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Geschrieben von Drahbeck am 05. Januar 2002 07:26:12: Geschichtlich Interessierte wissen es: Von dem Land der "unbegrenzten Möglichkeiten" wurden schon einige "Schenkungsaktionen" in Szene gesetzt. Sie alle kennzeichneten sich durch den Erfahrungswert "Kostenlos ist nicht umsonst". Ein solcher Yankee, der beispielsweise in den 1920er Jahren im von der Inflation gebeutetelten Deutschland, seine Dollartaschen öffnete hieß Mister J. F. Rutherford. Er bot auch eine Variante von "Kraft zum Leben" an, namens "Millionen jetzt Lebender werden niemals sterben". Wer ihm auf dem Leim ging, und das waren in Deutschland wohl nicht so wenige, dürfte alsbald in einer Feuerprobe sein "Geschenk" bezahlen. Das braune Regime war angebrochen und Mister Rutherford befand schon einige Jahre vorher. In Konfliktsituationen zwischen (beispielsweise) Hitler und Rutherford, habe er das sagen und nicht Hitler. Diese Eingebung ist ihm wohl am heimischen Kamin in Beth Sarim zuteil geworden. Seine Organisation, inzwischen zu den Zeugen Jehovas gemausert, ließ denn alsbald auch wissen. Das mit den Nationalstaaten sei "nicht das Gelbe vom Ei". Viel beser wäre es doch, es gäbe eine "einheitliche Weltregierung". Wie man jetzt beispielsweise einige europäische Währungen außer Kurs gesetzt und durch den Euro ersetzt. So, nur noch viel globaler, so die Erkenntnis der "Kraft zum leben"-Apologeten, müßte es gehandhabt werden. Das reine Evangelium dieser Leute heisst: Überleben wird und darf nur der Stärkste. Diese These kannten wir zwar schon. Mister Hitler, unseligen Gedenkens hatte sie auch verinnerlicht. Aber das läßt die Wortklingler von "Kraft zum Leben" schon mal völlig kalt. Auf dem eigenen Kontinent hat man ja gerade wieder mal vorexerziert, wie das in der Praxis auszusehen habe. Argentinien, am Rande des wirtschaftlichen Bankrotts. Finden die USA richtig. Weil es ja die Konsequenz ihrer Globalpolitik ist. Nur stört sie, dass im alten Europa es immer noch einige gibt, die da nicht so richtig mitziehen wollen. Aber "Kraft zum leben" kriegt das schon in den Griff. Der hiesige Bundeskanzler ist ja auch so ein USA-Fan. Wichtig vor allem ist dabei die Erzeugung "meterdicker Rauchvorhänge" durch die keiner mehr durchsehen soll. Und religiöse Thesen erweisen sich dabei offenbar als ein wirkungsvolles Transmissionsmittel. Mister Rutherford hatte es vorexierziert, und die jetzigen "Kraft zum Leben"-Verkünder, tun es ihm (in abgewandelter Form) nach. In der Presse gelesen: BERLIN taz Sogar an die christlichen Fundamentalisten der Plymouth Rock Foundation, die sich für die Einführung "biblischen Rechts" in den USA einsetzt, flossen nach Informationen der amerikanischen Zeitung Palm Beach Post großzügige Summen. Die DeMoss-Familienstiftung ist mit fast allen wichtigen christlichen US-Fundi-Organisationen verbandelt. Mark DeMoss, Sohn von Nancy DeMoss und nach Angaben der Pennsylvania Alliance for Democracy bis mindestens 1991 einer der führenden Funktionäre der Stiftung, war unter anderem Sprecher der frauenfeindlichen Promise-Keeper-Bewegung, die Männer für spirituell höherwertig hält. Besonders brisant: Bis November letzten Jahres arbeitete Mark DeMoss als Medienvertreter für den erzkonservativen Priester Jerry Falwell, der Homosexuellen, Ungläubigen und Feministinnen eine Mitschuld an den Terroranschlägen auf New York und das Pentagon gegeben hatte. Auch Verbindungen in die Politik gibt es: Als die Stiftung 1992 in einer ähnlichen Kampagne wie jetzt in Deutschland für das "Kraft zum Leben"-Buch warb, enthüllte das Magazin Forbes, dass das Werberteam der Stiftung aus ehemaligen Ronald Reagan-Kampagneros bestand. In ihrem Domizil bei Palm Beach lade Nancy DeMoss zudem häufig die Reichen und Mächtigen der Region ein. Gastredner sei jeweils ein prominenter Vertreter des christlichen Fundamentalimus, berichtet die Organisation Church and State. Mittlerweile hat die DeMoss-Stiftung mehrere Millionen Kopien des Buchs in insgesamt 12 Ländern verschenkt. "Kraft zum Leben" wurde 1983 von dem verstorbenen Autor Jamie Buckingham geschrieben. Die Kirchen in Deutschland haben sich über das "Kraft zum Leben"-Buch noch nicht geäußert, prüfen aber den Inhalt. YASSIN MUSHARBASH taz Nr. 6641 vom 4.1.2002, Seite 6 |