Re: wasser zu wein


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 25. Mai 2001 16:57:15:

Als Antwort auf: wasser zu wein geschrieben von torben am 25. Mai 2001 12:17:17:

Torben schrieb:
>eine frage die mich schon länger beschäftigt ist an dem bibelbericht
>festzumachen, in dem erzählt wird, daß jesus wasser zu wein gemacht hat
>auf einer hochzeitsfeier.
>wie passt dieses "trunkenheitswunder" in die wt-ideologie? hat jesus selbst
>mitgebechert? da alles von gott inspiriert und nützlich istwas geschrieben steht: was ist nützlich daran, bereits trunkene gäste weiter abzufüllen?
>glaubt jemand, das jesus weitere scheinbar unnütze wunder wirkte, die aber nicht in der bibel verzeichnet sind?

Letztendlich berührt vorstehendes eine grundsätzlichere Frage. Die Frage wie bewerte ich biblische Aussagen insgesamt. Orthodox oder in gegenteiliger Richtung.
Ein Beispiel für die Bewertung in gegenteiliger Richtung kann man dem Buche von Uta Ranke-Heinemann "Nein und Amen" entnehmen. Die diesbezügliche Passage daraus, zitiere ich mal nachstehend kommentarlos (S. 101-103):

Beginnen wir mit dem Wunder auf der Hochzeit zu Kana. Bei Johannes steht dieses Wunder einer Verwandlung von Wasser in Wein am Anfang der öffentlichen Tätigkeit Jesu. Wo dieses Kana lag, wissen wir nicht, wir wissen nur: Es ging bei dem Wunder um ziemlich viel Wasser und ziemlich viel Wein, nämlich um sechs Krüge mit jeweils »zwei oder drei Maß pro Krug«. je nachdem, ob die Krüge denn nun zwei oder drei Maß faßten, ergab das insgesamt 472,68 bis 709,02 Liter Wein (I Maß = 39,39 Liter).

Es handelt sich um ein Wunder, von dem die übrigen Evangelisten nichts wissen, jedenfalls nichts berichten. Und es paßt auch nicht zu den sonst im Johannesevangelium von Jesus berichteten Heilungs- oder sonstigen Nothilfewundern, es sei denn, daß man es für eine echte menschliche Not hält, wenn Leute, die ohnehin schon betrunken sind (Joh 2,10), nicht noch mehr zu trinken bekommen.

David Friedrich Strauß hat mit Recht dieses Wunder ein »Luxuswunder« genannt (Das Leben Jesu " Bd. II, 1837 S. 226). Hervorgehoben wird im Evangelium, daß es sich um Wein vom Allerfeinsten handelte, möglicherweise gar um eine Trockenbeerenauslese, keinesfalls jedoch um einfachen Tafelwein. Das macht das Wunder noch staunenswerter. Daß es allerdings nicht für alle Christen ein vorbildliches Wunder war, zeigt einige Jahrhunderte später die Handlungsweise des Bischofs Makarios, der ein genau umgekehrtes Wunder vollbrachte: Als er vom Abt Peregrinus eingeladen war und ihm ein Glas Wein vorgesetzt wurde, trank er das Glas erst leer, nachdem er den Wein in Wasser verwandelt hatte.

Über das Wunder von Kana haben viele Leute viel geschrieben, was es denn bedeute und offenbare. Sie haben sozusagen das Wasser aus den Krügen nicht in Wein, sondern in Tinte verwandelt. Aber niemand ist bis heute so recht dahintergekommen, was es denn bedeutet. Und so ist anzunehmen, daß es weiter gar nichts bedeutet, außer daß hier eben eine Art Zauberkunststück geschildert wird. Wenn Jesus, statt Wasser in Wein zu verwandeln, auf der Hochzeit irgendein anderes Zauberkunststück vollzogen hätte, z. B. Zinn in Aluminium verwandelt hätte, würden wir genauso rätseln, was das bedeutet, und es würde ebensowenig und ebensoviel bedeuten. Wir sollten uns also nicht in irgendeinen spekulativen Tiefsinn verlieren, sondern erkennen, was wirklich geschehen ist: Man hat Jesus solchen Wunderzauber angedichtet. Nebenbei: Manche Leute, die bekümmert sind, daß Jesus seine Mutter auf der Hochzeit so hart angefahren und ihr sogar den Mutternamen verweigert hat - »Weib, was habe ich mit dir zu tun« -, und die darüber grübeln, warum er denn solches tat, können sich beruhigen und sich anderen Überlegungen zuwenden. Jesus hat nichts dergleichen getan.

Wie es zu dieser Wundererzählung gekommen ist, darüber kann uns das kirchliche Datum der Feier des Festes der Hochzeit zu Kana einen Hinweis geben. Das Gedächtnis an diese Hochzeit wird am 6. Januar gefeiert, am Fest der Epiphanie. Epiphanie heißt »Erscheinung« und meint die Macht-Offenbarung des Herrn. Am 6. Januar
feierte man in der heidnischen Antike schon schon eine andere göttliche Macht-Offenbarung und andere göttliche Weinwunder: Es war das Fest und waren die Weinwunder des Dionysos, des griechischen Weingotts. »In der Tat ist das Motiv der Geschichte, die Verwandlung des Wassers in Wein, ein typisches Motiv der Dionysos-Legende, in der dieses Wunder eben das Wunder der Epiphanie des Gottes ist und deshalb auf den Zeitpunkt des Dionysos-Festes, nämlich die Nacht vom 5. auf den 6. Januar, datiert wird. In der alten Kirche ist diese Verwandtschaft noch verstanden worden, wenn man ... den 6. Januar für den Tag der Hochzeit von Kana hielt« (Rudolf Bultmann, Das Evangelium des Johannes, 1962, S. 83).

Auf deutsch: In der Legende von der Hochzeit zu Kana offenbart Jesus seine göttliche Macht auf die gleiche Weise, wie man es vorher schon von dem griechischen Gott Dionysos erzählt hatte. Der 6. Januar wird für die Christen das Fest der Macht-Offenbarung (Epiphanie) ihres Gottes und verdrängt die Feier der Epiphanie des heidnischen Gottes Dionysos, die bis dahin am 6. Januar stattgefunden hatte. Bultmann: »Zweifellos ist die Geschichte (der Hochzeit zu Kana) aus heidnischer Legende übernommen und auf Jesus übertragen worden« (a. a. 0., S. 83). Dionysos ließ in seinem Tempel in Elis an seinem Feiertage leere Krüge sich mit Wein füllen, und auf der Insel Andros floß dann aus einer Quelle an oder in seinem Tempel statt Wasser Wein. Das wahre Wunder der Hochzeit von Kana wäre demnach nicht die Verwandlung von Wasser in Wein durch Jesus, sondern die Verwandlung Jesu in eine Art christlichen Weingott.

Johannes hat das Weinwunder übrigens einer Jesus-Wundergeschichtensammlung entnommen und Teile dieser Sammlung etwas unausgeglichen in sein Evangelium eingearbeitet, wie Rudolf Bultmann zeigt (a. a. 0., S. 78). Die in dieser Sammlung erzählten Wunder waren numeriert. Das erste Wunder war das Weinwunder und wird auch bei Johannes als das erste Wunder bezeichnet ...


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