C. O. Jonsson und W. Herbst


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 17. November 2001 18:42:14:

Öffentliche Badeanstalten sind auch dadurch gekennzeichnet, dass sie in zwei Bereiche unterteilt sind. Den für die Schwimmer und auch einen für die Nichtschwimmer. Wieweit hat sich eigentlich Carl Olof Jonsson und sein Koautor Wolfgang Herbst, im Kontext obigen Vergleiches, von der WTG abgenabelt? Nun, es fällt schwer, zumindest was den Zeitpunkt der Verfassung ihres Buches "Das 'Zeichen' der letzten Tage - wann?" betrifft. Es fällt schwer, sie zu diesem Zeitpunkt schon unter den "Schwimmern" zu wähnen. Im Gegenteil hat man den Eindruck, dass sie sich nach wie vor kräftigst im "Nichtschwimmerbecken" tummeln.
Damit ist nicht gesagt, dass sie noch immer WTG-Thesen unkritisch reflektieren. Durchaus nicht. Wäre dem so, müsste man sie noch "an Land wähnen". Dem ist aber nicht so. Sie befinden sich durchaus schon im Wasser; aber eben in dem genannten reservierten Teil.
Der Knackpunkt ist der, dass sie die WTG-Thesen erstmal für "bare Münze" nehmen und sich dann akribisch bemühen, sie zu entkräften. So akribisch, dass im Anhang, nach dem 8. Kapitel, eigens noch eine "hochdetaillierte" Aussage zum Thema Erdbeben zitiert wird.

Die Worldwide Church of God [in Deutschland: Weltweite Kirche Gottes des Herbert W. Armstrong], der evangelikale amerikanische Prediger Hal Lindsey und ein gleichfalls fundamentalistisch ausgerichteter Adventistenprediger, sind Hauptvergleichspersonen zur WTG. Alle vier genannten erweisen sich als tatkräftige Konjunkturritter auf dem "Endzeitfeld". Was Armstrong's Gruppierung betrifft, zwischenzeitlich von einigen Spaltungen heimgesucht und in Deutschland nie eine reale Bedeutung gehabt habend (außer dass sie für einige Sektenkundler "interessantes" Vergleichsmaterial darstellt.) Auch Twisselmann veröffentlichte mal über sie eine (heute nicht mehr lieferbare) Broschüre. Was die Armstronggruppe anbelangt, so kann man die eigentlich mehr oder weniger "vergessen".

Stichwort Nr. 2 (ein amerikanischer Adventistenprediger). In Natura erweist sich der heutige Adventismus keineswegs als "monolithischer" Block. Extrempositionen, zugleich in der eigenen historischen Linie liegend, stehen zaghaften "Modernisierer" gegenüber. Jedenfalls gilt auch für Deutschland. Die "Sternstunde" des Adventismus ist auch hierzulande vorbei.

Stichwort Nr. 3 Hal Lindsey. Das ist in der Tat ein amerikanischer "Exportschlager", dessen in Millionenauflagen verbreitete Bücher, auch von hiesigen evangelikalen Kreisen in deutscher Sprache verbreitet wurden. In meiner "Geschichte der ZJ" habe ich mich an einer Stelle auch mit Lindsey auseinandergesetzt. Ich erlaube mir das hier nochmal zu zitieren.

"Nicht nur die Kommunisten machten mit solcher Art von Argumentation mobil. Auch ihre berufsmäßigen Gegner standen dem keinen Deut nach. [151]
Es fällt auf, dass außerhalb der Zeugen Jehovas, besonders einige US-amerikanische evangelikale Kreise in analoger Weise von sich reden machten. Ein Beispiel dafür ist auch der Amerikaner Lindsey. In seinem Buch „Sind wir die letzte Generation" stellt er z. B. die eindeutige These auf: „In was für einer Welt leben wir eigentlich, wenn mehr als die Hälfte aller Menschen davon überzeugt ist, dass Marx die richtige Antwort hatte? Ich glaube, dass hier der Hauptgrund dafür liegt, dass unsere Generation die letzte Generation sein wird." [152]
Das geistige „Niveau" dieses Lindsey wird schlaglichtartig auch erhellt mit seiner Bemerkung: „Der Interviewer in einer Fernseh-Diskussion schien über einige meiner Antworten, die ich gegeben hatte, erstaunt. Er fragte mich: 'Hören Sie, wenn Sie wirklich glauben, dass die biblischen Prophezeiungen über die Wiederkunft Jesu Christi jetzt vor der Erfüllung stehen. Wenn Sie ehrlich der Meinung sind, dass diese Generation alle diese Katastrophen, die schließlich in einen Atomkrieg einmünden, erleben wird, dann möchte ich wissen, warum Sie nicht in völliger Verzweiflung zusammenbrechen.' 'Meine Antwort wird Sie wahrscheinlich sehr verblüffen', sagte ich, 'aber ich bin der festen Gewissheit, dass ich auf geheimnisvolle Weise von diesem Planeten weggenommen werde, noch bevor die schlimmsten Katastrophen losbrechen.' Ich kann mich jetzt noch an den Gesichtsausdruck des Interviewers erinnern. Meine Erklärung löste bei ihm eine ungläubige Erwiderung aus." [153]
Ausgehend von dieser „Weisheit" nahm es dieser Lindsey auf sich, sich als großer „Prophet" zu produzieren. Einige seiner Prophezeiungen lauteten: „Aus der Bibel ist zu entnehmen, dass sich die Nahostkrise weiter verschärfen wird, bis sie schließlich den Weltfrieden bedroht. … Die Russen werden in einer Art 'Blitzkrieg' gleichzeitig zu Wasser und zu Lande in Palästina einfallen." [154]
Nach Lindsey würde das dann ein „Harmagedon" bewirken und er scheut sich nicht, dazu jahrtausendealte Bibelstellen für seine Erklärung zurechtzubiegen, die andere Ausleger bereits schon vielfach für andere Interpretationen meinten in Beschlag nehmen zu können. "

Genau diese Auseinandersetzung sucht man bei Jonsson/Herbst vergeblich. Gebannt wie das Kaninchen von der Schlange, interessiert sie Lindsey nur insoweit, als er in seiner "Argumentation" auf ähnlicher Wellenlänge wie die WTG liegt.
Ja, das ist das Kernproblem. Die WTG "diktiert" und das "Kaninchen" Jonsson/Herbst versucht sein möglichstes dieses Diktat zu entkräften.

Habe ich mich bisher unterschwellig doch recht kritisch über genannte Autoren geäußert, so sei das nun wieder versuchsweise etwas gut gemacht. In der Tat haben sich Jonsson/Herbst von der WTG abgenabelt. Darüber kann es keinen Zweifel geben. Meine Kritik bezog sich eben nur auf den Umfang dieser Abnabelung.
Die WTG beliebt bekanntlich von einem "kombinbíerten Zeichen" für die Endzeit zu reden. Auf dieser These beruht das gesamte Buch und es stellt unterm Strich ein akribisches Unternehmen dar, genau diese Kernthese zu widerlegen.

Nachstehend einige Zitate, die diese Tendenz belegen.
Das siebente Kapitel ist beispielsweise überschrieben: "Der Mythos des 'kombinierten Zeichens'". Zutreffend formuliert, kann man dazu nur sagen.
Zum Thema Hungersnöte äußern die Autoren:
"Wenn man diese Beschreibungen liest, kann man sich nur glücklich schätzen, in unseren Tagen zu leben. Wo lesen wir heute in irgendeinem Teil Europas von Millionen — oder Tausenden oder auch nur Hunderten —, die wegen einer Hungersnot sterben? Wo lesen wir heute, selbst in von Hungersnöten heimgesuchten Gegenden, dass Menschen „einander aufessen", „ihre Kinder essen" oder „ihre Kinder für Nahrung verkaufen"? Es stimmt, dass bestimmte Gebiete der Erde immer noch von ernsten Hungersnöten heimgesucht werden, aber die Verhältnisse haben sich eindeutig gebessert."

Das Thema Erdbeben charakterisieren sie mit den Worten:
"Es ist daher offensichtlich, dass Schätzungen der jährlichen Todesopfer von Erdbeben in der Vergangenheit so sehr divergieren wie die Vermutungen über die Gesamtzahl der Opfer, auf denen sie basieren. Das Bevölkerungswachstum ist ein wichtiger Faktor. Da etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in den Erdbebengürtel der Erde leben, würde es sicher nicht überraschen, wenn die Zahl der Todesopfer bei Erdbeben mit der Zunahme der Bevölkerung in diesen Gebieten Schritt hielte. Das würde jedoch keinen Beweis dafür darstellen, dass Erdbeben an Zahl oder an Schwere zugenommen haben. ...Es ist daher offensichtlich, dass Schätzungen der jährlichen Todesopfer von Erdbeben in der Vergangenheit so sehr divergieren wie die Vermutungen über die Gesamtzahl der Opfer, auf denen sie basieren. Das Bevölkerungswachstum ist ein wichtiger Faktor. Da etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in den Erdbebengürtel der Erde leben, würde es sicher nicht überraschen, wenn die Zahl der Todesopfer bei Erdbeben mit der Zunahme der Bevölkerung in diesen Gebieten Schritt hielte. Das würde jedoch keinen Beweis dafür darstellen, dass Erdbeben an Zahl oder an Schwere zugenommen haben."

Seuchen, wie beispielsweise die "Spanische Grippe" kommentieren sie mit dem Satz:
"Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Spanische Grippe von 1918-1919 in allen Punkten weit davon entfernt war, die „größte" Seuche in der Menschheitsgeschichte zu sein. Was die Gesamttodesziffern betrifft, so brachten mehrere andere Seuchen der Vergangenheit mehr Menschen als die Epidemie von 1918-1919 um.
Und auch der Prozentsatz ihrer Mortalität war nicht der höchste aller Seuchen in der Vergangenheit. Die Mortalitätsrate war vielmehr niedrig im Vergleich zu vielen früheren Seuchen. In dieser Hinsicht würde sie nicht als die „schlimmste", sondern unter den am wenigsten tödlichen großen Seuchen der Geschichte rangieren.
Die Behauptung, die Spanische Grippe sei die „schnellste" Seuche aller Zeiten gewesen, hat sich auch als falsch erwiesen, da sie auf fehlerhafter Verwendung von Statistiken beruht."

Zum Thema AIDS äußern sie:
"AIDS ist also eine sehr gefährliche Krankheit. Dennoch wird ihm in den Massenmedien oft ein übertriebener Anteil gegeben. Selbst AIDS-Spezialisten haben manchmal Aussagen über die Krankheit gemacht, die einen Mangel an historischer Perspektive zeigen. Einige haben es gar mit dem Schwarzen Tod des 14. Jahrhunderts verglichen. Doch man sollte bedenken, dass der Schwarze Tod innerhalb von nur wenigen Jahren bis zu einem Drittel — 33% — der Erdbevölkerung gefordert hat. Die 19 Millionen im Verlauf der ersten 20 Jahre der Epidemie an AIDS Verstorbenen sind nur 0,3% der Menschheit. Selbst wenn diese Zahl in den nächsten 20 Jahren auf 100 Millionen oder mehr stiege, wären das immer noch weniger als 2% der Menschheit."

Die Gesamtlebenserwartung der Menschen beschreiben sie mit den Worten:
"Vor dem 19 Jahrhundert lag die mittlere Lebensdauer bei 20 und 30 Jahren.
Heute ist sie weltweit gesehen mehr als doppelt so hoch. In den industrialisierten Ländern liegt die Lebenserwartung bei 75 und mehr Jahren, während sie in den Entwicklungsländern auf etwa im Durchschnitt 65 Jahre gestiegen ist."

Das Thema Weltkriege wird von ihnen mit den Worten angerissen:
"Die Wachtturm-Publikation „Dein Königreich komme" (1981) führt unter anderem die Historikerin Barbara W. Tuchman mit folgenden Worten aus ihrem Buch The Guns of August (1962) an: „Der Erste Weltkrieg war eine der großen Erschütterungen der Geschichte." Wenn man Tuchmans Aussage allerdings unter 11
sucht, findet man, dass die Gesellschaft einen wichtigen Teil davon lieber nicht miterwähnte. Ihre vollständige Aussage lautet: „Wie die Französische Revolution war der Erste Weltkrieg eine der großen Erschütterungen der Geschichte."
Warum überging die Wachtturm-Gesellschaft die Worte: „Wie die französische Revolution"? Offenbar deshalb, weil die einzigartigen Behauptungen für 1914 durch ein Zitat abgeschwächt worden wären, das die Französische Revolution mit dem Konflikt von 1914-1918 auf eine Stufe gestellt hätte. Und in der Tat glauben Historiker, die Französische Revolution sei ein noch größerer Wendepunkt in der Geschichte gewesen als der Erste Weltkrieg! ...
Schon vor der Entwicklung der Atombombe hatten Nationen die bakteriologische Kriegführung mit erschreckendem Potential entwickelt. Dennoch haben die Nationen nie auf den Einsatz ihrer fürchterlichen Waffen tödlicher bakteriologischer Kriegführung zurückgegriffen. Es ist auch gut, sich daran zu erinnern, dass eine Atomwaffe zuletzt im Jahre 1945 gegen Menschen eingesetzt wurde. Vorhersagen über die Zukunft aufgrund menschlicher Argumentation und Vermutung bleiben ein Ratespiel ohne Bezug zur wirklichen Erfüllung göttlicher Prophetie."
Und anderes mehr.

Interessant auch ihre These:
"Viele Menschen haben den Glauben, dass der Schlusskrieg von Harmagedon und die Wiederkehr Jesu zum Jüngsten Gericht sich ganz sicher in ihrer Zeit ereignen werden. Sie können nur schwer akzeptieren, dass ein Ereignis von solch großer Tragweite nicht zu ihren Lebzeiten stattfinden soll. Der Gedanke widerstrebt ihnen, nicht dabeizusein, keine persönliche „Begegnung mit der Geschichte", insbesondere mit göttlichem Eingreifen in die Geschichte, zu erfahren. Das ist auch ohne Zweifel der Grund, warum Bücher, die solche Erwartungen nähren und stimulieren, sich solch großer Popularität erfreuen. Allein das Buch The Late Great Planet Earth von Hal Lindsey erreichte eine Verbreitung von 25 Millionen Exemplaren in 30 Sprachen.
Offenbar möchten die Menschen glauben, dass ihre eigene Zeit einzigartig ist und durch biblische Prophetie in besonderer Weise herausgehoben wird."

Ziemlich am Schluss findet sich dann auch noch der Satz:
"Alle Jahrhunderte hindurch haben Menschen in einer Generation nach der anderen Grund gefunden, ihre Zeit als „die letzten Tage" zu sehen. Ihre Vorhersagen und Erwartungen haben in jedem Fall schließlich zum Fehlschlag mit der Ernüchterung, die dieser mit sich bringt, geführt. Ganz offensichtlich lag all diesen fehlgeschlagenen Erwartungen und irrigen Behauptungen ein entscheidender Fehler zugrunde."

Dieser entscheidende Fehler sei nach Jonsson/Herbst das nicht ernstnehmen der biblischen Warnung, dass niemand Tag und Stunde wisse. Damit sind sie denn auch schon am "Ende mit ihrem Latein".

Klang in letzterem Satz von mir auch schon wieder so eine Art unterschwellige Kritik an; so muss ich die wohl auch wieder etwas "gutmachen". Um zum eingangs gewählten Vergleich zurückzukehren. Jehovas Zeugen befinden sich in der Regel zwar in einer symbolischen "Badeanstalt"; jedoch dort noch an Land. Jonsson/Herbst bemühen sich nun, sie zum betreten des Nichtschwimmerbereiches einzuladen. Und wie vorstehende Zitate verdeutlichten, geben sie sich dabei die redlichste Mühe.

Vielleicht darf man in der Tat nicht zuviel erwarten. Es ist schon ein Wert an sich, wenn der eine oder andere in diesem Getümmel selbst mal einen vorsichtigen Schritt ins Wasser wagt. Dass sie dabei keine Angst zu haben brauchen, nunmehr "unterzugehen", dafür sorgen auch Schwimmeister wie Jonsson/Herbst.

Der unermüdliche Übersetzer Herbert Raab hat auf CD-ROM eine deutsche Fassung dieses Buches zur Verfügung gestellt. ...

Geschrieben von Drahbeck am 18. November 2001 16:44:08:

Als Antwort auf: Re: C. O. Jonsson und W. Herbst geschrieben von Hans R... am 18. November 2001 13:51:33:

>>Mich würde interessieren wie du den Schwimmer Bereich
>karakterisierst.

In diesem konkreten Fall würde ich meinen, dass eine Auseinandersetzung mit den WTG-Endzeitlehren, tiefergehend sein müsste. Darunter würde ich sehr wohl eine Tendenz in Richtung grundsätzlicher Religionskritik verstehen. Es ist mir einfach zu wenig nur zu sagen, die WTG, die Armstrong-Gruppe usw. usf. verkünden eine falsche Endzeitlehre, aber ansonsten wäre in Sachen Christentum "alles in Butter". Drei diesbezügliche Kapitel des Buches "Geschichte der ZJ" habe ich deshalb sehr bewusst Online für jedermann zugänglich gelassen, in der gerade diese Auseinandersetzung meines Erachtens stattfindet.
Siehe dazu:
Sakramentalismus

Endzeiterwartungen

Kueppers

Sakramentalismus oder Endzeiterwartung

 


ZurIndexseite