Geschrieben von Drahbeck am 26. Mai 2001 20:18:50:
Bekanntlich existiert der "Dienstzweig" Vorführung von Dramen auf
Kongressen, erst seit Anfang der 1970-er Jahre. Davor gab es zwar auch sogenannte
"Demonstrationen". Indes die jetzige Variante der Playback-Schauspielerei ist
jüngeren Datums. Es ist vielleicht nicht uninteressant einen zeitgenössischen Kommentar
mal zu lesen, der geschrieben wurde, wie die Playback-Schauspielerei "neu auf dem
Markt" gekommen war. In der Ausgabe vom Juni 1973 der "Christlichen
Verantwortung" war er abgedruckt. Nachstehend sein Wortlaut:
Katzenhaftigkeit, königliche Haltung, soldatisches Auftreten,
Matronenhaftigkeit und Kriecherei einüben
BIBLISCHE DRAMEN ALS NEUER DIENST
Es begann auf den WTG-Kongressen der letzten paar Jahre. Auf dem Bezirkskongreß
"Göttlicher Name" 1971 wurden z. B. alle durch das Schauspiel oder Drama
"Jehova segnet die Loyalgesinnten" überrascht. Es gibt davon inzwischen eine
ganze Reihe weiterer, wie z. B.: "Respektiere Jehovas Ernennungen",
"Mache Jehovas Vorhaben zu deinem Lebensinhalt",
"Was ist in deinem Herzen?" (Herzton),
"Die Beantwortung deiner biblischen Fragen",
"Bist du ein neuzeitlicher Jona?",
"Gürtet euch mit Demut".
Die Fragen mehren sich aber, warum solche Methoden des Dienstes eingeführt werden. Es
gibt sehr verschiedene Ansichten darüber, denn nicht alle lassen sich durch solche neuen
Formen unkritisch begeistern. Die Ansichten sind zum Teil sehr überraschend. Wir bringen
hier, was aus verschiedener Versammlungen bekannt werden möchte. Denkt man in deiner
Umgebung ebenso oder ähnlich?
Diese neue Schauspielerei gefalle ihnen nicht. Das hätten die Apostel und Jesus auch
nicht gemacht. Die Römer hatten damals auch schon ihre Theater, ohne daß die Apostel auf
solche Methoden verfielen. Wie könnte ein Nachfolger Christi auf einer Schaubühne
vielleicht gar teuflische Bösewichter spielen und was sonst noch an negativen Dingen
darzustellen sei.
Wer lange im Werk steht, läßt sich nicht durch die Bezeichnung "neuer
Dienstzweig" hinreißen, Es ist nicht alles Gold, was glänzt und nicht alles
Nachfolge Christi, was neu ist.
Wer dieses Schauspielen eingeführt hat, hätte ganz offensichtlich die Kürze der Zeit
über Bord geworfen. Der würde in ganz anderen Vorstellungen über die Zeit, in die wir
gehen, denken, was noch verborgen wird. Der glaubt an überhaupt kein Ende mehr, sonst
könnte er nicht diese Schauspielerei einführen, anstatt alle verfügbaren Kräfte in den
unmittelbaren Felddienst zu werfen.
Das ist eine vorübergehende Erscheinung. Früher stellte man auch Grammophone in die
Hausflure, um die Botschaft erschallen zu lassen. Dann wurden Rundfunkstationen gekauft
und wieder verkauft. Solche Methoden sind nur Verschleuderung von Kraft und Mitteln, wo es
sonst so sehr auf das "Scherflein der Witwe" ankommt.
Ist es nicht albern und Kinderei, sich die bunten Bilder der Dramen anzugucken, während
der Text mit verteilten Rollen gekünstelt nachgelesen oder vom Band gespielt wird? Was
macht das alles für Kosten, für Risiko? Wissen sie im Zweigbüro nicht mehr, wohin mit
dem Geld? Gibt es keine Bedürftigen unter dem Volke Gottes mehr?
Ein sinnloser Aufwand an Kraft und Zeit. Es werden Requisiten gebraucht, Proben abgehalten
wie im Theater, Rollen auswendig lernen, Kostüme und Masken. Die Proben machen den
meisten Ärger und Verdruß, weil die Schauspielerauswahl aus den Reihen der Brüder und
Schwestern viel Enttäuschungen bringt sowie viel Günstlingswirtschaft seitens der
Brüder "Regisseure". Viele trimmen sich völlig umsonst und werden dann
abgewiesen. Ehrgeiz und Tränen sind die Begleiter. Das Zweigbüro hat wohl angewiesen,
das auf ein Minimum zu reduzieren, abschaffen soll man diese ganze zusätzliche
Nervenaufreibung aus der Organisation! Wem nur so etwas einfällt! Dafür sollten sie
lieber Bibelstunden mit den Menschen durchfuhren, die noch gar nicht erreicht sind! Das
sind noch Millionen. Statt dessen proben sie Schauspiele, ziehen sich Kostüme und Masken
selbst von Satansdienern für die Bühne an und üben sich in Gesten und Mimik von
allerlei wie "katzenartige Bewegungen, Beleibtheit, rauhes Aussehen, Damenhaftigkeit,
königliche Haltung, soldatenhaftem Auftreten, autoritativ, kriecherisch und
matronenhaft". (Drama: "Gürtet euch mit Demut", Anleitung) Ist nicht jede
Stunde solcher Einübungen schon zuviel, während Millionen von der Botschaft überhaupt
noch nichts gehört haben?
Was soll man zu diesen Ansichten sagen? Wie weit kann man ihnen zustimmen?
Insgesamt kann man vielleicht so sagen: Diese Schauspielerei ist in erster Linie für die
eigenen Organisationsbedürfnisse gedacht. Man will keineswegs primär andere Menschen auf
diese "neue" Weise anlocken oder dem weltlichen Theater Konkurrenz machen.
Schaut man sich die Themen an, dann bestätigt sich das.
Es geht um den Zustand der Organisation selbst, um ihre Erhaltung. Mit neuen Mitteln und
Methoden sollen alle beisammengehalten werden, begeistert, engagiert, bei persönlichen
Neigungen, Interessen, Hobbys gepackt und gebunden. Wieviele werden durch Tanz, Kino und
Theater auf andere Wege geführt. Also läßt man das Tanzen in der Organisation selber zu
(V/73). Dann führt man selber Filme vor. Dann läßt man in der Organisation selbst
Theater spielen und sehen.
So erweist sich dieser "neue Dienstzweig" zwar nicht als urchristlich, aber als
Mittel unter anderen, die Risse in der Organisation zu kitten und so manchen auf neue
Weise zu binden und voll zu beschäftigen.
Es scheint auch hier die Absicht hervor, die Organisation so mit sich selbst zu
beschäftigen, daß alle bis über beide Ohren in Arbeit und Verantwortlichkeit stecken,
so daß niemand bemerkt, in welche Zerreißprobe das ganze Volk mit 1975 und dem wieder
nicht kommenden Ende geraten ist. Damit die Organisation auf alle Fälle für irgendeine
zweckmäßige Weiterarbeit in unbestimmter Zukunft erhalten bleibt, für die man mit
Sicherheit nach und nach auch das "biblische" Selbstverständnis und die Lehren
zweckmäßig wieder verändern wird.
Es kann ähnlich werden wie 1914, als auch noch 40 Jahren Verkündigung und Ankündigung
Harmagedon und das Ende nicht gekommen waren. In ca. 10 Jahren hatte WTG-Präsident
Rutherford es schließlich im wesentlichen geschafft, das von seinem Vorgänger Russell
entfaltete Endzeitverständnis völlig umzuändern, die politische Haltung der
Organisation zu Gesellschaft und Staat zu einem Mittel des "Martyriums" zu
machen und alles auf eine weitere Generation auszurichten. Bis Ende der zwanziger Jahre
waren die damaligen Ältesten, die das durchschauten, aus der Organisation hinausgeworfen
und durch junge, unkritische Kräfte ersetzt und das "gefährliche" Ältestenamt
als "unbiblisch" abgeschafft. Mit nur umgekehrtem Vorzeichen durch
Wiedereinführung des Ältestenamtes, um alle heutigen Kritiker ausschließen zu können,
wird das jetzt angesichts 1975 wieder versucht. Die jetzige Schauspielerei kann man als
eines der inneren Mittel der Organisation bezeichnen, die Organisation in dieser neuen
Krise auf jede Weise zu festigen und für eine weitere unbestimmte Zeit zu retten und
marschbereit zu halten.
|