Re: Resolutions-Verteilung


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 12. Dezember 2006 07:28:55:

Als Antwort auf: Zur Erinnerung geschrieben von Drahbeck am 24. August 2006 06:35:02:

Es waren nicht viele, die bei der Verteilungsaktion des Flugblattes "Resolution" am 12. 12. 1936 auf "frischer Tat" welche auf der geschichtsträchtigen Luzerner Konferenz der Zeugen Jehovas vom August/September 1936er vorbereitet. und nun verteilt wurde. Es waren nicht viele, die dabei gestellt werden könnten. Anfänglich waren die Nazibehörden überrumpelt. Offenbar war diese Aktion im Vorfeld ihnen nicht ruchbar geworden. Und da das alles fast mit "militärischer Präzision" ablief, war einer der wenigen, die tatsächlich auf "frischer Tat" bei der Verteilung erwischt und festgenommen wurde, das spätere Mitglied der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas, Martin Pötzinger in München.
Marion Detjen etwa umschreibt seinen Part bei dieser für ihn mißglückten Aktion, mit den Worten:

"Wurde allein Martin Pötzinger (in München verhaftet). Da dieser - obwohl er wahrscheinlich gefoltert wurde - keine anderen Namen preisgab, führte die alarmierte Gestapo bei allen ihr bekannten "Bibelforschern" - etwa 160 Familien - Hausdurchsuchungen durch. Schließlich nahm sie sich wahllos fünf Personen vor, die sich auf andere Weise bereits verdächtig gemacht hatten, und vernahm sie unter "verschärften" Verhörmethoden. Als eine Frau nach mehrstündiger Vernehmung gestand, konnte die Gestapo die Untergruppe rechts der Isar, circa 60 Personen, aufrollen. Auch einige andere Gruppen konnten verhaftet werden."
http://www.manfred-gebhard.de/Poetzinger3.jpg
Da nach der Flugblatt-Verteilaktion die Fernschreiber in den Staatspolizeistellen der Gestapo, ob der vielen einlangenden Berichte heiß liefen, wurde von oberster Stelle angeordnet, am 15. Dezember in aller Frühe, bei bekannten und verdächtigen Zeugen Jehovas, Hausdurchsuchungen durchzuführen. Die allerdings waren vorgewarnt. Und so konnte die Gestapo kaum das gesuchte Zeugen Jehovas-Material bei solchen Hausdurchsuchungen vorfinden.

Vielfach stocherte die örtliche Gestapo, bei der von oben angeordneten Aktion vom 15. 12. 36, fast buchstäblich im Nebel. Ein Beispiel dieser Art ist aus Würzburg überliefert. Dort erwischte es zwar wohl nicht die Zeugen Jehovas; dafür aber die "Kirche des Reiches Gottes". Jene aus Bibelforscherwurzeln von F. L. A. Freytag gegründete Religionsgemeinschaft, der man nun wirklich nicht ein den zeitgenössischen Zeugen Jehovas politisch adaquates Verhalten nachsagen kann. Und so finden sich in dem diesbezüglichen Gestapoprotokoll auch die nachfolgenden Sätze:

"Der verh. Maler van der L i n d e Karl, geb. am 31. l. 1884 zu Haag (Holland) Reichsangehoriger, wohnhaft hier ... Wie festgestellt werden konnte, ist van d. Linde seit 1.5.1935 Mitglied der NSDAP. und Blockleiter.
Nach vorheriger Verständigung der Kreisleitung wurde am 15. 12. 36 eine gründliche Wohnungsdurchauchung bei van d. Linde vorgenommen und 3 Bibeln, "Himmelstau" vorgefunden. Die Gattin des van d. Linde ist bei der NS. Frauenschaft."

Bei anderen, fand man während dieser Aktion Exemplare der "Zeitung für Alle", die eben von jener "Kirche des Reiches Gottes" herausgegeben wird. Das die örtlichen Gestapo-Beamten nicht zwischen dieser Gruppe und den Zeugen Jehovas differenzieren konnten, zeigt schlaglichtartig wie es denn um ihre Religionskenntnisse bestellt war.

Mag die Gestapo auch im Nebel herumgestochert haben. Auch "blinde Hühner" sollen manchmal ein Korn finden.

Man muss sich dabei keineswegs der Interpretation der CV (Nr. 102) in Sachen Pötzinger anschliesen.
Es sei zitiert was zu deren Einleitung notiert wurde;

"Noch ein Name taucht in dieser Ausgabe auf. Der des Martin Pötzinger. Über ihn war zu registrieren, dass er 1977 in die "Leitende Körperschaft" der Zeugen Jehovas berufen wurde.
Über ihn meinte man nun ausführen zu können:

"Wie wir aus München erfahren, ist M. Pötzinger Ende 1936 besonders aktiv gewesen, die Resolutionen des WTG-Kongresses 1936 in Luzern/Schweiz verbreiten zu lassen. ... Damit hat er die Verhaftung einer ganzen Reihe von Geschwistern durch die Gestapo veranlaßt."

Wie ist die tatsächliche Sachlage. Erst einmal kommt Pötzinger in seinem im Wachtturm vom 1. 3. 1970 veröffentlichten Bericht auf die fraglichen Details mit keiner Silbe zu sprechen. Nun, Marion Detjen ist in ihrem Buch "Zum Staatsfeind ernannt..." wo auch Pötzinger mit erwähnt wird, etwas deutlicher. Über ihn führt auch sie aus:

"Die IBV setzte nun im Herbst 1936 als neuen Bezirksdiener für Bayern den aus Sachsen stammenden Karl Siebeneichler ein, der ohne festen Wohnsitz mit äußerstem Einsatz die Münchner Organisation völlig umstrukturierte. Er bestimmte Martin Pötzinger als Gruppendiener für München und die Untergruppendiener für die einzelnen Stadtteile. ...
So gelang es, daß ganz München am 12. Dezember mit den 'Resolutionen' überschwemmt wurde. Beim Verteilen erwischt wurde allein Martin Pötzinger. Da dieser - obwohl er wahrscheinlich gefoltert wurde - keine anderen Namen preisgab, führte die alarmierte Gestapo bei allen ihr bekannten 'Bibelforschern' - etwa 160 Familien - Hausdurchsuchungen durch. Schließlich nahm sie sich wahllos fünf Personen vor, die sich auf andere Weise bereits verdächtig gemacht hatten, und vernahm sie unter 'verschärften' Verhörmethoden. Als eine Frau nach mehrstündiger Vernehmung gestand, konnte die Gestapo die Untergruppe rechts der Isar, circa 60 Personen, aufrollen Auch einige andere Gruppen konnten verhaftet werden."

Ein solches symbolisches "Korn" dass die "blinden Hühner der Gestapo" offenbar aber doch fanden, kann man auch einer Abbildung bei Detjen entnehmen.
http://www.manfred-gebhard.de/Detjen242.jpg

Ein Literaturlager der Zeugen Jehovas in der Implerstraße
in München. Vorbereitet für die Verteilung von WTG-Literatur während der Verbotszeit.


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