Geschrieben von Frau von x am 26. Juli 2007 20:56:
Als Antwort auf: Edward Dunlap geschrieben von Drahbeck am 25.
Juli 2007 06:52:40:
"Er war der Organisation stets voll und ganz ergeben und hatte ebenso lange wie
ich im Vollzeitdienst gestanden. Und noch etwas anderes zeigt, was für ein Mensch er war:
Ende der sechziger Jahre zog er sich eine Entzündung des großen dreigeteilten
Gesichtsnervs zu, von den Medizinern Trigeminusneuralgie genannt, eine der
schmerzhaftesten Erkrankungen beim Menschen überhaupt. Jeder kleine Windhauch, jede
leichte Berührung, die den Nerv erregte, konnte die stechenden, fast blindmachenden
Schmerzen auslösen. Verschlimmert sich das Leiden, kann das Opfer sich nicht einmal die
Haare kämmen, die Zähne putzen oder essen, ohne dabei einen Anfall zu riskieren. Manche
werden davon zum Selbstmord getrieben.
Ed litt darunter sieben Jahre. Manchmal besserte sich sein Zustand, dann wurde es wieder
schlimmer. Während dieser Zeit gelangte Nathan Knorr, der Präsident, irgendwie zu der
Auffassung (möglicherweise aufgrund von Bemerkungen Dritter), es handle sich gar nicht um
ein körperliches Leiden, sondern mit Eds Gefühlsleben stimme etwas nicht. So kam er
einmal zu ihm und unterhielt sich mit Ed, um ihn über sein Eheleben auszuforschen und
über andere Dinge, die mit der Krankheit zusammenhingen. Ed versicherte ihm, dies alles
habe mit seiner Krankheit absolut gar nichts zu tun, im Urlaub könne es ihm glänzend
gehen und doch kämen dann plötzlich die Anfälle. Diesen Erklärungen zum Trotz teilte
der Präsident ihm mit, er habe beschlossen, ihn für eine Weile in der Druckerei arbeiten
zu lassen, damit er mehr körperliche Betätigung habe. Er solle in die Buchbinderei
gehen.
Ed war damals über sechzig; seit einiger Zeit schon stand er unter starken Medikamenten,
die ihm der Betriebsarzt verschrieben hatte, um die schmerzlichen Anfälle zu
unterdrücken. Tage- und wochenlang mußte er wegen seines Leidens das Bett hüten. Und
jetzt wurde er in die Buchbinderei versetzt, wo er am Fließband stand und ununterbrochen
Material in eine Maschine eingeben mußte. Er tat das mehrere Monate hindurch ohne
Widerrede und bemühte sich, das Beste aus seiner 'theokratischen' Zuteilung zu machen.
Wie er mir aber anvertraute, kam ihm dabei zum ersten Mal so richtig zu Bewußtsein,
welche absolute Herrschaft die Organisation über sein Leben ausübte. Seine Versuche, die
Krankheit näher zu erklären, wurden einfach übergangen, und dann wurde ihm ohne das
geringste Mitgefühl genau der Arbeitsplatz zugewiesen, der für jemanden mit seinem
Leiden am ungeeignetsten war.
Ein paar Jahre später, als er schon fast völlig verzweifelt war, hörte er von einem
Neurochirurgen in Pittsburgh, der glaubte, die Ursache dieses uralten Leidens gefunden zu
haben, und der in der Mikrochirurgie so weit vorangekommen war, daß er Abhilfe schaffen
konnte. Ed ließ den operativen Eingriff vornehmen. ... Das führte endlich zu einer
Heilung. Er erwartete nicht, daß die Organisation sich für den schweren Irrtum bei der
Einschätzung seiner Krankheit und für die Behandlung, die er erfahren hatte, bei ihm
entschuldigte. Sie tat es auch nicht."
Auszug aus:
"Der Gewissenskonflikt" von Raymond Franz S.270/271
P.S. Viele Grüße von uns beiden!
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