Rund ums Thema Zeugen Jehovas: Re: Tagebuch eines Toten

Geschrieben von + am 18. Dezember 2007 00:03:

Als Antwort auf: Re: Tagebuch eines Toten - Gott geschrieben von + am 17. Dezember 2007 00:00:

Liebster Bruno!

Wir werden nicht alle entschlafen,
wir werden aber alle verwandelt werden,
in einem Nu, in einem Augenblick,
bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es,
und die Toten werden auferweckt werden, unvergänglich sein,
und wir werden verwandelt werden.

Es schmerzt mir und es tut mir unsagbar Leid um Dich dass ich Dir diese schmerzlichen Zeilen senden muss.
Vater ist am 15.Juli bei einem Sturmangriff in Russland gefallen.
Mutter lässt dich aufs herzlichste Grüßen.
Sie ist momentan nicht in der Lage zu schreiben.

Wenn uns solche Botschaft dem Fleische nach auch schmerzt, so freuen wir uns doch in der Hoffnung das sich 1. Kor. 15,51.52 an Vater erfüllt hat.

Deine Dich immer liebende Melanie.

Liebster Sohn Nummer Eins!

Wenn aber dies Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dies Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, dann ist das Wort erfüllt, das geschrieben steht:
„Verschlungen ist der Tod in Sieg“ (1. Kor.15,54.)

Wie Melanie Dir vor ein paar Tagen schrieb erreichte uns die Nachricht das Vater in Russland gefallen ist.
Ein Wachtturm wurde zurückgeschickt mit dem Vermerk „gestorben für das Vaterland“.
Hoffentlich musste er nicht leiden.
Er war immer so ein herzensguter, glaubenstreuer Mann.
Wie erfreut und gestärkt wurden wir immer von seinen Briefen die er an uns schrieb und ja wie beglückte es ihn immer wenn er Zeugnis ablegen durfte von der Wahrheit unter seinen Kameraden.

Liebster Sohn was soll nur aus uns werden.
Der Hof und die Mühle sind von uns Frauen nur auf das notdürftigste zu unterhalten, von der Aussaat, vom Korn- und Kartoffelernten, vom Schweinschlachten und Wurstmachen, von Reparaturarbeiten am Mühlrad und Wasserbett ganz zu schweigen.
Du schreibst Bruder Johann soll uns helfen.
Er interessiert sich aber mehr für Melanie als für den Hof.
Kannst Du Dich nicht um Urlaub bemühen? Schon um Deiner Frau willen?
Dabei bringt mich der Kummer um meine Söhnen schier um den Verstand, und dann ist Großvater Bettlägerig und bedarf seinerseits der Pflege.

Jetzt habe ich schon einen Sohn und meinen Mann verloren, Paul ist schwer verwundet worden. Seid dieser Nachricht habe ich von ihm nichts mehr gehört.
Von allen lässt Post auf sich warten.

Schreib bald
Deine Mutter

Mein liebstes Mütterchen,

Vater ist durch die Gnade und Liebe und Barmherzigkeit unseres lieben Herrn eingegangen in die Herrlichkeit und ihm wird es jetzt Wohl sein.
Trauere nicht Mutter.
Schleicht sich da etwa bei uns der Gedanke ein wenn nur ich schon an Stelle Vaters wäre?
Doch nein.
Sei doch stille, stille dem Herrn, manches haben wir noch an uns, das unserem lieben himmlischen Vater gar nicht gefällt, darum wollen wir geduldig weiterlaufen, „stille haltend“ dass der Herr sagen kann:
„Wohlgetan du guter und getreuer Knecht…“
Du musst Dich besser auf den Beinen halten, zwischen 20 und 80, das sind doch die besten Jahre.
Regnet's bei Euch auch soviel?
Was soll das noch werden?
Wie steht's denn zu Hause mit der Ernte?
Könnt Ihr bald am Roggen anfangen?
Wie geht’s meinem Kind?

Der Herr segne Euch reichlich!

Abends bekommen wir auf unseren Abschnitt Trommelfeuer mit den kleinen Priester-Minen und auch einzelne große Minen.
Verschiedene Kameraden werden verwundet.
Daselbst werden wir verladen ... Mittags Abmarsch nach Longuyon.
In der Nähe eines Waldes ausgeladen, marschieren wir durch Wiesen und beziehen nach ungefähr dreistündigem Marsch Quartier in Baracken.
Sind wir in der Gegend von Fleury?
Ich weiß es nicht mehr – will es nicht mehr wissen.
Schweres Sperrfeuer liegt auf der ganzen Gegend.
Man kann es mit bloßem Auge ganz gut sehen.

Alles in Rauch und Staub
und hinter mir weit,
unerreichbar weit mein geliebtes Heimatdörfchen.

Was soll noch werden?