der Bibelforscher/Zeugen Jehovas in der Nazizeit anzusehen ist.
Daran ändert auch sein besonders kritisch zu wertenden, teilweise in
"Nebensätzen" untergebrachter Antisemitismus nichts.
Soweit es um die Auswertung der bis dahin vorliegenden WTG-Literatur (d. h. Bis Ende der
1920er Jahre) geht, hat er gründliche Arbeit geleistet. Noch heute kann man davon
profitieren.
Er ist allerdings ein "Kind seiner Zeit". Staatskirchentum und seine
Verteidigung ist ihm ein Herzensanliegen. Und da registriert er nun aufmerksam, dass die
Bibelforscher damit nichts im Sinne haben. Was ich bei Jonak nicht vorfinde, ist auch nur
die Spur von Verständnis, dass man dem Staatskirchentum in der Tat kritisch
gegenüberstehen kann In Vergangenheit und Gegenwart. In diesem Punkte steht für mich
Jonak auf der "anderen Seite der Barrikade".
Jonak führt Jonak auch Dinge an, wo es ihm die WTG in der Tat einfach gemacht hat. Man
kennt ja die seinerzeitige WTG-Euphorie in Sachen wissenschaftlich-technischer
Fortschritt, als vermeintlicher Gottesbeweis. Neu ist das alles nicht. Dennoch ein
Schmunzeln kann man kaum unterdrücken, wenn man registriert, wie schon Jonak das aufs
Korn genommen hatte. Nachstehend eine Kostprobe daraus:
Doch gehen wir zu lustigeren Sachen über. Auf Seite 104 wird das Buch Hiob 40, 10 bis 41,
25 interpretiert und behauptet, daß Hiob in seinen Prophezeiungen die Errungenschaften
heutiger Zeiten, die Dampfmaschine vor Bahnzügen und zur See, vorausgesagt habe. Hiobs
Worte werden dabei absichtlich frei wiedergegeben und die erfundenen Interpretationen in
Klammern beigesetzt. Zum Verständnis bemerke ich, daß in der mißbrauchten Stelle in
Wirklichkeit Gott dem Hiob seine Allmacht an dem Behometh, einem biblischen
Riesennilpferd, und an dem Leviathan, einem biblischen Riesenfisch, zeigt. Nun zitiere ich
wörtlich, nur etwas gekürzt, den kommentierten Text:
"Siehe doch einen mit großen Hitze (der feststehenden Dampfmaschine), den ich mit
dir gemacht habe; er wird Futter verzehren (Torf, Holz, Kohle) wie das Vieh. Siehe doch,
seine Kraft ist in seinen Lenden (Kesselplatten). Sein Schwanz (Schornstein gegenüber dem
Futterende) wird aufrecht stehen wie eine Zeder. Seine Gebeine (Stangen des Kesselrostes)
sind wie Eisenstangen."
Über die Weissagung der L o k o m o t i v e heißt es auf Seite105:
"Du wirst den Leviathan (die Lokomotive) mit dem Angelhaken (automatische Kuppelung)
ausdehnen oder mit einer Schlinge (Kuppelbolzen), mit der du seine Zunge
(Kuppelverbindung) sich senken lassen wirst. Willst du nicht einen Rink (Kolben) in seine
Nase (Zylinder) legen ? Wird er viel Flehens an dich richten (entgleisen)?
Oder wird er dir sanfte Worte geben (durch einen schrillen Ton mit der Dampfpfeife)?"
Auf Seite 115 werden die Worte des Propheten Nahum (2,3-5), der über die Bestrafung
der Assyrer und die Zerstörung Ninives schreibt, folgendermaßen verdreht:
Nahum weissagte von einer in weiter Ferne liegenden Erfindung, die um die Zeit, wann das
Königreich errichtet ist, eine alltägliche Erfahrung für die Menschheit geworden ist.
Er beschreibt einen 'Eisenbahnzug in voller Fahrt (nicht ein Automobil, wie einige
glauben), und wir können genau sehen, was er in seiner Vision sah. Zuerst steht der
Prophet da und sieht die Lokomotive auf sich zukommen und sagt dann: Die Schilde sind
gerötet (die Kopflaterne scheint hell), die tapferen Männer (der Zugführer und der
Heizer) sind in Karmesin gekleidet (wenn die Flammen den Lokomotivführer beleuchten,
indem der Heizer die Kesseltür öffnet). Die Wagen (Eisenbahnwaggons) glänzen von Stahl.
Dann versetzt der Prophet sich im Geiste in das Innere des Zuges und blickt zum Fenster
hinaus, wobei sich ihm der Anblick bietet, das die Lanzen werden geschwungen' (die
Telegraphenstangen längs des Geleises scheinen auf und ab zu tanzen). Ihr Aussehen ist
wie Fackeln' (ein Zug sieht bei Nacht in voller Fahrt wie eine sich schnell bewegende
riesige Fackel aus). Des weiteren sieht der Prophet im Geiste den Kondukteur, der die
Fahrkarten einsammelt, und sagt: 'Er gedenkt seiner Edlen' (der Kondukteur verwendet fast
seine ganze Zeit darauf, seine Passagiere zu zählen); 'sie straucheln auf ihren Wegen'
(versuchen in dem schnellfahrenden Zug zu gehen); sie eilen zu ihrer Mauer (zur nächsten
Ortschaft), und das Schutzdach (das Stationsgebäude) wird aufgerichtet."
Selbstverständlich sei auch das R a d i o von den Propheten vorausgesagt worden:
"Gott hat den Gebrauch des Radios vor mehr als 3000 Jahren durch seine Propheten
geschildert. Gott kannte es von Anfang an. Wir wissen wohl daß Elektrizität zum Radio
nötig ist, aber wir wissen nicht, was Elektrizität ist. Wir wissen, das es angebracht
ist, von elektrischen Ladungen als von Blitzen zu schreiben. In dunkler Sprache schrieb
hierüber der Prophet Hiob in Kap. 38, Vers 35: ,Kannst du Blitze entsenden, daß sie
hinfahren, daß sie zu dir sagen:Hier sind wir?' Der Prophet verstand zu jener Zeit nicht,
was er schrieb, aber Gott verstand es, und er wollte, daß die Menschen es verstehen
sollten, wenn es geschehen würde." ("Trost für das Volk", S. 8.)
Jawohl, der gute Hiob hat wirklich nicht ahnen können, daß es einmal Phantasten geben
werde, die die Prophezeiung des Rundfunks ihm in den Mund legen. Die gleiche Stelle aus
Hiob mißbraucht Rutherford, um in seiner Broschüre "Die letzten Tage", S. 15,
zu beweisen, Gott habe damit den drahtlosen Nachrichtenverkehr vorausgesagt.
Ähnlich hat Rutherford entdeckt, daß auch die Erfindung des L u f t s c h i f f e s von
dem Propheten Isaias in Kap. 60, ;Vers 8, vorausgesagt wurde; Rutherford schreibt:
"Auch das Luftschiff hat Gott durch seinen Propheten schon vor Jahrtausenden
vorausgesagt: Wer sind diese, die wie eine Wolke geflogen kommen, un gleich Tauben zu
ihren Schlägen?. ("Die letzten Tage", S. 15.)
Sehr gelungen macht sich folgende Interpretation. In "Schriftstudien" VII, S.
365, wird die Stelle aus Offenbarung, Kap. 18, Vers 1, zitiert:"Nach diesem sah ich
einen anderen Engel aus dem Himmel herniederkommen, welcher große Gewalt hatte, und die
Erde wurde erleuchtet von seiner Herrlichkeit."
An das Wort "Herrlichlikeit" knüpft nun Russell folgende Auslegung:
"Einige der Herrlichkeiten des neuen Tages, alle seit 1874 entdeckt, sind eine Menge
großartiger E r f i n d u n g e n wie z. B.: Additionsmaschinen, Aluminium, antiseptische
Chirurgie, automatische Bahnkuppelung, Automobile, Dynamit, elektrische Schweißmethoden,
feuerlose Kochapparate, künstliche Farben, Leuchtgas, Luftschiffe, Nordpol, Panamakanal,
Radio, Rahm-Separatoren, rauchloses Pulver, riesenhohe Geschäftsgebäude,
Röntgenstrahlen, Schuhnähmaschinen, Streichholzmaschinen, Telephon, Unterseeboote,
Vakuum-Teppichreiniger, Zweiräder usw." (Ebenso in "Harfe Gottes", S. 220,
und "Schöpfung", S. 304.)
Die Worte in Offenbarung 20,9: "Und Feuer kam von Gott hernieder aus dem Himmel
und verschlang sie" legt Russell dahin aus, daß der Prophet die Hinrichtung auf dem
elektrischen Stuhl gemeint habe, indem er interpretiert: "Sie werden auf barmherzige
Art in einem Nu elektrisch hingerichtet. nicht gequält." ("Schriftstudien"
VII, S. 413.)
Ich glaube, das dürfte genügen, den Ernst der Ernsten Bibelforscher darzutun. Es ist
ja richtig, daß seit 1874 eine Unzahl Entdeckungen gemacht wurde. Aber was hat das schon
mit der "Herrlichkeit" der Offenbarung Johannis zu tun? Über diese Art der
Bibelauslegung können wohl nur ganz ungebildete, geistig minderwertige Menschen staunend
den Mund aufreiben. der halbwegs Gebildete aber muß über die Frechheit solcher
Bibelfälschung entweder lachen oder, was mehr zu empfehlen ist. empört sein.
Hans Jonak von
Freyenwald
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