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Geschrieben von Drahbeck am 25. November 2005 06:47:12: Horst Knaut interviewt den Stadtdiener (Aufseher) vom München 'Eine Frage, Herr Knöller, sind Sie auch ein Gesalbter?' Es gebe doch aber leitende Mitbrüder, sage ich zu Herrn Knöller, die sich zur kleinen
Herde der Gesalbten zählen würden. Könne man sich denn einfach selbst zu dieser kleinen
Schar zählen, frage ich. Diese Zufriedenheit paßt zu Helmut Knöller, obwohl er eigentlich auch zu jener
Privilegiertenschar gehört, die das 'gewisse Gefühl' schon erfahren hat, dies auch
kundtut und sich auf überirdische Aufgaben präpariert. Diese Erklärung gab er ab. Der Oberstfeldmeister der RAD-Abteilung hörte sie sich
auch an und sagte nur: 'Komm, Junge, geh erst mal schlafen. Morgen reden wir noch einmal.' Nach seiner Befreiung 1945 durch die US-Truppen suchte Knöller sofort Kontakt mit seinen Jehova-Brüdern in Deutschland. Bei der westlichen Zentrale in Wiesbaden-Dotzheim übernahm er gleich die Tätigkeit eines Vollzeitpredigers mit einer Vergütung von 150 Reichsmark im Monat. Mit 150 Reichsmark und einem kleinen Spesenfonds zog er auch bald als reisender Prediger von Versammlung zu Versammlung und wirkte am Wiederaufbau der theokratischen Organisation mit. Zehn Jahre hindurch war er so in einem unermüdlichen und strapaziösen Einsatz, in dem man keine Freizeit und keine Entspannung kennt. Der Missionsdienst der 'Zeugen Jehovas' ist in bezug auf körperliche und seelische Leistungen einzigartig und steht an der Spitze aller sonstigen religiösen Missionsdienste. Nach der überstandenen KZ-Haft und einem zehnjährigen Vollzeitmissionsdienst machten sich bei ihm erste gesundheitliche Störungen bemerkbar, so daß er beschloß, in etwas langsameren Schritten für die 'Zeugen Jehovas' tätig zu sein. In München übernahm er 1955 eine Büroarbeit als Buchhalter in einer Firma und für seine Wachtturm-Gesellschaft die Funktion eines Stadtaufsehers für die bayerische Landeshauptstadt. Der Dienst des Stadtaufsehers ist eine Sonderaufgabe: Knöller bereitet Kongresse und Tagungen der 'Zeugen Jehovas' vor und steht für Sonderaufgaben zur Verfügung. Selbstverständlich gehört er daneben auch einer örtlichen Versammlung an, in der er als einer der Ältesten wirkt. Und selbstverständlich hat er auch seinen Predigerbezirk. Dafür bekommt er von der Wachtturm-Gesellschaft in Wiesbaden-Dotzheim nun keine Vergütung mehr, denn er steht ja nicht mehr im Vollzeitdienst. Diese Vergütung wäre auch heute immer noch äußerst minimal. Die Sätze für die Vollzeitdiener, das sind Kreisdiener, Bezirksdiener und sogenannte Sonderpioniere, sind kaum angehoben worden. Mit weniger als 300 DM müssen diese Vollzeitmissionare im Monat zurechtkommen. Wie sie das schaffen, wie sie ihre Mieten zahlen und ihr Essen, das ist vielen ein Rätsel. Die 'Zeugen Jehovas' in den einzelnen Versammlungen, die sie aufsuchen, helfen ihnen
dabei, indem sie sie zum Essen einladen und ihnen Übernachtungsmöglichkeiten anbieten.
'Die Brüder und Schwestern in Wiesbaden bekommen noch weniger. Die haben nur etwa
fünfzig Mark im Monat', sagt Knöller. 'Es gibt wirklich keine Unterschiede in der Hierarchie Ihrer großen Organisation?' Für mich ist er der erste 'Zeuge Jehovas', den ich treffe, der mir auf klare Fragen
auch relativ klare Antworten geben kann. Und das macht ihn mir beinahe sympathisch. Er
schwafelt nicht um einfachste Fragen gleich immer kompliziert herum. Knöller erzählt mir, wie er 1944 mit einem älteren 'Zeugen Jehovas' aus Sachsen im Konzentrationslager gesessen hatte. Der Glaubensbruder und dessen Familie waren getrennt inhaftiert worden. Er hatte aber herausbekommen, daß seine Tochter Liselotte im Gefängnis Stadelheim in Schutzhaft saß, und über geheime Kuriere war es möglich gewesen, der Tochter ab und zu Kassibergrüße zu schicken. Einmal hatte auch Knöller einen Gruß mit hinzugeschrieben. Gleich nach dem Krieg hat er Liselotte dann persönlich kennengelernt und geheiratet. Ein tragisch-glückliches Leben zweier junger Leute nahm seinen Anfang. War es bis
heute tragisch? War es glücklich? Es kommt auf den Blickwinkel an, aus dem man es
betrachtet. Außenstehende sollten darüber nicht urteilen. Die Betroffenen sagen: Ja,
unser Leben war bis heute glücklich und erfüllt, denn es wurde auf dem wahren Wort
Gottes aufgebaut. Einen langen Nachmittag sitze ich bei Helmut Knöller an dem Tisch mit der Wachstuchdecke. Knöller läßt sich Zeit für meine Fragen, aber ich weiß, daß er jetzt eigentlich Hausbesuche machen müßte. Nun wird er morgen nachmittag die versäumte Mission von heute mit aufarbeiten. Ich frage ihn schließlich noch etwas, was die Lehre der 'Zeugen Jehovas' direkt
angeht. Ich möchte wissen, ob es Berufsgruppen gibt, die einmal keine Chance haben
werden, in das Tausendjährige Reich zu kommen. 'Und welche Berufe sind das?', frage ich. Zum Schluß möchte ich noch wissen, ob sich der 'Zeuge Jehovas' Helmut Knöller
eigentlich selbst als einen Sektierer betrachtet. 'Nein', sagt er, 'diese Bezeichnung tut
mir auch weiter gar nicht weh.' 'Nur zwei?'
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