Re: "Trost" 15. 4. 1946 (Vor sechzig Jahren)


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 17. April 2006 05:52:25:

Als Antwort auf: Re: "Wachtturm" 15. 4. 1946 (Vor sechzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 16. April 2006 07:38:34:

Gelegentlich wird von den Zeugen Jehovas Martin Niemöller zitiert. Dies aus dem Grunde, weil er sich über sie einmal positiv äußerte (beispielsweise im "Wachtturm" vom 1. 1. 1997 S. 32 und weiteren Belegstellen). Erläuternde Details werden zu Niemöller allerdings in der Regel nicht mitgeteilt. Es geht der WTG nur um die eine, isolierte Passage, wo er sich über die Zeugen Jehovas positiv äußerte.

Niemöller war wie viele andere seines "Standes" ursprünglich stramm "deutschnational". Er ist dann in eine Rolle hineingewachsen, die er so vielleicht gar nicht mal wollte. Er gehörte mit zu jenen Kirchenführern, die noch Anfang 1934 von Hitler empfangen wurden. Da allerdings zeigte sich schon, wozu das Hitlerregime fähig. Vor versammelter Mannschaft wurde er in aller Form desavouiert, indem Göring im Auftrag Hitlers ein abgehörtes Telefonat des Niemöller verlesen lies. Allein schon dieser Umstand, dass abgehörte Telefonate verlesen werden (unabhängig von ihrem Inhalt), zeigte denn allen Anwesenden - denen darauf das Herz in die Hose rutschte - wozu dieses Regime fähig. Niemöller wurde dann zunehmend der Sprecher der innerkirchlichen Opposition gegen das Hitler'sche Staatskirchentum im Form der sogenannt "Deutschen Christen". Und perspektivisch, wie viele andere Gegner des Naziregimes auch, in ein KZ verfrachtet.

Heute feiert auch die WTG Niemöller, weil er im Jahre 1946 die Zeugen Jehovas mal lobte. Das war eine Einzeläußerung, die er danach nicht mehr wiederholte. Sie bringt die Trauer darüber zum Ausdruck, dass es die "heile Welt" in der evangelischen Kirche nicht gab. Eine Detail-Auseinandersetzung, ob der Lobes-Gegenstand wirklich eine "echte Alternative" sei, erfolgte auch durch Niemöller nicht. Er zog es auch vor, sich seinem Lobesgegenstand keineswegs nunmehr anzuschließen. Das lag ihm auch weiterhin fern. So wie auch der Zeugen Jehovas-Lober Detlef G., sich nie den Zeugen Jehovas angeschlossen hat.

Heute ist Niemöller für die WTG nur in vorstehendem, begrenzten Umfang interessant. Es ist aber vielleicht doch der Erwähnung wert, dass es eine Zeit gab, wo man auch über Niemöller, in Zeugen Jehovas-Zeitschriften kritische Details lesen konnte. Und zwar im Jahre 1946.
In der "Trost"-Zeitschrift vom 15. 4. 1946 zitiert die WTG aus der schweizerischen Zeitschrift "Der Aufbau" vom 18. 1. 1946 eine Lesermeinung. "Trost" schreibt dazu:

Anlaß dazu (für den Leserbrief) gibt das Januarheft der 'Jungen Kirche', das unter der Rubrik 'Menschen von denen wir lernen', den Pastor Niemöller in Wort und Bild erscheinen läßt. Er sei es, von dem die evangelische Jugend der Schweiz Wertvolles zu lernen habe. Dazu schreibt der 'Aufbau':

'Was soll sie von ihm lernen? Nun, sie darf zum Beispiel von ihm lernen, wie man heutzutage einen robusten Nationalismus mit tiefsinnigem, lutherischen Christentum verbinden kann. Sie kann von Niemöller lernen, wie man in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in Deutschland berühmt werden konnte, wenn man ein Buch schrieb, das den kitschigen Titel trägt: 'Vom U-Boot zur Kanzel'. Wir alle können von ihm lernen, wie man bei den evangelischen Angelsachsen und Schweizern immer noch als Märtyrer verehrt werden kann, auch wenn man als Insasse eines Konzentrationslagers plötzlich den Hitlerkrieg bei der U-Boot-Waffe aktiv mitzumachen wünschte. Wir lernen tatsächlich von ihm, dass man sich manchen Widerspruch leisten darf, ohne deswegen beargwöhnt zu werden, wenn nur ein internationaler evangelischer Pressedienst stets beflissen ist, einem alles zum Guten auszulegen. In der Tat, die kirchliche Geschäftigkeit und der evangelische Personenkultus um Niemöller sind groß, das kann kein Mensch bestreiten.

Warum auch wird unter den Hunderttausenden, die in deutschen Konzentrationslagern unsäglich litten, gerade diesen Niemöller als einer der Allerwürdigsten gefeiert? Viele Geistliche beider Konfessionen starben in diesen Lagern. Die oft so verachteten Ernsten Bibelforscher benahmen sich dort würdevoll und heldenhaft, wie wir eben jetzt aus den Gerichtsverhandlungen von Nürnberg erfahren. Würde es uns einfallen, das wahre christliche Heldentum der Bibelforscher zu feiern? Lächerliche Frage! In einer Berichterstattung aus Nürnberg heißt es u. a.: 'Der Ankläger gab eine eidesstattliche Erklärung zu Protokoll, nach der sich bereits vor dem Kriege zu einem bestimmten Zeitpunkt hundertfünfzig Bibelforscher allein im Konzentrationslager Dachau befunden hätten, obwohl die Sekte nur klein war.'
Wir Kirchenchristen übersehen diese kleine Helden, denn wir müssen den einen großen Christen feiern, Pastor Niemöller, der nun die Schuld der deutschen Kirchen in rührender Weise anzuerkennen beginnt … Bedenken wir aber, dass Schuldbekenntnisse, die man in letzter Minute, wenn man sowieso keine andere Wahl mehr hat, abgibt, im Grunde nicht schwer wiegen. Der moderne Christ hat nämlich längst herausgefunden, dass er dann am besten fährt, wenn er als Pharisäer die Pose des Zöllners annimmt und weithin vernehmbar bekennt: "Gott sei mir Sünder gnädig." Diese Tatsache heißt uns vorsichtig werden bei plötzlichen Schuldbekenntnissen, denen eine übereifrige Presse sofort eine große Publizität gewährt…"
J. Tscharner. 'Der Aufbau', v. 18. Jan. 1946."

An diese Replik der WTG-Zeitschrift "Trost" möchte die heutige WTG nicht mehr erinnert werden. Sie braucht nur einen billigen Lobsänger a la G., und da passte Niemöller auch mal ins Konzept. Nachstehend noch der fragliche Lobgesang des Niemöller, an dem die heutige WTG sich nicht genug ergötzen kann.
http://www.manfred-gebhard.de/Niemoeller27.jpg
http://www.manfred-gebhard.de/Niemoeller28.jpg


ZurIndexseite