RGG


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 17. Oktober 2005 14:15:01:

Im Konkurrenzkampf Traditionelle Buchbranche gegen Internet, kann man zunehmend Stimmen vernehmen, die da dem Singen des Einsamen im großen Wald, verdächtig ähnlich klingen. Dieser Konkurrenzkampf erstreckt sich übrigens auch auf die Lexikonbranche.
Kürzlich betonte in einem Zeitschriften-Interview einer ihrer "Platzhirsche", wodurch sich denn seiner Meinung nach, sein Projekt etwa von Internet-Projekten wie der Wikipedia positiv abheben würden. Lassen wir mal den ästhetischen Aspekt, etwas gedrucktes in der Hand zu haben, beiseite, so reduziert sich das ganze auf den Vorwurf. In der "Wikipedia" etwa, könne ja "Hinz und Kunz" hineinschreiben, was ihm so beliebt. Und "Hinz und Kunz" sei nicht unbedingt, mit ausgewiesenen Wissenschaftlern identisch.

An diesem Vorhalt ist was dran. Fast täglich veränderten sich beispielsweise die Zeugen Jehovas bezüglichen Ausführungen in der Wikipedia. Das einzigste was da konstant zu sein scheint, sind eben diese Veränderungen (bei diesem Spezial-Beispiel). Da werden dann schon "Glaubenskriege" auf Wikipedia-Ebene ausgetragen. Nur zwei Beispiele aus jüngster Zeit.
Der eine meint der Lila Winkel in der Hitler'schen KZ habe für "alle" religiösen Gefangenen gegolten. Belegt hat er seine These allerdings nicht. Prompt sorgte die Zeugen Jehovas-Fraktion dafür, dass ihr "Reinheits-Alleinvertretungsanspruch" wiederhergestellt wurde.

Oder der "Glaubenskrieg" welche WTG-kritischen Webseiten im Hauptartikel genannt werden "dürfen" und welche nicht. Mit "Infolink" (inzwischen relativ zahnlos) hat sich die Zeugen Jehovas-Fraktion der Wikipedia mittlerweile abgefunden. Wehe aber dem, wie geschehen, der auch noch auf WT Cleanup oder ähnliches hinweisen will. Ihn trifft die gesammelte Strafe der dortigen ZJ-Fraktion. Das Letztere aber es durchaus nicht bei der Nur-Benennung der WTG-Webseite bewenden lässt, sondern noch diverses in ihrem Sinne liegendes, mit auflistet, wird als "selbstverständlich" hingenommen. Nun ja, wer "Neutralität" von der Wikipedia" erwarten sollte. Der erwartet wohl weiterhin zu viel.

Um jetzt wieder auf die in gedruckter Buchform vorliegenden Lexikas zurückzukommen. Zum Thema Religion gibt es da seit dem Jahre 1909 ein Projekt, dass sich "Die Religion in Geschichte und Gegenwart" nennt (abgekürzt RGG). Bis in die 1960 Jahre brachte es dieses Unternehmen auf drei Auflagen. Nun ist eine vierte Auflage davon zum Abschluss gekommen. Von seiner Preisgestaltung mit Sicherheit nicht gerade "volkstümlich". Das wiederum war zu erwarten. Es sind ohnehin nicht die Privatkonsumenten, die da als Käuferschicht anzusehen sind (da bestenfalls einige von den finanziell Betuchteren). Aber als Ausstattung in etlichen wissenschaftlichen Bibliotheken. Davon ist schon auszugehen. Das war auch bei den vorangegangenen Auflagen so. Die nunmehr "veraltete" dritte Auflage kann man übrigens auch in einer kostengünstigeren CD-ROM-Ausgabe bekommen. Die vierte Auflage nur als Printausgabe.

Seitens der Evang. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, hat sich einer ihrer Referenten, diese vierte Auflage unter den ihm besonders interessierenden Aspekten, etwas näher angesehen, und dabei einiges zu kritisieren gehabt. Also mit der "Betreuung durch ausgewiesene Fachwissenschaftler" scheint es im Einzelfall, doch nicht allzuweit her zu sein, muss man angesichts dieser Kritik schlussfolgern (abgedruckt im Oktoberheft der Zeitschrift dieser kirchlichen Institution). Einige Details dieser Kritik seien hier übersprungen. Er kam aber auch auf die Zeugen Jehovas mit zu sprechen, und deren Darstellung in der RGG.
Das dabei gesagte, mag auch hier interessant sein. Nachstehend der diesbezügliche Abschnitt.

Stirnrunzelnd liest man auch den Artikel "Zeugen Jehovas" (8. Band, 1851-1852).
Dort wird zutreffend geschrieben, dass die Zeugen Jehovas die Trinitätslehre ablehnen. Gleich im Anschluss findet sich die seltsame Formulierung, sie "bejahen ... Jesus als ,einen Gott'". Wie könnte das gemeint sein? Erkennen die Zeugen Jehovas allein Jesus als Gott an? Richtig ist ganz im Gegenteil, dass sie Jesus gerade kein göttliches Wesen zuschreiben und in diesem Sinne die Trinität ablehnen. Ihr Gott ist einzig Jehova. Schade, dass man den Leser in dieser wichtigen Frage im Unklaren lässt.

Deutlicher, wenn auch ergänzungsbedürftig, wird der Artikel in einer anderen Hinsicht. So lesen wir: "Die Achtung vor der Heiligkeit des Lebens und die Ablehnung der Aufnahme von Blut führt die Zeugen Jehovas dazu, den Militärdienst... wie die Bluttransfusion zu verweigern, und fordert Kritik heraus."
Unerwähnt bleibt, dass die Zeugen Jehovas den Militärdienst nicht nur unter Berufung auf das fünfte Gebot ablehnen, sondern weil sie überzeugt sind, dass das Militär wie der Staat als Ganzes mit all seinen Institutionen - wozu auch die Kirchen zählen -, ebenso die UNO und andere internationale Gremien dem Herrschaftsbereich Satans" zuzurechnen sind. Die Ablehnung der Bluttransfusion gründet in einem rigoristischen Bibelverständnis von Stellen wie z.B. Acta 15, 29.

Schließlich bezeichnet der RGG-Artikel das sog. "Gedächtnismahl" der Zeugen jeweils, das jährlich am 14. Nisan zur Erinnerung an Jesu Abschied und Sterben gefeiert wird, als "Eucharistiefeier". Die Verwendung dieses Begriffs ist völlig irreführend, weil das Gedächtnismahl lediglich der Erinnerung dienen soll und gerade keine Eucharistiefeier sein will. Millionen Zeugen Jehovas nehmen beim jährlichen Gedächtnismahl weder Wein noch Brot zu sich, sondern reichen lediglich "als dankbare Beobachter" (Der Wachtturm vom 1.4. 2003, 5) Brot und Wein durch die Reihen. Lediglich einigen wenigen Zeugen Jehovas, nämlich den "zum Leben im Himmel Berufenen" ist erlaubt, Wein und Brot zu sich zu nehmen.

Wer je an einem Gedächtnismahl der Zeugen Jehovas teilgenommen hat, wird dieses Bild der nutzlos weitergereichten Heilsinsignien nicht vergessen können. Es erübrigt sich der Hinweis, dass die Zeugen Jehovas jegliche Vorstellungen von Transsubstantiation ablehnen. Es ist schwer erträglich, sich vorzustellen, dass womöglich manche Lehrer ihren Schülern das Gedächtnismahl der Zeugen Jehovas aufgrund dieses RGG Artikels anhand der katholischen Eucharistiefeier oder des evangelischen Abendmahls erklären werden, ohne die fundamentalen Unterschiede zu kennen.

Man fragt sich, ob die Fachberater diese Texte überhaupt gelesen haben. Im Vorwort zum 8. Band heißt es vollmundig: "Jeder Artikel war meist mehreren Fachberatern und Herausgebern vorzulegen und musste gegebenenfalls sachlich und formal deren Vorgaben und den Erwartungen der Leser angepasst werden."

Wie kann es bei einem solchen Verfahren zu der Feststellung kommen, "von Zeugen Jehovas wird erwartet, daß sie ... Schriften verkaufen ".
Alle Schriften der Zeugen Jehovas werden ... kostenfrei abgegeben.
Ärgerlich ist auch die falsche Angabe zum ersten Erscheinen des "Wachtturm" (nicht 1876, sondern 1879) und die seltsame Feststellung, die Zeugen Jehovas hätten eine "spirituelle Leitung". Wer die Schriften der Zeugen Jehovas kennt, weiß, welche Widerstände sie gegen den Begriff der Spiritualität haben. Nie würden sie ihre Leitung als eine "spirituelle" charakterisieren.

Nicht nachvollziehbar sind schließlich die Literaturangaben: Ein uralter Quellentext von 1946 und zwei Schriften zu den Zeugen Jehovas von 1963 bzw. 1985 sind alles, was die RGG nennt. Dabei produzieren die Zeugen Jehovas ständig neue Publikationen, und an Sekundärliteratur ist seit 1985 viel Wichtiges erschienen!


ZurIndexseite