Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren ("Goldenes Zeitalter" 1. 5. 1937)


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 27. Mai 2007 06:56:15:

Als Antwort auf: Re: Zeitgeschichte vor 70 Jahren ("Goldenes Zeitalter" 15. 4. 1937) geschrieben von Drahbeck am 28. April 2007 07:12:12:

In der Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. Januar 1937 gab es auch einen „Was ist Astrologie" überschriebenen Artikel. Nun wird man mit Sicherheit nicht sagen können, dass dieser Artikel etwa eine „Lanze für" die Astrologie brach. Eher geht doch seine Tendenz dahin, jene Richtung als ungebetene Konkurrenz zu bewerten, und man wähnt sich dabei auch im Einklang mit der Bibel.
Dennoch enthielt dieser Artikel doch wohl einige Wendungen, die vielleicht auch Anhänger der Astrologie hoffen ließen, bei den Zeugen Jehovas „Fuß fassen" zu können.
Der fragliche Artikel leitet mit einem Lexikonzitat ein:

„Der Große Brockhaus gibt uns auf diese Frage folgende Antwort: "Astrologie (grch.) Sternkunde, Sterndeutung, der Glaube, daß alles irdische Geschehen, besonders das Menschenschicksal, von den Sternen abhängt, und daß man aus der Stellung der Gestirne, der sogenannten Konstellation, vorauserkennen kann, was für Schicksale einem Individuum, einer Stadt und einem ganzen Volke bevorstehen. Zahllose Handbücher vieler Jahrhunderte und Völker geben die widersprechendsten Wegweiser und Wahrsagertexte, wie man am sichersten den Sternen die Geheimnisse der Zukunft entreißen kann. Neben diesen im Gewände der Wissenschaft auftretenden Werken geben zahlreiche populäre Texte einer anderen Astrologie eine Zukunftsenthüllung aus der Stellung der Sterne".

Nach dieser Definition wird dann ausgeführt:
„Was an dieser Erklärung des "Brockhaus" für uns von Wichtigkeit ist, ist, daß Astrologie keine Wissenschaft, sondern eine Wahrsagekunst ist; und damit fällt sie ein für allemal unter die Dinge, die Jehova Gott seinem vorbildlichen Volke, dem Volke Israel, und damit auch seinem Volke in der Nachfolge Jesu verboten hat."

Soweit, so gut, mag man diesen Gedankengängen noch zu folgen. Dann aber meint das GZ auch noch:
„Zunächst besteht kein Zweifel, daß tatsächlich von den Sternen etwas zu erfahren ist; denn sonst hätte es Jehova seinem Volke nicht so eindringlich verboten, das Heer des Himmels zu sehen und ihm zu dienen. Allerdings sieht die Astrologie zunächst sehr harmlos aus. Eine Frage tritt an uns heran: "In welchem Monat bist du geboren?" Und dann erfährt man, unter welchem Sternbild man geboren ist und erhält eine Beschreibung der Charakterart, die die unter diesem Sternbilde Geborenen haben, und man ist erstaunt, wie gut man da gekennzeichnet wird. Man hat plötzlich eine Erklärung für so manche Eigenschaft, die man besitzt. Kann darin schon eine Gefahr liegen? Der Anfang zu einer Gefahr ganz bestimmt. Wir anerkennen damit eine fremde Beeinflussung unseres ganzen Seins, und ohne daß wir es merken, kultivieren wir gewisse Eigenschaften, die wir glauben haben zu müssen, weil wir, sagen wir ein Fisch- oder Waagemensch oder dergleichen sind."

Genau diese Andeutung, es könnte in begrenztem Umfang „etwas dran sein" an der Astrologie, veranlasste nun einen GZ-Leser eine Entgegnung darauf zu verfassen, die dann in der Ausgabe vom 1. 5. 1937 abgedruckt wurde.
Er bezeichnet jene eben zitierten Passagen als „volkstümliche Auffassung" und meint weiter, er würde sich freuen, „wenn auch der wissenschaftliche Standpunkt Raum finden könnte."

Und weiter:

„Ähnlich wie es ehrlichen Leuten nicht gleichgültig ist, ob Ihre Mitmenschen durch kirchlich falsche Lehren betrogen werden, und das Bestreben haben, den Mitmenschen die Wahrheit kundzutun, so haben viele Kenner der Astronomie das ehrliche Bedürfnis, das Volk auf die falschen Lehren der (seit Moses Zeiten) "verdammten" Sterndeuter aufmerksam zu machen. Noch ist viel Aberglaube zu beheben."

Da das GZ ja andeutungsweise die Option offen ließ, es „könnte ja was dran sein", fragt der fragliche Schreiber das GZ dann:
„Die einfachste Frage ist hier die: Woher wissen die Astrologen, daß das Menschenschicksal von den Sternen abhängt?
Die andere Frage ist dann die: Wie sollte es dann möglich sein, die Art und Weise dieser (angeblichen) Abhängigkeit zu bestimmen, sodaß man aus der Planetenstellung oder aus der der Sonne wirklich auf die Charakterveranlagung schließen kann?"

Sein Hauptargument sieht er offenbar in der Aussage:
„ Die Freiheit des Willens macht überhaupt allen astrologischen Voraussagen immer einen dicken Strich durch die Rechnung. Die Sterndeuter vergessen oder wissen nicht, daß der Mensch Willensfreiheit hat; die Sterne dagegen bewegen sich völlig zwangsmäßig nach den Gesetzen der Schwerkraft und des Beharrungsvermögens, also mechanisch. ...
Aber auch hier wieder ist zu sagen, daß der Mensch wegen seiner Willensfreiheit bei Sternensicht und bei bedecktem Himmel gut oder böse sein kann, nach Gutdünken, und unabhängig vom Stand der Sterne. Warum beachten dies die Sterndeuter nicht? Weil sie ihrem Glauben nicht eigenhändig das Grab schaufeln wollen. ...
Rein sachlich ist noch zu sagen: Wenn zwischen Sternstellungen und dem Tun der Menschen kein zwangsmäßiger Zusammenhang besteht, so ist auch irgendeine Voraussage unzuverlässig."

Trotz dieser Entgegnung hielt aber das GZ in einem redaktionellem Nachwort, weiter an seiner Auffassung fest, „es könnte etwas dran sein." Nur sei das eben von der verfemten Konkurrenz.
Dafür steht dann wohl auch die GZ-Aussage:

„Wir bedauern, mit dem Satz, daß zweifellos etwas von den Sternen zu erfahren sein muß, weil Jehova das Befragen der Sterndeuter an mehreren Stellen der Bibel verboten hat, eine so heftige Abwehr herausgefordert zu haben. Selbstverständlich vertreten wir auch nicht die naive Ansicht, daß die Sterne an sich den Menschen etwas erzählen könnten. Aber es bleibt eine Tatsache, daß die Astrologen aus der Konstellation der Sterne viel über die Charakterart und den Lebenslauf eines Menschen zu sagen vermögen. Sie haben dazu Ihre vielverzweigten Berechnungen. Wie diese anzustellen sind und wieso die Ergebnisse erlangt werden, könnte uns natürlich nur ein Astrologe erklären."

Da wurde es dem GZ dann doch wieder etwas unheimlich, und man fügt den Satz hinzu. Man wolle aber keinem erklärten Astrologen im „Goldenen Zeitalter" Raum zu einer Selbstdarstellung geben.

Was zeigt diese Kontroverse? Nun soweit entfernt voneinander sind Kaffesatzleser, Astrologen und Endzeitdeuter Made in Zeugen Jehovas offenbar nicht! Der „Humus" auf dem ihre jeweiligen „Blüten" gedeihen, hat offensichtlich eine verdächtige Ähnlichkeit!

In der „Trost"-Ausgabe vom 15. 5. 1939 kommt das Thema „Astrologie" erneut zur Sprache. Dieser Artikel ist namentlich gezeichnet mit Fred C. Ketty, was ja immerhin so gedeutet werden kann. Es sei die Meinung dieses Verfassers, jedoch nicht zwangsläufig auch die Meinung der „Trost"-Redaktion.

Immerhin in seinem „Astrologie - ein Riesenschwindel" überschriebenen Artikel, nimmt er kein Blatt vor dem Mund.

Auch seine Ausführungen sollen nachstehend noch vorgestellt werden:

„Ein Riesenheer leichtgläubiger Menschen wirft jedes Jahr Millionenbeträge für eine unsinnige Täuschung hinaus, nämlich für astrologische Wahrsagerei. Einen Wissenschafter kann es nur mit Ekel erfüllen, daß in einem Lande mit allgemeiner Schulbildung ein solcher Hokuspokus noch so viel Anhänger hat.

Die Astrologen Babylons und Assyriens machten den Anfang, und ihre Kollegen in Arabien, Ägypten, Griechenland und Rom, die die Planeten mit ihren heidnischen Göttern identifizierten, setzten dieses Treiben fort. Sie schrieben den Planeten Kräfte zu gleich denen der Götter, deren Namen sie trugen. Heute glaubt sicher nicht einmal der unwissendste Astrologe, daß Jupiter, Venus, Mars und die andern Heidengötter jemals in einem anderen Sinne, als nur in der Mythologie existiert haben. Trotzdem wollen sie uns weismachen, daß riesige Gesteinsbrocken oder Gasanhäufungen, die sich in einer Entfernung von Millionen von Kilometern durch den Raum bewegen, irgendwie auf uns Einfluß hätten, weil sie den Namen von Märchengestalten tragen. Ist das nicht ebenso widersinnig, als zu meinen, die Fahrt in einem Wagen, der Venus genannt wird, sichere Glück in der Liebe?

Professor Bart J. Bok, Astronom an der Harvard-Stemwarte, bemerkte:
"Wenn wir glauben sollten, daß sich der Einfluß einer bloßen Masse von Materie im menschlichen Charakter bemerkbar mache, dann müßte die Einwohnerschaft von New York sicher weit mehr vom Empire State Building [dem höchsten Wolkenkratzer] als von einem Millionen von Kilometern entfernten Planeten beeinflußt werden."

Professor John Q. Stewart von der astronomischen Fakultät der Princeton-Universität antwortete auf die Frage, was er als wichtigsten wissenschaftlichen Beweis für die Ungereimtheit der Astrologie ansehe:
"Es ist schwer, eine wissenschaftliche Antwort zu geben, weil die Astrologen keine wissenschaftlichen Unterlagen zur Prüfung unterbreiten.

Den Astrologen nach wird unser Charakter von gewissen Planeten bestimmt, die je nach ihrer Stellung zur Zeit der Geburt in Frage kommen. Es werden aber jeden Tag zur selben Stunde Tausende von Menschen geboren - trotzdem haben nicht zwei dieser Menschen denselben Charakter und dieselben Fähigkeiten, noch haben sie im Leben den gleichen Erfolg. Einander ähnlich sehende Zwillinge sind oft ihrer Art nach sehr verschieden. Selbst wenn die Himmelskörper auf uns Einfluß hätten, ist nicht einzusehen, warum soviel Gewicht auf die Stellung der Planeten zur Zeit der Geburt gelegt wird. Käme da nicht eher die Zeit der Empfängnis in Frage?
Wenn man die Zeit der Geburt für so wichtig hält, muß man auch glauben, daß ein Arzt, der zum Wohle der Mutter eine Geburt beschleunigt, die ganze Zukunft des Kindes verändere."

Dem Direktor der Sternwarte der Yale-Universität, Professor Frank Schlesinger, machte ein Astrologe einmal das Anerbieten, für jemand, über dessen Geburtszeit der Professor auf Tag, Stunde und Minute genaue Angaben mache, ein Prüfungshoroskop auszuarbeiten. Zufällig wußte der Professor auf den Bruchteil einer Sekunde genau, wann sein Sohn bei der Geburt den ersten Laut von sich gegeben hatte.
Professor Schlesinger sagt:
"Ich weiß nicht, ob sich die Astrologen nach Normalzeit oder nach der Sommerzeit richten; aber ich machte jenem Burschen alle notwendigen Angaben für Zeitkorrekturen in New York und anderswo, einschließlich Peiping. Die Stellung der Planeten ist in ein und derselben Stunde natürlich sehr verschieden, je nachdem wo man geboren wird. Von dem, was mir der Astrologe über das Leben meines Sohnes sagte, traf nicht eine einzige Sache zu."

Selbst der Leichtgläubigste sollte die Astrologie als Marktschreierei erkennen, wenn er an zwei Ereignisse in der Geschichte der Sternkunde denkt. Gerade als die Astrologen all den Planeten ihre Einflußrolle hübsch zugeteilt hatten, entdeckte der Astronom Herschel den Planeten Uranus. Dann, im Jahre 1846, tauchte Neptun auf. Uranus und Neptun waren offenbar jahrhundertelang nur so herumgelungert und hatten sich nicht mit an der Leitung der menschlichen Angelegenheiten beteiligt - obwohl jeder von ihnen größer ist als Merkur, Mars und Venus zusammengenommen!

Sobald sie bekannt wurden, fanden die Astrologen allerdings schnell eine angemessene Beschäftigung für sie. In einem volkstümlichen Buch der verstorbenen Evangeline Adams, die die Astrologie finanziell gut auszuschlachten verstand, finden wir, daß Uranus die Eisenbahnen und Neptun die Luftfahrt beherrscht.

Was in den astrologischen Ecken der Tageszeitungen oder in Astrologie-Büchern steht, ist meist derart banal, daß man schaudert über die Geistesverfassung derer, die so etwas ernst nehmen.
"Ein guter Tag, um ein harmonischeres Verhältnis zu Verwandten zu schaffen", oder: ,,Laß dich bei der Planung künftiger geschäftlicher Änderungen von vergangenen Erfahrungen leiten."
Natürlich! Warum soll das aber für den einen Tag mehr zutreffen als für den anderen?
Und warum sollte man eine solche Sorte von Gelehrsamkeit dem Sterngucken zuschreiben?
Ein typischer Artikel mit "Vorhersagungen für solche, die zwischen dem 24. Oktober und dem 23. November geboren wurden", enthält folgende Perlen;
"Uranus im siebenten Haus, von wo aus er dir die Schwingungen sendet, die grundlegend sind für dein Leben, verursacht vieles von den Aufregungen deines Lebens, die sich aus deinem Zusammentreffen mit ändern Leuten ergeben."

Mit solchem endlos wiederholten Gefasel machen die Astrologen auf ihre
Opfer Eindruck.
Professor Schlesinger machte es sich seit Jahren zur Gewohnheit, solchen Zeitungen, die der Astrologie Platz einräumen, zu schreiben und höflich anzufragen, warum sie der Verbreitung von Wahrheit und Aufklärung zu dienen vorgeben, aber vorsätzlich den Aberglauben fördern.
Gewöhnlich lautet die Entschuldigung, die ,,Horoskope vom Tage" wären für die Unwissenden unterhaltend, veranlaßten sie, eine Zeitung zu kaufen, und schadeten ja nicht.

Aber natürlich schaden sie. Durch solch regelmäßige Zeitungsveröffentlichungen wird ein Aberglaube lebendig erhalten, der es Schwindlern ermöglicht, unter falschem Vorwand Geld einzukassieren."


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