Der Predigtdienst einmal kritisch gesehen


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 12. April 2006 06:57:34:

„Wir klingelten in der 6. Etage eines Wohnblocks, ein hochgewachsener Mann, Mitte der Fünfzig vielleicht, öffnete die Tür: „Was wüschen Sie?"
Bruder L. trat einen Schritt auf ihn zu:
„Wir möchten Ihnen eine sehr wichtige Nachricht überbringen!
Haben Sie Zeit dafür?"
Der Bewohner hatte Zeit, warum auch nicht, denn er wußte ja nicht, welche Bedeutung diese Nachricht haben könnte. Also ließ er uns ein, und kaum auf Stühlen im Wohnzimmer sitzend, meinte Bruder L.: „Es geht darum, daß über der ganzen Welt und also auch über Ihnen eine drohende Vernichtung hängt. Wir sind gekommen, Ihnen einen Rettungsweg zu nennen!"
Dann spulte er mit wenigen Sätzen die Verkündigung des Königreiches, wie wir es in der Predigtdienstschule genug gepaukt hatten, herunter. Mir war das peinlich, zumal ich das noch nie erlebt hatte.

Der Wohnungsinhaber machte ein zunehmend abweisendes Gesicht und nach etwa 10 Minuten bat er uns zu gehen, da er an solchem Geschwätz nicht interessiert sei. Ich kann mich noch erinnern, daß er sagte: „Wer sich mit dem befassen will, was in der Bibel steht, der sollte sich vor Zuträgern wie ihnen hüten, denn mit Drohungen und irgendwelchen Auslegungen macht man die Menschen nicht besser!"
Mich hat das damals sehr getroffen!

Dieser kleine Erlebnisbericht eines Bruders, den ich vor einigen Monaten hörte, führte überhaupt erst zu dem Gedanken, etwas über die Werbemethode n der WTG und ihre psychologischen Praktiken zu schreiben. Wie oft habe ich in den letzten Jahren innerhalb der theokratischen Predigtdienstschule miterlebt, wenn Brüder und Schwestern für den Haus-zu-Haus-Dienst und für das Geben von Gelegenheitszeugnissen geschult werden. Situationen werden durchgespielt, alle Möglichkeiten, bei denen sich ergeben könnte, einen Menschen mit Jehovas guter Botschaft bekannt zu machen.

Da ist ein Kollege am Arbeitsplatz unzufrieden mit seiner Tätigkeit, ein anderer erzählt, daß er nicht genug Geld verdient. Im Bus sitzen zwei Frauen, die über die schlechte Disziplin der Schüler im Unterricht sprechen. In Wartezimmern unterhalten sich die Patienten oft über die Krankheit anderer oder über ihre eigenen Leiden. Überall bieten solche Situationen Ansatzpunkte, um über Jehovas großes Vorhaben mit der Welt und den Menschen zu sprechen Überall, wo Menschen zeitweilig unzufrieden sind, sich missverstanden fühlen, keinen Freund oder Bekannten haben, bei dem sie sich unterhalten und Rat holen können, setzen Jehovas Zeugen den psychologischen Hebel an. Es gibt wohl kaum eine alltägliche Gegebenheit, die nicht irgendwann einmal durchgespielt, geübt, für den Fall der Praxis einstudiert wird.

Jeder Mensch, der sich einsam fühlt, der durch einen Todesfall plötzlich allein steht oder durch einen Umzug in eine andere Stadt noch keinen neuen Freundeskreis fand, muß damit rechnen, von Jehovas Zeugen. angesprochen zu werden. Ich selbst erlebte, wie eine Schwester regelmäßig an den Sonntagvormittagen den Friedhof in Weimar aufsuchte, um dort alte Alleinstehende Besucherinnen anzusprechen, ihnen Aussicht auf Wiederauferweckung der Toten zu geben, ihnen Scheinhoffnung zu vermitteln.

Ein Außenstehender mag sagen: Es ist doch sehr anständig von Jehovas Zeugen, daß sie sich so um die Mitmenschen kümmern!
Ja, auf den ersten Blick erscheint es so. In Wahrheit sieht es anders aus, denn alle Werbung dieser Art soll nicht vordringlich den Menschen helfen, sondern soll der WTG neue Mitglieder einbringen. Um das möglichst erfolgreich zu schaffen, geht ein solcher Gelegenheitszeugnis-Geber demjenigen, den er anspricht, erst einmal entgegen, geht auf seine Sorgen ein, gewinnt sein Vertrauen.

Ist erst einmal ein allgemein menschlicher Kontakt gegeben, geht der Zeuge Jehovas allmählich zu allgemeinen Problemen der Menschen, des Landes über, bringt Beispiele über Kriegsdrohung, Hunger, Sittenverfall, ordnet so das kleine Problem des Einzelmenschen den weltweiten Problemen zu und - erreicht, daß jener einzelne sein Problem jetzt noch ernster und wichtiger nimmt, als es ist oder schon war. Der Angesprochene fühlt sich verstanden, jetzt nimmt der Zeuge Jehovas Anlauf und geht zu biblischen Begründungen für diese Probleme über, zeigt. daß es Aussichten auf Änderung, Besserung: Rettung gibt, argumentiert, vorsichtig aber gezielt.

Gut geschult, vermag er Interesse zu wecken. Und gut geschult ist er, denn sein Verhalten ist je nach der Person vorprogrammiert. Das einzige, was ihm freisteht, ist, wenn er die Gelegenheit wahrnimmt, Zeugnis zu geben oder nicht.
Derjenige, der so angesprochen wird, ahnt nicht, daß es vorrangig gar nicht um die Bibel geht, ahnt nicht, daß er ins Fahrwasser der WTG gelenkt werden soll. Es ist also nur scheinbar Nächstenliebe, um die es hier geht, denn diese Praktiken zeugen von Aufdringlichkeit, egoistischem Sendungsbewußtsein und Rücksichtslosigkeit.

„Haben wir das unseren Mitmenschen gegenüber nötig?" fragte jener Bruder. Sicher nicht. Es ist schlimm, wenn Verständnis und Hilfsbereitschaft als Vorwand für das psychologische Bedrängen und Beeinflussen verwendet werden. Noch schlimmer ist es, daß dieses Verständnis, diese Hilfsbereitschaft sofort erlöschen, wenn sich der Angesprochene als uninteressiert, als ablehnend erweist.

Dann droht plötzlich die totale Vernichtung, wird von Harmagedon und Jehovas Rache geradezu begeistert gesprochen wird also Angst verbreitet nach dem Motto:
„Willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein!"
CV 208


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