Re: Eine tote Bibelauslegung


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 08. Dezember 2007 10:56:16:

Als Antwort auf: Re: Schriftstudien Band 7 Seite 319 geschrieben von Frau von x am 08. Dezember 2007 10:23:47:

Zu der auf dieser Seite enthaltenen Auslegung „Blut eines Toten" (beginnend auf S. 318) betreffend noch die Anmerkung.
Wie so vieles veränderte auch die sich noch im Laufe der WTG-Geschichte.

Eine besonders makabre Variante dessen gab es Mitte der 1960er Jahre.
Die Kommunisten waren es zwar schon gewohnt, als „rote Religion" von der WTG tituliert zu werden (etwa in dem WTG-Buch „Was hat die Religion der Menschheit gebracht". Und dies trotz des Umstandes, dass „Religion" nicht ihrem Selbstverständnis entsprach).

Nun soll darüber nicht weiter disputiert werden.
Das Selbstverständnisse und Fremdeinschätzungen nicht selten erhebliche Unterschiede aufweisen kennt man ja auch andernorts. Also vorstehende Einschätzung hätten die Genannten wohl gerade noch zähneknirschend hingenommen.
Nun aber setzte die WTG noch eines drauf und legte die Bibelstelle bezüglich des „Blutes eines Toten" direkt auf die Kommunisten aus. Damit hatte man damit eine „Schallmauer" durchbrochen.

Im „Wachtturm" vom 15. 1. 1964 gab es dann den auf kommunistischer Seite als nicht hinnehmbar eingeschätzten Satz:
„Radikale Gruppen sind entstanden, die mit den Verhältnissen auf Erden, wie sie in den vergangenen Jahrtausenden unter den traditionellen, von der Religion beeinflußten politischen Regierungen geherrscht haben, unzufrieden waren. Diese brandeten an die scheinbar sicheren Regierungen wie wilde Meereswogen an felsige Küsten oder Landzungen. Seit dem Jahre 1914 n. Chr. haben sie gewaltige Revolutionen, große politische Umstürze herbeigeführt, und jetzt drohen sie, die Weltherrschaft zu erringen. Sie intrigieren erfolgreich, um die Weltverhältnisse in einem wirren, unsicheren, besorgniserregenden Zustand zu erhalten, aber Leben können sie den Menschen nicht geben. Es ist eine politische Bewegung des Todes, so leblos wie das Blut eines Toten, das ausgeflossen und geronnen ist. Jeder, der von dieser politischen Bewegung mitgerissen wird, stirbt."


Als die WTG dann im WT vom noch im WT 1965 (S. 110) mit dem Satz nachlegte:

„Wie David mögen aber auch sie jahrelang warten müssen. Die Zeugen Jehovas in Ostdeutschland mußten zuerst auf das Ende der Naziherrschaft Hitler warten, und jetzt müssen sie das Ende der neuen totalitären Regierung abwarten, die die Naziregierung ablöste, das Ende der kommunistischen Regierung, die von dem zur Zeit von Breschnew beherrschten Sowjetrußland abhängig ist. Wie lange sie noch auf ihre Befreiung warten müssen, wissen wir nicht, aber sie sind entschlossen, zu warten, bis Jehova sie befreit."

Da war der Geduldsfaden auf östlicher Seite, endgültig gerissen.
Nach meiner Einschätzung besteht ein direkte Folgewirkung diesbezüglich.
Genannte WTG-Auslegung und als Reaktion darauf auf östlicher Seite, die letzte große Zeugen Jehovas-Verhaftungswelle in Ostdeutschland (Liebig und andere) im November 1965. Und als weitere Folgewirkung ebenfalls Ende 1965. Beginn der WTG-kritischen Herausgabe der Zeitschrift „Christliche Verantwortung".

Um 1965 war das Ostdeutsche Regime schon um internationale Reputation bemüht. Man war sich dort durchaus bewusst, dass politische Verhaftungsaktionen selbiger durchaus schädlich sind. Die Ostdeutsche Stasi konnte diesbezüglich durchaus nicht mehr frei schalten und walten. Sie musste sich ihre beabsichtigten Aktionen, die eine Außenwirkung zur Folge haben könnten, durchaus im Vorfeld an aller höchster Stelle „absegnen" lassen. Das galt nach meiner Einschätzung auch für die 1965er Verhaftungsaktion.


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