Der Kreisaufseher


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von D. am 25. Januar 2006 05:12:26:

Als Antwort auf: Auch das gibt es! geschrieben von D. am 24. Januar 2006 05:45:10:

„Der Kreisaufseher ist in der Woche, in der er da ist, »Gast« der Versammlung. Er wohnt unentgeltlich bei Brüdern und wird reihum zum Essen eingeladen. Es gilt als »Vorrecht«, ihn und seine Frau als Gast begrüßen zu dürfen.
Das erste, was der Kreisaufseher in der Versammlung macht, ist, alle Unterlagen durchsehen, damit er dann, wenn er mit den Ältesten zusammenkommt, alles besprechen kann. Er hält auch einen Vortrag und einige kürzere Ansprachen. Am Ende der Woche verfaßt er einen Bericht, den er an das Zweigbüro weitergibt. Falls er feststellen sollte, daß die »Ältestenschaft die Verantwortung vernachlässigt«, dann wird das Zweigbüro andere Älteste schicken, um die Lage zu prüfen und dem Zweig einen Bericht zu geben. Der Kreisaufseher ist auch für die Kreiskongresse zuständig. Ende des Monats geben er und seine Frau einen Bericht über ihre Arbeit und ihre Ausgaben, falls diese nicht von den Versammlungen gedeckt werden, ans Zweigbüro weiter. In der Regel bekommt der Kreisaufseher von der Versammlung Kilometergeld. Für Autoversicherung, Reifen, Reparaturen u.s.w. kommt meist der Kreis auf. … In den Versammlungen gibt es auch immer wieder Brüder, die den Kreisaufseher finanziell unterstützen.

Das Problem an der ganzen Sache ist, daß diese Kreisaufseher meist kaum eine Ahnung haben, was es heißt, wirklich im Leben zu stehen, zu arbeiten, eine Familie zu versorgen und zusätzlich noch zu predigen. Sie selber sind ja versorgt und sind zum Teil schon lange nicht mehr, oder sogar überhaupt noch nie einer »richtigen« Arbeit nachgegangen. Andererseits ist es natürlich auch nicht immer angenehm, jede Woche woanders zu wohnen, jeden Tag woanders zu essen und immer nur herumzureisen. Den wirklichen Alltag in den Versammlungen lernen sie aber doch nicht kennen, denn in dieser Woche strengt sich jeder besonders an, um möglichst an allen Vorkehrungen teilzuhaben. Es wird auch sehr ausdrücklich dazu ermuntert und aufgerufen, die entsprechende »Wertschätzung« für diesen Besuch aufzubringen und alles zu unterstützen.

Die Kreisaufseher werden alle zwei Jahre gewechselt. In unserem Haus haben Jahre hindurch die verschiedenen Kreisaufseher gewohnt, wenn sie in unserer Versammlung waren. So hatten wir Gelegenheit, den einen oder anderen besser kennenzulernen. Nur ein einziger von ihnen aber hat sich die Mühe gemacht, uns einmal zu besuchen und mit uns zu sprechen, als die ersten Probleme auftauchten. Dabei muß ich sagen, daß wir uns mit allen gut verstanden haben. Sie sind jedoch besonders in dieses System eingebunden, sie sind ja auch voll davon abhängig. Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten, so wird das nur mit den Ältesten besprochen, und es zählt allein, was sie sagen. …

Die andere Seite ist allerdings, daß all diese Leute keinerlei soziale Sicherheit haben, wenn sie aus Krankheitsgründen die geforderte Leistung nicht mehr erbringen können und aus diesem Dienst ausscheiden müssen. Es gibt auch keine Altersversorgung. Sie arbeiten halt solange sie können, auch wenn sie schon längst das Pensionsalter erreicht haben. Manche von ihnen zahlen sich selbst eine Krankenversicherung oder bekommen sie von einem anderen Bruder oder Verwandten bezahlt. Die Organisation tut in dieser Beziehung nichts. Im Gegenteil, als ein Bruder einmal die Anregung machte, die Gesellschaft solle für diese Leute eine Versicherung bezahlen, wurden die Ältesten bei einer Schulung vor diesem Bruder mit seinen Ideen gewarnt. Ein Zeuge Jehovas muß Vertrauen haben, daß Jehova schon irgendwie für ihn sorgen wird. Damit hat die Gesellschaft mit einem Minimum an Ausgaben ein Maximum von Leistung und Nutzen. Oft fallen aber solche Leute dann dem öffentlichen Sozialsystem zur Last, obwohl sie nie etwas eingezahlt.

(Redaktionelle Ergänzung:
Theoretisch führt jetzt die WTG in solchen Fällen eine „Nachversicherung" durch. Über die „Höhe" der dem Berechtigten dadurch zufließenden Ansprüche sollen dem Vernehmen nach sich sogar „Mäuse schon die Augen ausgeweint haben") .
Gelesen in dem Buch von Barbara Waß „Leben in der Wahrheit. 12 Jahre Zeugin Jehovas"


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