Re: 37 Grad


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 27. April 2006 03:08:28:

Als Antwort auf: Re: NAK, Zeugen Jehovas, Adventisten geschrieben von Drahbeck am 26. April 2006 02:05:04:

Man kann sowohl Unterschiede als auch frappierende Ähnlichkeiten zwischen der Neuapostolischen Kirche (schon erheblich länger Körperschaft des öffentlichen Rechts als die Zeugen Jehovas) und letzteren registrieren. Auch im Falle der NAK machte sich eine gewisse Kritikerszene bemerkbar, auf unterschiedlichen Ebenen. Eine davon auch die Ebene kritischer Fernsehsendungen über sie.

Eine Sendung des ZDF vom 30. 1. 1996, mit dem Titel "37 Grad" behandelt auch das Thema der Neuapostolischen Kirche.
Die Einleitung beginnt mit dem Hinweis auf die Volkstempelsekte des Jim Jones und deren Massenselbstmord.
"1978 schien es noch ein Einzelfall", so die dazu gehörige Moderation. "Doch neuerdings häufen sich die Sektendramen". Es wird dann auf den Fall im texanischen Wacoo aus dem Jahre 1993 verwiesen, wo es 68 Tote gab.
1994 wurde die Welt von den "Sonnentemplern" aufgeschreckt. In der Schweiz und in Kanada sterben 53 Mitglieder.
1995 eine neue Dimension der Gewalt. Der Giftgasanschlag einer Sekte in der U-Bahn von Tokio.
Und 1995 erneut ein "Sonnentemplerfall" mit 15 Todesopfer.

Zu dieser Filmeinleitung möchte ich dann doch anmerken. Sie ist das makaber typische Beispiel einer Journalistik, der es nur um Sensationsmache; weit abgeschlagen, dann erst um sachliche Inhalte geht.

Es ist Herrn Dannwolf zuzustimmen, dass dies in dieser Form nicht sachgerecht ist. Da werden "Apfel und Birnen" in einen Topf geworfen, und dem "Leser" der anstelle der konventionellen "Bildzeitung" nur die "Bildzeitung in Fernsehformat" konsumiert, treudoof erklärt, Äpfel und Birnen zusammengekocht, ergäben einen "vorzüglichen Fleischbraten". Genau das macht diese Sorte mieser "Journalistik".

Nach dieser "Einstimmung" beginnt dann der eigentliche "Sehnsucht nach einfachen Antworten. Die sanfte (?) Gewalt der Sekten" betitelte Beitrag von Thomas Greulich. Es sei eingeräumt, dass diese Überschrift schon sachgerechter als die eben skizzierte Filmeinleitung ist.

Dann wird ein Fallbeispiel einer Frau vorgestellt, die gerade eine Lebenskrise in der Form einer Trennung hinter sich hatte. "In dieser Situation kam die Einladung eines Handwerkers, doch einmal einen Gottesdienst der Neuapostolischen Kirche zu besuchen, ihr gerade recht."

Rückblickend nach 30-Jahre dann folgender NAK-Zugehörigkeit betont sie dann, es ihr eigentlich damals nur darum ging, in eine Gemeinschaft hineinzukommen, die ihr Wärme gab und wo sie sich aufgehoben fühlen konnte.
Offenbar muss es doch so etwas gegeben haben, sonst wäre sie wohl kaum drei Jahrzehnte dort verblieben, mag man dazu nur kommentieren.
Mit der Zeit muss sie aber auch feststellen, dass die NAK-Mitgliedschaft ihr Leben zu verändern beginnt, oft auch schmerzlich.

Rückblickend konstatiert sie, dass zum Beispiel die Kappung von Freundschaften zu Nicht NAK-Mitgliedern (erwartet und praktiziert), doch wohl ein etwas zu hoher Preis für die vermeintliche Geborgenheit war.
"Der Preis der Geborgenheit ist also die Einengung ihres Horizonts, ihres Alltags, ihrer Persönlichkeit".
Andererseits könnte sie ja ihre Glaubensgemeinschaft wieder verlassen. Warum tut sie es nicht?
Sie meint zu dieser Frage rückblickend, dass sie wohl erst ihre Erfahrungen sammeln musste, bis eines Tages die Erkenntnis "dass Du dich abschottest. Das kann es doch wohl einfach nicht sein", übermächtig wurde.
"Auf alles zu verzichten, was mir in früheren Jahren unendlich viel Freude gemacht habe", so beschreibt sie ihre diesbezügliche Mentalitätslage. "Ihre seelischen Nöte werden größer. In ihrem Selbstvertrauen geht es abwärts".
Auf ihre Zweifel und Fragen geben ihr die NAK-Amtsträger keine einfachen Antworten, sondern überhaupt keine.
Sie beginnt den Glauben an ihre Kirche zu verlieren, und entdeckt dafür - zaghaft - den Glauben an sich selbst.
Sie konnte so nicht mehr leben. Sie wollte diese Abhängigkeit, diese ständige Bevormundung nicht mehr, so das Fazit ihres Entschlusses, nun doch zu handeln.

Die Folgewirkungen des Bruches mit der NAK beschreibt sie. Das sei wie auch bei jedem anderen (etwa Rauschgift)-Entzug. Es fällt nicht leicht. Letztendlich ist es aber nur die einzigst sinnvolle Alternative.

Danach werden Bilder von einem Treffen der Selbsthilfegruppe "Artikel 4" gezeigt.
Frage: Was ihrer Meinung nach der Reiz der Sekten sei?
Antwort: Das Gefühl, dass da eine Ersatzfamilie vorhanden sei. Das wiederum heiße im Umkehrschluss, dass ein Defizit vorhanden ist, bei Leuten die auf der Suche nach so etwas sind. Es wird, um in der Sprache der Psychologie zu sprechen, eine Bedingungsliebe aufgebaut. Das heißt man wird nur "geliebt" in Anführungsstrichen; wenn man diese oder jene Bedingung erfüllt.
Es wird aber nicht nur "Liebe" vermittelt, sondern auch etwas, was gar nicht beabsichtigt war: Angst.

Danach ein paar Bilder aus dem "Sekten Info Essen", einer "konfessionell nicht gebundenen Beratungsstelle", wie man meint sagen zu können.
Zitat von deren Webseite;
"Die Arbeit wird zu einem großen Teil vom Land NRW und er Stadt Essen finanziert. Die Deckung der Gesamtkosten muss jedoch durch Spenden gewährleistet werden."
http://www.sekten-info-essen.de/

Danach wird der Fall einer Schweizerin vorgestellt, die in den USA in die Fänge der Moon-Sekte geriet. Fassungslos die Eltern, über die kurzfristige "Umpolung" ihrer Tochter.

"Eltern und Geschwister von Satan gesteuert, das war schon Manipulationsstufe drei. Indem das neue Mitglied von alten Kontakten abgespaltet und isoliert wird.
Folgt Stufe vier. Zerstörung der alten Identität, Persönlichkeit. Beliebtes Mittel dazu: Schlafentzug und Überarbeitung."

Ein Statement des Journalisten Hugo Stamm wird dann eingeblendet, der die in diesem Fall angewandte gewaltsame "Deprogrammierung" als einzig Möglichkeit bewertet.
 http://www.manfred-gebhard.de/Stamm.jpg
Diesem Votum würde ich mich außerhalb des Bereiches der Moonsekte, um die sich dieser Fall dreht, grundsätzlich n i c h t anschließen. Auch Stamm räumt ein, dass die "Deprogrammierung" unter anderem strafrechtlich mehr als bedenklich sei ...


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