Bruder B.


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von D. am 26. Januar 2006 04:41:27:

Als Antwort auf: Der Kreisaufseher geschrieben von D. am 25. Januar 2006 05:12:26:

„Bruder B. war einer von denen, die es sehr belastete. Er kämpfte sicher sehr lange mit sich, doch eines Tages sprach er offen von der Bühne darüber. Er sagte, daß immer gelehrt worden war, 1975 käme das Ende. Er gab zu, das selber auch gelehrt zu haben, aber es hätte sich als falsch erwiesen. Dafür wolle er sich in aller Öffentlichkeit entschuldigen. Endlich war ein Mann ehrlich genug, dies zuzugeben, und er hatte den Mut, es öffentlich zu sagen.

Für mich war das eine Wohltat. Doch in der Versammlung schlug es ein wie eine Bombe. Es wurde heftig darüber diskutiert. Die einen fanden es als ehrliches Bekenntnis, andere aber, die sich durch all die fadenscheinigen Ausreden einlullen hatten lassen, fühlten sich in ihrem Trott gestört. Die anderen Ältesten, die zu feige waren, den Irrtum zuzugeben, fanden es als unerhörte Entgleisung, einen Angriff auf die Organisation, einen Akt der Untreue und des Aufruhrs.

Ein Bruder bat Bruder B. um ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen, von dem niemand etwas erfahren sollte. Er fragte ihn um seine persönliche Meinung zu verschiedenen Dingen. Nach diesem Gespräch schrieb er einen umfangreichen Brief an das Zweigbüro, in dem er alles ausführlich berichtete, was ihm nicht gut vorkam. Bruder B. genoß in der Versammlung großes Ansehen. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, die Versammlung zu spalten, wenn er mit den Brüdern über seine Ansichten geredet hätte. Aber er zog sich mit seiner Familie zurück und nahm auch keine Einladungen mehr an. Er pflegte keinerlei privaten Kontakt mehr mit den Brüdern, um niemanden mitzuziehen.

Er entschloß sich, sein Amt als Ältester zurückzulegen. Seinen Entschluß übermittelte er in einem Brief, den er meinem Mann gab, damit dieser ihn den anderen Ältesten gab.
Als mein Mann diesen Entschluß den Ältesten mitteilte, war die einzige Reaktion: »Gott sei Dank, dann haben wir nun ein Problem weniger«. Mein Mann war über diese Reaktion sehr betroffen. Da hatte dieser Bruder all die Jahre alles für die Versammlung eingesetzt, und nun, wo er in Schwierigkeiten war, war das die einzige Reaktion. Man ließ ihn einfach fallen, ja man war offensichtlich recht froh, ihn los zu haben. Mein Mann hätte am liebsten auf der Stelle ebenfalls sein Amt zurückgelegt. Doch er wartete noch zu, um nicht den Eindruck zu erwecken, Bruder B. hätte ihn diesbezüglich beeinflußt. …

Vielen tat es leid, daß Bruder B. zurückgetreten war, aber niemand hatte den Mut, offen dazu Stellung zu nehmen. Es wurde auch intern sehr viel Stimmung gegen Bruder B. gemacht. Die Reaktion eines Ältesten, der recht eng mit ihm befreundet war, zeigt deutlich, wie viel diese Freundschaften wert waren. Ich sagte diesem Ältesten, ich könne nicht verstehen, daß auch er Bruder B. fallenließ wie eine heiße Kartoffel und jetzt gegen ihn intervenierte. Ich sagte: »Du bist doch sein Freund«. Doch er gab mir zur Antwort, »in der Wahrheit gibt es keinen Freund«. So also sahen diese Freundschaften tatsächlich aus.
Gelesen in dem Buch von Barbara Waß „Leben in der Wahrheit. 12 Jahre Zeugin Jehovas"


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