Re: Extertaler von der Wikipedia


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 30. März 2006 09:12:44:

Als Antwort auf: Re: Osch von der Wikipedia geschrieben von Drahbeck am 13. Januar 2006 09:14:10:

Ein Herr Extertaler von der Wikipedia meint in einem Detaillink (die sogenannte "Christliche Verantwortung" betreffend), jetzt noch eine "Ergänzung" Herrn Günther Pape betreffend vornehmen zu sollen.
Der fragliche Passus lautet in der Extertaler'schen Version nun wie folgt:

"'Spiritus rector' war Dieter Pape (IM 'Wilhelm'). Dieser war eng verbunden mit seinem Bruder Günter Pape, welcher als ausgeschlossener Jehovas Zeuge (in einem Prozeß wegen Betrugs verurteilt) bald darauf ein Werk schrieb, was in der BRD erschienen ist."

Sieht man von der Banalität mal ab, dass Pape - ausweislich seiner Buchtitel sich im Vornamen mit "th" schreibt, was Herrn Extertaler offenbar entgangen; so liegt doch wohl die Brisanz der Extertaler'schen Einfügung insbesondere in der Aussage:
"in einem Prozeß wegen Betrugs verurteilt".
Details dazu erfährt man bei Extertalter (Wikipedia) indes nicht. Ihm geht es offenbar um den "marktschreierischen" Effekt "wegen Betrugs verurteilt".

Wie ist nun die Sachlage. Hat G. Pape nie zu diesem Teil seiner Biographie Stellung genommen. Das wird man wohl kaum sagen können.
Nun sehe ich mich keineswegs als "Apologet" der Gebrüder Pape. Mit einem von Ihnen habe ich da auch so meine spezifischen Erfahrungen gesammelt.
Dennoch ist es meines Erachtens unfair, will man schon das Pape'sche Gerichtsverfahren aus den 1950er Jahren ansprechen, dies nur in der Kurzform zu tun, die den Beschuldigten selber dazu nicht zu Wort kommen lässt.

In der Sache sei es dem mündigen Leser selber überlassen, sich eine Meinung dazu zu bilden.
Nur eines sei dem mündigen Leser auch noch mitgeteilt (da Extertaler es ja nicht tut). Was der Beschuldigte Günther Pape selbst dazu ausgeführt hat. Nachstehend einige der diesbezüglichen, schon früher publizierten Aussagen.

In einer Studie von Andre Gursky etwa kann man lesen:
Angesichts der zunehmenden inneren Abkehr Günther Papes von den Lehren der WTG wäre es verständlich gewesen, dem bereits im Denken Abtrünnigen bei offenbaren praktischen Verfehlungen und dem Ablegen zweifelhafter oder gar falscher Zeugnisse die weitere Predigttätigkeit für die Zeugen Jehovas per Gemeinschaftsentzug zu untersagen. Der Bruch seitens der WTG erfolgte jedoch erst 1957, nach vorangegangenen Kontroversen innerhalb der Waldshuter Zeugen Jehovas insbesondere wegen Günther Pape. ...

Den Versammlungen in Waldshut blieb Pape schon seit 1956 fern und - von Mitgläubigen auf seine mangelnden Felddienstberichte (d. h. aktive Tätigkeit für die WTG) angesprochen - habe er sich so manche Ausrede einfallen lassen, berichtete er an Haensli.
Der Mangel an Felddienstberichten resultierte aber womöglich noch aus einer weiteren Tätigkeit, der Günther Pape zum damaligen Zeitpunkt nachging. Es handelte sich um ein im August 1956 in Oberlauchringen eröffnetes Informationsbüro, ordnungsgemäß angemeldet beim dortigen Bürgermeisteramt. Geschäftsführer des Büros war seinerzeit der Kaufmann Willi Hauser, auf dessen Geschäftstüchtigkeit und Kenntnisse Günther Pape annahm, sich verlassen zu können. Pape hoffte auch, im Rahmen einer gegründeten "Aktionsgemeinschaft" im Sinne der vielerorts bekundeten Zielstellung einer deutschen Wiedervereinigung tatkräftig wirken zu können und plante die Herausgabe einer Zeitschrift: "Wiedervereinigung".

Eine Reihe von Briefen erreichte bekannte Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft in der Bundesrepublik, deren Begeisterung sich für das Vorhaben "Deutsche Einheit", so Günther Pape, sehr in Grenzen hielt. Auch wurde sehr schnell deutlich, dass die genannte Zeitschrift eher unerwünscht sei. Eine Zahlungsunfähigkeit des Informationsbüros - sowohl offene Rechnungen für Sachartikel als auch ausstehende Gehälter für Mitarbeiter - führten schließlich zur Anklageerhebung gegen Günther Pape wegen wirtschaftlicher Schädigung diverser Firmen und wegen Betruges. Als Zeuge der Anklage trat u. a. auch Willi Hauser auf.

Per Mitteilung des Amtsgerichts wurde Günther Pape ohne Begründung die Übernahme der Kosten eines Anwaltes verweigert. Das Urteil: 9 Monate Haft wegen Betruges, zur Bewährung für drei Jahre ausgesetzt. Günther Pape nahm das Urteil an, ein schwerer Fehler, ohne Rechtsbeistand das Verfahren angehört zu haben, schrieb Pape später an Haensli.

Weiter heißt es in dem "Antwortbogen" an den Jesuiten-Pater: Es kam später jedoch zu einem erneuten Verfahren, denn Willi Hauser verklagte Günther Pape vor dem Arbeitsgericht auf noch ausstehende vermeintliche Gehaltszahlungen in Höhe von DM 1.200,00, ein Ende der fünfziger Jahre beträchtlicher Betrag.
Die einst gegen Günther Pape ergangene Entscheidung des Amtsgerichtes, zu der auch Hauser selbst mit beitrug, sollte sich nicht noch einmal wiederholen: Günther Pape wurde vor dem Arbeitsgericht von einem Anwalt vertreten. Hausers Forderungen wurden vom Gericht nach Vorlage von Beweisen meines Rechtsanwaltes, auch aus den Akten des Gerichts Waldshut abgelehnt, so Pape. Dieses habe nunmehr den ehemaligen Geschäftsführer als den Urheber des vom Amtsgericht bewerkstelligten Fiaskos erkannt. Hierzu müßten Sie ein Schreiben meines Anwaltes haben, erinnerte er Haensli in derselben Mitteilung.

Die geschilderten Vorgänge (wiederum keine ausgewiesenen religiösen Lehrstreitigkeiten!) sollten 1957 dazu führen, den bereits unliebsamen Zeugen Jehovas Günther Pape aus der Gemeinschaft auszuschließen. Bis Sommer 1958 arbeitete der Abtrünnige vorübergehend in der Stuhl- und Tischfabrik Klingenau AG (Materiallager), später als Angestellter und Vertreter in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen. Die Zeugen Jehovas verlor Günther Pape nach der Zeit des Gemeinschaftsentzuges jedoch nicht aus den Augen, auch kehrte er nicht - wie sein Bruder Dieter in der DDR - Gott den Rücken."
Soweit der bei Gursky nachlesbare Part.

In einer im Internet veröffentlichten direkten Stellungnahme des Günther Pape (zuerst auf der Webseite von kids e.V. veröffentlicht) nahm selbiger auch noch wie folgt Stellung:

"Seit 1954 arbeitete ich bei der Fa. Brown Boveri in Baden/Schweiz im Kabellager als Schreiber. In der Abteilung war ein etwa 20 Jahre älterer ebenfalls deutscher Mitarbeiter, (kein Zeuge Jehovas ). Im Sommer 1955 nach dem Kongress in Nürnberg begann für uns wegen grundsätzlichen Lehränderungen die entscheidende Krise. Die grundsätzliche Frage war: "Kann von Gott gegebene Wahrheit, durch neue Wachtturm-Erkenntnis zur Teufelslehre werden oder ist diese ‚Wachtturm- Erkenntnis', ob neue oder alte Wahrheit nur menschliches Wunschdenken und hat mit gottgegeben nichts zu tun?"
Meine Mutter, hauptamtlich Sonderpionierin der Zeugen angesprochen, reagierte fanatisch mit Vorwürfen und Anschuldigungen. Die anderen Brüder verlangten absoluten Gehorsam gegenüber der "Organisation" und bei allem Zweifel sollten wir uns die Treue unseres Vaters zum Vorbild nehmen, der für die "Wahrheit" im KZ gestorben ist. Mein Bruder der um der "Wahrheit" willen in kommunistischer Haft war, wurde mir ebenfalls als verpflichtendes Vorbild vorgehalten, ich aber der widerspenstigen Rebellion bezichtigt.

Der deutsche Mitarbeiter im Betrieb, Wilhelm Hauser, - kein Zeuge Jehovas, - sein Vater Grosshandelskaufmann in Waldshut, spürte mein Bedrücktsein, meine Unsicherheit und wir kamen darüber in Gespräche. Er wurde für mich, meine Frau benannte es so, "der Hauser ist dir ein Vaterersatz", womit sie sicher nicht unrecht hatte, ein scheinbar verständiger Vertrauter.

Im Frühjahr 1956 sprach er davon einen eigenen Verlag für eine neue Zeitschrift zu gründen, die sich mit der Einheit Deutschlands befassen sollte. Er bot mir die Mitarbeit als Redakteur an. Hauser legte mir Briefe vor, die er an führende Politiker geschrieben hatte und die darauf positiv antworteten. - Ich erinnere mich z. B. noch an Thomas Dehler. -

Hauser bat mich einige Artikel zu schreiben, an deren Inhalt oder Thematik ich mich nicht mehr erinnere. Schreiben konnte ich, was aber die Arbeit eines Redakteurs bedeutet, erfordert, resp. beinhaltet, war mir nicht bekannt. Schliesslich bat er mich in die Fa. einzutreten. Trotz des Widerstandes meiner Frau, brachte ich meine Schreibmaschine und meinen PKW Mercedes 170 S in die Fa. als Beteiligung ein. Bis zum Sommer hatte ich in unserer Wohnung geschrieben. Nun hatte Hauser bei einem ihm gut bekannten Hotelier in dessen leerstehendem Hinterhaus Räume gemietet, eingerichtet und ein Büro mit einer Angestellten und seiner geschiedenen Frau als Sekretärin eröffnet. Für mich war ein Zimmer reserviert. Weder mit der Anmietung und Einrichtung der Räume, der Einstellung der Angestellten und seiner Frau hatte ich etwas zu tun.

Wenige Wochen später wurde ich von der Polizei festgenommen und beschuldigt eine betrügerische Fa. betrieben zu haben. Ich glaubte an einen Irrtum und war erschüttert als mir Hauser gegenübergestellt wurde und erklärte, dass ich der Gründer und verantwortliche Inhaber sei. Seine Frau behauptete dies ebenfalls. Die Angestellte und die Geschäftsleute bei denen Hauser für das Büro eingekauft hatte bestätigten, dass sie nur mit ihm gesprochen und gehandelt hätten, er aber behauptete, in meinem Namen zu handeln.

Für den Prozess wurde mir ein Anwalt verweigert, weil die Sachlage so offensichtlich sei. Das Urteil lautete 9 Monate auf Bewährung. Ich war so hilflos, verzweifelt und innerlich zerrissen, dass ich garnicht richtig wahrnahm, was um mich herum geschah. Mein Wagen wurde als Entschädigung für Verluste der Geschäftsleute eingezogen. Meine Zeugen-Brüder, mit denen ich durch meine geäusserten Zweifel Schwierigkeiten hatte, nahmen die Gelegenheit wahr und beschuldigten mich auch in der Versammlung unehrlich gewesen zu sein. Meine Mutter beschuldigte mich des Verrats und "Jehovas heilige Organisation" in Unehre gebracht und ihrem Ansehen geschadet zu haben und erklärte, mich nicht mehr als Sohn ansehen zu können weil ich Schmach auf den Namen Jehovas gebracht hätte. Jeder Versuch einer Klärung oder Erklärung wurde nur als Ausrede bezeichnet und man verlangte, ich solle bereuen, dann könne man nach einer Zeit der Bewährung vielleicht vergeben.

Wochen später erhoben Hauser, seine Frau und die Angestellte vor dem Arbeitsgericht Waldshut Klage gegen mich auf Forderung einer Gehaltszahlung für ihre Arbeit. Rechtsanwalt Behsenfelder, Waldshut, Kaiserstrasse übernahm meine Verteidigung. Hier wurden die Verantwortungen klargestellt und alle Klagen abgewiesen, da der "spiritus rektor", eindeutig Herr Hauser sei und wenn schon Forderungen gestellt werden müssen, sie gegen ihn zu erheben seien. Für mich war dies hier ein Freispruch. Aufgrund dessen wurde im April 1957 ein neues Verfahren auf Anordnung der Wachtturm-Gesellschaft Wiesbaden angeordnet, welches dann am 5.Mai durchgeführt wurde.

Hier ging es dann nicht mehr um das Urteil des Amtsgerichtes Waldshut sondern darum, dass ich gegen die "Wahrheit von Jehovas Organisation" verstossen hätte und auch andere Brüder in meine Rebellion hineingezogen hätte. Ja, es ging in der Anklage so weit, dass ein Mitglied der Waldshuter Zeugen, Max Rübesam, Sonderpionier, mich beschuldigte ihn nachts auf der Heimfahrt von seinem Pionierdienst angegriffen zu haben, so dass er mit seinem Moped in den Graben gefahren sei und sich dabei verletzte. Die Wahrheit war, wie die Polizei feststellte, dass er betrunken die Kontrolle über sein Moped verloren hatte.

In dieser Zeit stand meine Frau fest zu mir, weil sie ja die Dinge miterlebte und kannte. Was ohne sie und die Kinder gewesen wäre, ich weiss es nicht."


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