Re: Zum Thema Verschwörung


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 17. September 2007 14:36:05:

Als Antwort auf: Zum Thema Verschwörung geschrieben von Andre am 17. September 2007 14:02:03:

Da lernen wir also via Andre nun offenbar das gesamte BüSo-Argumentationspotential kennen ...

Ich sagte schon, dass durchaus als (negative) Reverenz an BüSo. Die sind ja nicht die einzigsten, auf dem deutschen Verschwörungs-Theorie.Markt. Vielleicht aber die Bedeutendsten unter ihnen. „Joe Conrad" oder „Helsing" können denen wohl nicht das Wasser reichen. Über einige Thesen der Helsing und Co, stolpern ja auch andere. Bei BüSo muss man sich schon in der Tat tiefer in die Materie hineinknieen, was ich aber nicht zu tun gedenke, da mir die Zeit dazu einfach zu Schade ist. Ich wiederhole da blos einfach noch mal meinen diesbezüglichen Ansatz bei solchen Fragen, exemplarisch beim Fall „Protokolle der Weisen von Zion" dargestellt.

Um schon vorab, auch noch einer möglichen Verschwörungstheorie den Wind aus den Segeln zu nehmen: Das Forum wird heute schon ab etwa 17 Uhr (aus persönlichen Gründen) auf moderiert gestellt. Was aber nichts mit diesem Thread als solches zu tun hat. Gäbe es den nicht, würde derselbe Umstand eintreten.

Nun aber das anvisierte Zitat:
Exilrussen brachten dann die "Protokolle" auch nach Deutschland, wo sie ihre unheilvolle Folgewirkung taten.
Betrachten sich die heutigen Protokollegläubigen als "Weißrussen" oder "Exilrussen". Wohl kaum. Das liegt ihnen fern. Bronner verwendet zurecht auch den Vergleich mit einem Chamäleon. Das ist bekanntlich ein Tier, dass seine Färbung verändern kann. So haben denn auch die heutigen Protokollegläubigen durchaus andere Motivationen und einen anderen Erfahrungshorizont als die seinerzeitigen Weißrussen. Dazu führt er durchaus zutreffend an:

"Die verdrängten Eliten und desillusionierten Massen waren, zumal in den durch die Niederlage besonders schwer betroffenen Staaten Österreich, Deutschland und Ungarn, den gleichen Ängsten ausgesetzt wie ihre rechten Brüder in Russland. Jüdische Sozialdemokraten versuchten jetzt offenbar republikanische Regierungen einzuführen, wo vorher monarchische Regime geherrscht hatten, während sich jüdische Radikale wie Rosa Luxemburg und der Spartakusbund in Berlin, Bela Kun in Budapest oder Kurt Eisner und die Münchner Räterepublik im Geist der Oktoberrevolution bemühten.
Antisemitismus ist eine dumme Antwort auf eine ernsthafte Frage: Wie funktioniert die Geschichte hinter unserem Rücken? …

Der Antisemitismus suggeriert, daß der Verlierer an seinem Versagen niemals selbst schuld ist. Die Verschwörungstheorie macht es möglich, zu glauben, daß die Krise von einem allmächtigen "Fremdkörper" verursacht wurde, einer subversiven Clique, die im Staatswesen ständig eigene operative Zwecke verfolgt, und bestätigt damit die Intelligenz des Verlierers. Die konspiratorische Weltsicht "läßt keinen Raum für Fehler, Versagen und Zweideutigkeiten". Sie vermittelt Gewißheit. Die Wirksamkeit von Werken wie den Protokollen hängt demzufolge vom Grad der Unsicherheit ab, die durch eine gegebene Krise ausgelöst wird. Je tiefer die Krise, desto eher wird die Mobilisierung von bisher unbetroffenen Massen möglich."

Abschließend sei noch ein etwas ausführlicheres Zitat aus der Studie von Bronner gebracht. Ich möchte es nicht weiter kommentieren. Aber mir scheint, er hat damit den Nerv getroffen:

"Die Protokolle mußten einen Zweck finden, den sie erfüllen konnten, und der Erste Weltkrieg lieferte einen solchen Zweck. Das Geheimnis war durchaus real. Vor 1914 war die Außenpolitik schließlich mittels "Geheimdiplomatie" geführt worden. Allerdings hatten die jeweils getroffenen Entscheidungen nichts mit irgendwelchen Machenschaften von Juden und Freimaurern zu tun; es gab auf dem gesamten Kontinent in der Tat kaum einen Juden, der eine Stellung mit echter Entscheidungsmacht innehatte. Aber das spielte kaum eine Rolle. Die Protokolle boten eine mythische, für gewisse Gruppen und Klassen praktische Erklärung: Sie schoben die Schuld an dem Krieg auf eine geheime jüdische Kabale und machten jüdischen Geist für die Einführung der Moderne verantwortlich.

Eine ernsthafte Analyse muß jedoch an anderer Stelle ansetzen. Der Erste Weltkrieg war der Höhepunkt alter "Großmacht"-Rivalitäten und imperialistischer Schachzüge, die letztlich bis zur Niederlage Napoleons zurückreichten.

Alle maßgeblichen Akteure auf der Weltbühne wollten das bestehende Kräftegleichgewicht aufrechterhalten und gleichzeitig das Recht besitzen, in die Angelegenheiten kleinerer Staaten einzugreifen und ihre Position durch Imperialismus zu untermauern. Der Erste Weltkrieg wurde von alten Männern angefacht, von denen keiner die Fähigkeit oder den Willen besaß, sich den zum Krieg führenden Tendenzen entgegenzustellen. Die meisten der Mächtigen zogen fälschlicherweise den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, der nur sechs Monate gedauert hatte, als Bezugspunkt heran. Keiner der Verantwortlichen war wirklich imstande, sich vorzustellen, was ein Weltkrieg nach sich ziehen würde.

Während die Bündnisse zwischen den Großmächten wechselten, vergrößerten die europäischen Großmächte ihren Kolonialbesitz in den vierzig Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges um fast dreißig Millionen Quadratkilometer. Dabei geriet man immer wieder an die Schwelle des Krieges, ohne sie allerdings zu überschreiten. Die Protokolle bringen, wenn schon nicht die Analyse, so doch das Gefühl einer Welt zum Ausdruck, die am Rand eines Abgrunds steht.

Selbst nach der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand in Sarajevo im Juni 1914 wäre der Ausbruch des Krieges vermutlich noch vermeidbar gewesen. Doch nach einer scheinbar endlosen Kette von Krisen hatte sich ein lähmender Fatalismus breitgemacht. Die beiden Marokkokrisen hatten fast zum Krieg geführt, und die lokalen Kriege auf dem Balkan - in Bosnien 1908 und der Balkankrieg von 1912/13 - waren beinahe zu größeren Flächenbränden eskaliert. Durch diese Krisen war eine scheinbar eiserne Logik in Gang gesetzt worden, durch welche Europa in den Krieg gestürzt wurde. Der Auslöser dieser Entwicklung blieb im verborgenen oder war kaum verständlich zu machen, was letztlich die Anziehungskraft vereinfachender Verschwörungstheorien, wie sie von den Protokollen geboren wurden, verstärkte.

Das Pamphlet führte internationale wie innenpolitische Entscheidungen auf eine einzige, unsichtbare Quelle zurück und spiegelte dabei auf perverse Art und Weise zum Teil einen durchaus realen Sachverhalt wider, denn der internationale Wettbewerb zwischen Staaten und die inneren Klassenkonflikte schaukelten sich gegenseitig hoch."

Verschwörungstheoretiker gibt es - nicht zu knapp - auch im Ex-Zeugen Jehovas Bereich. Manchem dem da der WTG-Glaube abhanden gekommen, glaubt ohne Glaubensersatz einfach nicht existieren zu können. Und so basteln die de Ruiter, Springmeier, Barefoot und Co um die Wette an ihren diesbezüglichen Theorien. Eine abenteuerlicher als die andere. Durchaus geeignet für „Grimms Märchenbuch". Nur mit dem Unterschied. Ihre Verkäufer wollen das nicht als Märchen, sondern pure Wahrheit verstanden wissen.
Steilvorlagen, wenn die eigenen Ideen mal ausgehen sollten (war bisher noch nicht der Fall) liefern dann noch die „Helsing" und „Jo Conrad" und Co.

Je erstaunlicher die Thesen, um so begehrter und offenbar im Falle Helsing und Jo Conrad, auch kassenfüllender sind sie offenbar. Da möchte ein de Ruiter und Co natürlich nicht hinten anstehn. Und so wird man letzterem bescheinigen können. Wirtschaftlich ging sein Kalkül wohl bisher auch auf. Es ist eben kein großer Schritt von der „Bildzeitungs-Bildung" oder „Reader's Digest"-„Bildung" via „Erwachet!" zu den am Markt befindlichen Verschwörungstheorien umzusteigen. Eine wissenschaftliche Bibliothek haben dererlei Jünger ohnehin noch nie von innen gesehen. Erst recht nicht auch deren Bestände mal sinnvoll genutzt.

Milchmädchen-Thesen sind ja so viel einfacher und wohl auch bequemer.

An Worthülsen ohne rechten Inhalt mangelt es dabei auch nicht. De Ruiter exerziert das „exzellent" vor. Eine seiner Worthülsen, unter denen sich die allermeisten so recht nichts vorzustellen vermögen, heißt „Illuminaten". Tja, es gab in der Geschichte schon vielerlei Bewegungen, die gekommen und wieder gegangen sind. Wenn sie zu letzteren gehören werden sie offenbar auch für die de Ruiter's „interessant". Wer im Nebel herumstochert, der möchte eben trotz allem, ein Ergebnis vorzeigen. Und siehe da, Herr de Ruiter wurde fündig. Sein das Publikum erschreckende Schlagwort in seinen „13 Blutlinien" heißt „Illuminaten".

Wer sich nicht durch Schlagworte allein blenden lässt, dem geht es allerdings nach der Lektüre von de Ruiter nach wie vor so, wie der Volksmund zu berichten weiß:
„Da steh ich nun, ich armer Tor. Und bin genauso 'schlau' wie zuvor".

Nicht uninteressant. In der Printausgabe des „Spiegel" (Nr. 40/2005), gibt es jetzt auch einen Artikel über die „Illuminaten". Da deren Verfasser nicht in dem Verdacht stehen, Verschwörungstheorien als Bibelersatz besonders zu schätzen, sei einmal dokumentiert, was sie meinen zum Thema „Illuminaten" berichten zu können:

1776 gründeten Aufklärer den Geheimbund der Illuminaten. Nun klären Historiker das Schicksal des mysteriösen Ordens in dem auch der Weltverbesserer Adolph von Knigge mitmischte

Sie nannten sich Ajax, Tiberius, Mahomet oder Tasso. Ihre Wohnorte tarnten sie mit antik klingenden Namen wie Eleusis oder Numantia. Und Briefe datierten die Verschworenen gar nach altpersischem Vorbild, etwa auf "den 30. Chardad 1148. Jezdedgerd".

Spielerisch klang das, doch den Geheimnistuern war es ernst. Immerhin grenzte, was die selbsternannten "Illuminaten" anstrebten, in den Augen der Obrigkeit an Ketzerei und Hochverrat: Freiheit, Gleichheit und ein Ende der geistigen Bevormundung von oben - wer um 1776 für solche Visionen eintrat, tat das besser nicht unter eigenem Namen. Schon der Besitz verräterischer Dokumente hätte nervösen Kirchenoberen, Amtmännern oder Duodezfürsten Grund zum Einschreiten geliefert. Kein Wunder also, dass die misstrauischen Ordensbrüder den Historikern eine Aufgabe hinterlassen haben, die in der Zunft heute beinahe selbst wie ein Geheimkult wirkt.

"Von etlichen Mitgliedern kennen wir die Klarnamen noch immer nicht", sagt Reinhard Markner, 38. Dabei hat noch niemand so präzise wie Markner und seine Kollegen Monika Neugebauer-Wölk und Hermann Schüttler die Stimmungen und Richtungskämpfe innerhalb des legendären Geheimbunds durchleuchtet. Im ersten Band ihrer neuen Briefedition blättern die Historiker aus Halle jetzt eine faszinierende, aber auch sehr deutsche Geschichte auf: eine Tragikomödie, zusammengesetzt aus hohen Zielen, Machtphantasien und Realitätsverlust.

Vieles davon war schon" im Charakter des Gründers angelegt. Adam Weishaupt (1748 bis 1830), ein junger Kirchenrechtsprofessor an der jesuitisch geprägten Universität Ingolstadt, entwarf aus Wut über die klerikale Fremdbestimmung von Staat und Wissenschaft ein strikt weltliches, Männerbündlerisches "System des Idealismus". Anfang Mai 1776 versammelte er einige seiner Studenten, um nach dem Vorbild der Freimaurer eine Art dissidentischen Tugendverein ins Leben zu rufen.

"Es war im Grunde ein Stammtisch seiner besten Schüler", sagt Markner. Durch die Lektüre von Montaigne, Rousseau und anderen "erwärmenden Schriften", aber auch durch eigene Aufsätze über philosophische Themen und konsequente Selbstbeobachtung sollte ein "Novize" sein "rohes Wesen" zügeln, bis er "einnehmend", "unternehmend" und "biegsam" war.

"Wir sind Streiter gegen Finsterniß", schärfte Weishaupt seinen Eleven ein. Vor allem auf die "Recrutierung" junger Leute bis hin zu "Knaben" kam es ihm an; von Aristokraten wollte er sich möglichst fern halten. Programmatisch nannte er sich nach dem altrömischen Sklaven-Rebellen "Spartacus".

Doch schon bald, nach der ersten Beitrittswelle, stagnierte die Ausbreitung des Geheimvereins. Kaum hatte Weishaupt auch in München ("Athen") erste Anhänger gewonnen, da fing er an, die untergebenen "Minervalen" zu schurigeln. Wo blieben die zugesagten monatlichen Berichte und Protokolle? Weshalb gehe es nicht schneller mit dem Anwerben? Die jungen Mitglieder wiederum wollten vom Lenker wissen, was er eigentlich vorhabe.

Das aber wusste Bruder "Spartacus" selbst nicht so genau. Mal träumte der Jesuitenzögling Weishaupt von "einer Art gelehrter Academie", die wie eine politische Denkfabrik das gesamte Wissen der Epoche bündeln sollte, dann wieder lockte er mit verborgenen Mysterien oder wollte im Orden "jeden zum Spion des andern" machen, bis "einerley Sprache, Meynungen, Gedanken, und so weiter" die Truppe beseelten. Fest stand nur, dass die Illuminaten "den Feinden der Vernunft und Menschlichkeit nach und nach auf den Leib gehen" würden.

Aber wann? Als vier Jahre um waren, hatte Weishaupts Unschlüssigkeit den Radikalenclub in eine schwere Krise gestürzt. Glück für ihn, dass einer der Münchner Brüder gerade einen Wahrheitssucher und literarischen Tausendsassa aus dem fernen Frankfurt angeworben hatte: Adolph Freiherr von Knigge (1752 bis 1796), der später als Autor des pädagogischen Klassikers "Über den Umgang mit Menschen" (1788) sprichwörtlich werden sollte.
Knigge, ein hochverschuldeter Kleinadliger, der unentwegt Pläne zur Verbesserung der Welt ausheckte, war schon verschiedenen Geheimzirkeln beigetreten. Aber weder die Freimaurer noch die konservativ-mystischen Rosenkreuzer hatten seinen Tatendrang befriedigt. Die Aufnahme in den unbekannten neuen Orden war für den ernüchterten Aufklärungs-Eiferer in Frankfurt am Main ein letzter Versuch mit verblüffendem Ergebnis.

Seinen störenden Adel machte der Novize "Philo" durch radikal-revolutionäre Gesinnung weit. Knigges Hoffnungen deckten sich mit denen Weishaupts: Er suchte "eine Gesellschaft in deren Schooße der Aufschluß der wichtigsten, die Menschheit interessierenden Geheimnisse zu finden ist", vor allem aber eine, wo auch "würklich gehandelt" werde.

Bald konnte Weishaupt über die Emsigkeit des neuen Bruders nur noch staunen. "Philo" begann, Mitglieder an Orten zu werben, von denen der auf Bayern fixierte "Spartacus" nie geträumt hätte: In Mainz, Hannover, Göttingen und vielen weiteren Orten sammelte der Publizist Scharen von Kandidaten, vom Fähnrich bis zum Oberhofrat. Sogar Wien rückte in den Blick.

Wie unermüdlich "Philo" warb, zeigen vor allem seine Briefe an Weishaupt, die erst vor ein paar Jahren in Hamburg wiederentdeckt wurden. "Mit fester Zuversicht, daß ich hier den Bau eines Systems vollendet finden werde, mit welchem ich mich seit langer Zeit beschäftige", holte Knigge immer mehr Leute heran und schwärmte über "die Sache selbst, die großen Zwecke". Erst nach vielen Monaten wagte ihm "Spartacus" zu gestehen, "daß der Orden eigentlich noch gar nicht, sondern nur in seinem Kopfe existierte".

Selbst das verschreckte den Feuerkopf in Frankfurt nicht mehr. Knigge freute sich sogar, "daß noch alles daraus werden kann". Inzwischen hatte er einen kühnen Plan entwickelt: Anstatt mühsam eine eigene Organisation aufzubauen, sollten die Illuminaten nach und nach bestehende Freimaurerlogen unterwandern.

Damit bewies Knigge sein Gespür für den Zeitgeist. Trotz ihrer Symbol-Rituale um Winkelmaß und Zirkel hatten sich viele der seit etwa 1740 entstandenen Logen zu demokratischen Männerclubs entwickelt; die Aura subversiven Erlösungswissens war verflogen.

Wie ein Parteistratege, der rivalisierende Lager zusammenführen will, skizzierte Knigge illuminatische Einweihungsstufen, deren zeremoniales Gewand "feyerlich, mystisch und religiös" sein und dem jungen Geheimbund "einen Anstrich von Alterthum" samt der Ahnung "verlohmer Weisheit" geben sollte. Vom "politischen Operations-Plan" dürfe keine Rede sein. Um der hehren Ziele willen verwandelte sich der Erz-Aufklärer in einen Mystagogen, der, falls nötig, auch konkurrierende Logen "als unächt verketzern" wollte.

"Philo ist wirklich der Mann, bey dem man in die Schule gehen kann", lobte "Spartacus" - versprach Knigge doch sogar den Dichter Lessing, einen Fachmann für Freimaurerei, anzuwerben. In München, Frankfurt und Wetzlar durchsetzten sich die ersten Logen mit Illuminaten. Anfang Dezember 1781 reiste Knigge nach Bayern, um in Ingolstadt das Gespräch mit dem machtbewussten Weishaupt zu suchen. Doch ausgerechnet dieses Gipfeltreffen "im Herzen der Finsternis" (Markner) dämpfte den Elan. Knigges Planungen, die schon bis zur Aufteilung Deutschland" in Ordensprovinzen gediehen waren, fanden beim misstrauischen Chef keinen Segen.'

Die Historiker in Halle nehmen an, dass Weishaupt vor allem seine radikal demokratischen, antiklerikalen Ideale bedroht sah. Ohne Bedenken nahm Knigge Hof- und Kirchenräte auf; selbst den fürstlichen Freimaurer Ferdinand von Braunschweig informierte er über den neuen Orden. So etwas konnte den Kleriker-Feind und Aristokratenhasser "Spartacus" nur entsetzen. Knigges lockere Reden vom "großen Hauptplan Allgemeine Herrschaft" fand |
der Ingolstädtcr Professor übereilt.

So driftete der expandierende Geheimbund in eine Art Stillstand: Ganze Scharen neuer, einflussreicher Mitglieder hielten sich wie ein elitäres Netzwerk bereite; 1783 traten im Fürstentum Weimar selbst Goethe (Deckname: "Abaris") und sein Herzog Carl August ("Aeschylos") den Illuminaten bei - aus begreiflicher politischer Neugier. Doch von konkreten Direktiven war keine Rede mehr.

Tausende von Briefen aus dieser Zeit lagern als Kopien in der Forschungsstelle in Halle. "Wir werden streng auswählen müssen", meint Markner. Dabei liefert gerade die Spätphase des Ordens ein Lehrstück für die sozialen Sprengkräfte kurz vor der Französischen Revolution: Schon 1784/85 wurden die Illuminaten denunziert und von Bayerns Obrigkeit verboten, polizeilich gejagt und als Anarchisten, Gottesleugner und Giftmischer verteufelt. Unter dem Druck der Amtsgewalten zerstob der Geheimbund wie ein Spuk. Nur noch dunkle Sagen lebten fort - bis heute: Erst vor fünf Jahren hat Bestseller-Autor Dan Brown in seinem Thriller "Illuminati" die Schauermär vom "mächtigsten satanischen Kult auf Erden" wieder aufgewärmt.

Von solchen Verschwörungsphantasien halten sich die Forscher in Halle fern. Aber sie hoffen, dass ihre auf vier Bände angelegte Schnitzeljagd etwas ergibt, wovon letztlich auch der charismatische Aufklärer "Spartacus" geträumt hat: "dass es Licht werde".


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