Re: 1914-Soldaten-unter-Kreuz-und-Krone


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 12. November 2005 17:32:35:

Als Antwort auf: Re: 1914-Soldaten-unter-Kreuz-und-Krone geschrieben von Drahbeck am 12. November 2005 14:43:38:

Briefliches von unserer Brüderschaft im Felde:
Karpathen, 4. Mai 1915
Im Herrn geliebter Bruder ... Wie oft war es schon mein Wille, Dir mitzuteilen, wie es mir im Felde ergeht, aber immer war die Zeit sehr bemessen, besonders in den letzten Wochen. Ich war mit in Frankreich und hatte mir 'Bibelforscher' (Einfügung eine damalige Flugschrift) in französischem Druck senden lassen. Habe diese gelegentlich dort verteilt, und mit großer Freude wurden sie entgegengenommen. Zuerst waren die Leute sehr erstaunt, daß ein preußischer Soldat ihnen die Blätter darreichte. Aber als ich einige Worte mit ihnen redete, und sie mich verstanden und gelesen hatten, was die Schriften bedeuteten, wurden diese mit Freuden entgegengenommen, und manche wollten sie sogar bezahlen, was ich aber ablehnte ... Alle waren vor Freude erfüllt, dieser eine, der sich besonders freute, lud mich ein, ihn bald wieder zu besuchen. Wie gerne wäre ich nochmal hingegangen, aber am anderen Tage wurde uns durch unsern Herrn Rittmeister die Stadt verboten. Wir rückten bald ab und beim Marschieren durch die Stadt konnten wir uns nochmals begrüßen ... Jetzt sind wir wieder 30 Kilometer vorgerückt, es hat hier eine große Schlacht stattgefunden, ich danke meinem Gott, daß ich nicht daran teilnehmen brauchte. Eine große Anzahl Russen ist gefangen genommen worden, ein Jammerbild zeigte sich, als diese Gefangenen hier durchgeführt wurden. (Die Schlacht ist noch nicht zu Ende). 6000 wurden hier durchgeführt. O welch ein Jammer! Man sah von allen Seiten zusammengelaufene verwundete Flüchtlinge, Wagen mit Frauen und Kindern, Männer, die Kühe vor sich her treiben. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Ich denke oft an den zweiten Psalm. Und bei all dem hat alles, wie wir wissen, erst seinen Anfang. Ja Gott sei Dank, daß diese Tage verkürzt werden.

Unter unsern Truppen habe ich schon viele 'Bibelforscher' verteilt. Gott möge seinen Segen dazu geben. Gestern, den 6. Mai, waren wir wieder an unserem neuen Bestimmungsort angelangt, ich war aber sehr abgespannt, mithin konnte ich erst heute meinen Bericht beenden. Wir kamen auf unserem Marsch über ein Schlachtfeld. Ich mußte bei dem traurigen Anblick an viele Verheißungen denken und dem himmlischen Vater danken, daß ich nicht dabei zu sein brauche. Was für Jammer und Elend hat doch die Sünde in die Welt gebracht, aber welch eine Segnung steht der Menschheit auch bevor! Alles sehnt sich nach Frieden, und wir werden alle aufjauchzen, wenn Micha 4:1, 5 und Jes. 2:4 sich erfüllt.

Oft hört man sagen, weshalb ist dieser Krieg? Ich danke Euch herzlich für den Wachtturm, den ich gestern erhielt. ...
Nun sei der Gnade des Herrn befohlen. In herzlicher Liebe gedenke ich der ganzen Bibelhausfamilie und besonders Deiner fürbittend vor dem Herrn, und verbleibe Euer Euch treuliebender Bruder
Wilh. Hildebrandt

Charlottenburg (Lazarett), 3. Juni 1915
Liebe Geschwister in Christo!
Eure liebe Briefsendung mit der Schrift 'An die Brüder im Felde' habe ich erhalten und sage herzlichen Dank für die aufmunternden Worte, mit denen wir wieder bedacht worden sind. Wie hat es gewiß in aller Herzen eine Freude hervorgerufen, aufs neue erfahren zu dürfen, daß unser so in Liebe gedacht wird. Wie oft hat uns manches Wort der lieben Geschwister aufzurichten und zu trösten vermocht, zumal wir durch den Krieg vielen Prüfungen und Versuchungen ausgesetzt sind. Aber nicht nur wir, die wir durch den Krieg aus dem Kreise der lieben Geschwister herausgerissen worden sind, auch Ihr, die Ihr zu Hause geblieben seid, habt ebenfalls Prüfungen zu bestehen. Doch wird alles zugelassen, damit wir von den letzten Schlacken befreit werden, und mehr und mehr das Bild unseres Erlösers erlangen möchten. O liebe Geschwister, so wollen wir denn stille halten in dem Schmelztigel unseres Vaters, sollte es uns auch schmerzen und wehe tun, so geschieht ja alles nur zu unsrem ewigen Heile. Ich schrieb Euch schon vor einiger Zeit, wie ich die Liebe und Gnade meines himmlischen Vaters erfahren durfte, als ich mich in den vordersten Reihen befand. Wieviel darf ich jetzt seine Gnade rühmen, wo ich schon bald 4 Monate seit meiner Verwundung im Lazarett bin. Ja täglich erfahre ich seine Hilfe, Gnade und treue, zumal ich so reichlich an Seele und Leib versorgt werde, und sei an dieser Stelle nächst Gott den lieben Berliner Geschwistern Dank für ihre Anteilnahme an meinem Zustande, für all das Gute, womit sie mir den Aufenthalt hier im Lazarett so leicht und angenehm gemacht haben. Der Herr wird's sicherlich lohnen. Liebe Geschwister, meine größte Freude ist es, zu sehen, wie sich vor unsern Augen alles so herrlich nach Gottes Wort erfüllt, und unser Glaube durch geduldiges Ausharren reichlich belohnt wird. Erfüllt sich unser Herz auch oft noch mit Wehmut, indem wir sehen müssen, wie die Menschheit noch durch viele Tränen und Leiden hindurch muß, so freuen wir uns doch, wenn wir die Zeit betrachten, in der sie wieder nach Gott fragen wird, und wir Helfer der Aufrichtung sein dürfen. So will auch ich mich bemühen ...
Liebe Geschwister, unser Gebet für jetzt und die Zukunft soll bleiben: 'Herr bleibe bei uns!' Ich verbleibe nun unter vielen Grüßen an die liebe Bibelhausfamilie, unter herzlichem Gedenken an die ganze Versammlung, Euer geringerer Bruder
Heinrich Rothenstein aus Barmen

Aus dem Felde, 29. Mai 1915.
Geliebte Geschwister im Bibelhause!
Mit großer Freude erhielt ich Euer zweites Schreiben 'An die Brüder im Felde' und sage ich Euch vielen Dank, auch für das erste Schreiben. ...
Obwohl ich auch jetzt in dieser Kriegszeit besonders erfahren mußte, welch eine Macht unser altes Fleisch ausübt, durfte ich doch wiederum in noch viel größerem Maße erfahren, wie lieb mich der Herr hat. Schon die Tatsache, nach fast 10monatiger Kriegszeit noch gesund und wohlbehalten zu sein, berechtigt zu großem Danke, und das Bewußtsein, in allen Lagen sicher geborgen zu sein in den Vaterarmen Jehovas, treibt mich zur Anbetung. Wie kann man auch jetzt das hohepriesterliche Gebet unseres großen Meisters in Joh. 17 verstehen. Es ist dem Satan nicht möglich, jetzt in der Zeit des Endes, wo er alles verführt, die Auserwählten des Herrn abzubringen von ihrem großen Meister. Derselbe hat, wie für einen Petrus, so auch für uns gebetet, daß unser Glaube nicht aufhöre. Durch das Teilnehmen an diesem schrecklichen Kriege, welchen wir uns wohl etwas anders dachten, will uns, gleich einem Jona, das Murren oder Zweifeln überkommen über die schrecklichen stechenden 'Strahlen' dieses Krieges. Da muß auch uns der himmlische Vater zurufen: 'Ist es billig, daß du zürnest?' (Jona 4). Ist doch jetzt die Zeit des großen Gerichtes, welches über die gegenwärtige arge Welt hereinbricht, und anfangen muß am Hause Gottes. So wollen wir uns darum nicht entmutigen lassen, sondern uns freuen, daß wir gewürdigt sind, Anteil haben zu können an den Leiden des Hauptes ...
Und wie schon erwähntet, auch diese Schrecken des Krieges müssen uns zubereiten zu dem großen, herrlichen Dienste, den wir an der Welt im Millenium zu tun haben. ...
Gott mit uns, bis wir uns wiedersehen. Mit den herzlichsten Grüßen aus weiter Ferne, an alle lieben Geschwister verbleibe ich Euer geringer Bruder im Herrn
Martin Modes.

Aus dem Felde, den 30. Mai 1915
Geliebte Geschwister in Christo!
Gnade und Friede von Gott unserm Vater, und die Liebe unseres Herrn Jesu Christi, sowie die Gemeinschaft seiner heiligen Gesinnung sei mit Euch allen!
Durch die Gnade unseres lieben himmlischen Vaters gelangte ich gestern Abend im Schützengraben in den Besitz Eures lieben Briefes. Ich danke Euch recht herzlich dafür. Auch heißen Dank für die Juni-Nummer des Wachtturm, den ich ja immer bei Monatsschluß mit Heißhunger erwarte.

Dem lieben himmlischen Vater hat es wohlgefallen, einige seiner Kinder unter das Getöse der Kriegswirren zu stellen, was ich auch von mir sagen muß....
an dem lieben Pfingstage wollte der Herr, daß ich die Stunden im Schützengraben zubrachte. Ich gedachte so recht der schönen Stunden, welche meine lieben Geschwister in Dresden im Verein mit dem Herrn verbringen würden, und der Gedanke stieg in mir auf, es sei vielleicht eine Strafe für mich, daß ich gerade so einsam um diese Zeit sein mußte. ...
Ich sagte mir: du mußt nun dankbar sein und freudig den Kelch trinken wollen. ...
Legte ich mir die Frage vor: 'Wie trägst du dein Kreuz auch in den schwersten Drangsalstagen?' stets will ich mir zurufen: 'Du darfst dein Kreuz nicht schleppen lassen, du mußt es tragen und zwar mit Geduld!' Auch will ich mich der Worte des Heilandes erinnern: 'Wer ausharrt bis ans Ende, der wird errettet werden.
mit Psalm 95, 1-7 grüßt Euch in der Liebe Christi und in einer Hoffnung verbunden Euer geringer Bruder im Herrn
Walter Hudle
...

Saarburg (Lazarett), den 1. Juni 1915
Im Herrn geliebte Geschwister!
Den Frieden Gottes als Gruß zuvor. Gestern erhielt ich Euren 'an die Brüder im Felde' gerichteten Brief, welcher mir viel Trost und Aufmunterung brachte, mich aber auch zugleich an meine Nachlässigkeit erinnerte. Schon lange hatte ich mir vorgenommen, Euch lieben Geschwistern wieder einmal ausführlicher zu schreiben, aber immer wurde ich durch so mancherlei Umstände davon abgehalten. Wir Ihr nun aus diesem Brief ersehen könnt, befinde ich mich gegenwärtig im Reservelazarett und zwar zum Zwecke einer längeren Erholung meiner Körper und auch Nervenkräfte. Die Erschöpfung der letzteren sind wohl zum großen Teil mit die Ursache, daß ich so wenig schreibe, denn es fällt mir immer sehr schwer, meine Nervenkräfte auf einen Gegenstand zu konzentrieren, der einiges Denken erfordert. Ja Ihr lieben Geschwister, es ist so wie Ihr in Eurem Briefe schreibt, nämlich, daß uns das Schauen der Schrecken des Krieges mit eigenen Augen so recht tiefes Mitgefühl empfinden läßt und die Sehnsucht in uns vermehrt, daß die von Gott verheißene Befreiung der seufzenden Schöpfung von dem gegenwärtigen Fluche des Verderbens, sowie auch unseres eigenen Leibes Erlösung bald kommen möge. Ich kann darum meinem lieben Gott und himmlischen Vater nicht genug dankbar sein für die mancherlei Belehrungen durch praktische Erfahrungen, um die er mich während meines nunmehr 1/4jährigen Aufenthaltes hier draußen im Felde bereichert hat ...

Liebe Geschwister, wir wollen nun weiter den Mut nicht verlieren und Vertrauen haben zu Gott und Seinen herrlichen Verheißungen an Kirche und Welt, dann wird auch auf die traurigen Erlebnisse der Jetztzeit, der 'Nacht des Weinens, dasjenige des 'Morgens der Freude' folgen.
In dieser Hoffnung und unter vielen Grüßen verbleibe ich Euer ger. Mitp(ilger) nach Zion
Herm. Crämer

Gelesen im „Wachtturm“ Juli 1915 S. 110 - 112


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