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Geschrieben von Drahbeck am 14. Juni 2006 06:01:59: In einem im Jahre 2001 erschienenen "Lehrbuch der Soziologie", geht Hans Joas auch auf die Zeugen Jehovas mit ein (S. 208f.). Die Frage die den Autor dabei besonders umtreibt ist die, wie es allen ideologischen Verwerfungen zum Trotz, offenbar möglich ist, dass diese Organisation eine relative Stabilität aufweist. Seiner Fragestellung der Soziologie entsprechend, interessiert es ihn nicht so sehr, welche theologische Details denn die Zeugen lehren würden. Sein Interesse gilt eher dem Phänomen der Gruppenbildung. Wenn da eine Nachbarin ihre Bekannten und Freunde zu einer "Tupperware-Party", gekoppelt mit "Kaffeeklatsch" einlädt, und es dabei versteht, so ganz "nebenbei" ihre Verkaufs-Erzeugnisse an die Frau, respektive den Mann zu bringen, dann sei das - so Joas - auch schon eine Form der Gruppenbildung. Allerdings wird dieser Gruppe in der Regel keine größere Dauerhaftigkeit beschieden sein. Sollte es Wiederholungen vorgenannter Veranstaltung geben, wird schon eine beträchtliche Fluktuation feststellbar sein. Durchaus nicht alle, die beim ersten Mal zugegen, sind es auch noch beim zweiten oder weiter folgenden male. Das wäre dann eine flukturiende "Gruppe". Die Zeugen Jehovas hingegen, die auch sein Augenmerk finden, ordnet er so nicht ein. Ihnen bescheinigt er, im Gegensatz zu vorstehendem Beispiel, durchaus eine gewisse Stabilität. Die Frage, warum es bei ihnen denn so anders ist, als bei einer "Tupperware-Party". Dieser Frage müht er sich nun näher auf den Grund zu kommen. Dazu ist schon seine Eingangsthese: Weiter konstatiert er: Seine Antwort auf letztere Frage ist: Weiter den Details diesbezüglich nachgehend, notiert er: Das Opfer bedeutet also für den Zeugen Jehovas, dass er sein Recht, bestimmte Dinge zu tun, aufgibt, um der Gruppe anzugehören. Damit lässt sich das Mitglied auch darauf ein, sanktioniert zu werden. Und Vergehen gegen die aufgestellten Regeln werden streng sanktioniert. Invesision baut Verpflichtung auf, indem daran erinnert wird, das die Bedürfnisse der Gruppe Priorität vor egoistischen Wünschen haben. Invesision bedeutet bei den Zeugen Jehovas in erster Linie einem enorm hohen unbezahlten Arbeitsaufwand. ... Leistet der Zeuge Jehovas keinen Verkündigungsdienst", verliert er die Anwartschaft auf das Reich Gottes Verzicht heißt, das von den Gruppengliedern verlangt wird, auf Beziehungen, die Verpflichtungen gegenüber der Gruppe stören oder aber Zweifel am Glauben hervorrufen können, zu verzichten oder sie aufzugeben. Im extremsten Fall führt der Verzicht dazu, dass die Mitglieder nur noch untereinander in Kontakt stehen. Um Verzicht bei den Mitgliedern hervorzurufen werden oft symbolische Grenzen errichtet. Die Zeugen Jehovas demonstrieren durch ihre radikale Ablehnung der meisten in den Kirchen gefeierten Feste Distanz zur Kirche, wobei die Mitglieder durch das Verbot, an diesen Festen teilzunehmen, von der Außenwelt isoliert werden. Der Kalender der Zeugen Jehovas beinhaltet eine Vielzahl von Gruppenveranstaltungen. Dazu gehören die Hausbibelstunden, die Schulungen, der öffentliche Vortrag am Sonntag oder die Dienstversammlungen. Die Bezirkskongresse werden mit großem Aufwand als Feste zu Ehre Jehovas begangen und fördern ebenfalls den Zusammenhalt. Die Mitglieder der Zeugen Jehovas werden so mit Schriften, Studienaufgaben und Gesprächen überschüttet, das sie zu einer eigenständigen und kritischen Prüfung keine Zeit mehr haben. Kritisches Potential wird weiterhin dadurch unterbunden, das die Schulung der Mitglieder streng an die von der Zentrale ausgegebenen Schriften und Normen gebunden ist. Zu dieser Indoktrination kommt ein hoher Psychodruck. Die Mitglieder stehen unter einem Dauereinfluß, der die Angst vor der bevorstehenden Apokalypse mit der Hoffnung auf das dann anbrechende Erdenparadies verbindet. Das Ergebnis der starken Gefühle zwischen Angst und Hoffnung und das Verbot eigener Gedanken kann eine tiefgreifende Veränderung der Persönlichkeit sein. Das Mitglied wird an die Gruppe gebunden. Ein nicht für alle Besitz ergreifenden Gruppen typisches Merkmal, das
bei den Zeugen Jehovas hinzukommt, ist die strikte Hierarchie der Organisation und, damit
verbunden, der eingeforderte Gehorsam. Die Führung erhebt den Anspruch, dass Christi
Befehle die ganze Organisation nur durch sie erreichen. Sie begreifen sich als
auserwählte Gemeinschaften, denen eine besondere Erleuchtung oder Offenbarung zuteil
wurde. Oft verwehren sie ihren Mitgliedern eine allzu weitreichende Teilnahme an
weltlichen Angelegenheiten, da sie die äußere Welt als dekadent, verderbt und sündhaft
halten.
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