Re: Der Vetter des Franz Jägerstätter wurde Militärangehöriger


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 14. Oktober 2005 05:49:37:

Als Antwort auf: Re: Belege aus der Harfe Gottes geschrieben von Drahbeck am 12. Oktober 2005 05:07:43:

Herbert Weber schreibt in seinem zusammen mit Friederike Valentin herausgebenen Buch „Die Zeugen Jehovas. Zwischen Bewunderung und Befremdung" (S. 78f.):
„Jehovas Zeugen argumentieren im Gespräch oft, daß der katholische Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter nur deshalb den Wehrdienst verweigert habe, weil er mit einem Zeugen Jehovas die Bibel studiert hätte. Vergleicht man diese Aussage mit einer Biographie Jägerstätters, ergibt sich allerdings ein anderes Bild:
Jägerstätter hatte einen Cousin, der Zeuge Jehovas war. Dieser argumentierte aber immer damit daß man sich bemühen solle, zu einer Einheit zu kommen die keinen oder einen beschränkten Waffendienst verlangt. Dieser Zeuge Jehovas rückte auch anstandslos zu einer Nachrichtentruppe ein, während Franz Jägerstätter jeden Dienst in Hitlers Armee verweigerte.
Wäre dieser Cousin Jägerstätters nur eine Ausnahme unter Jehovas Zeugen gewesen, hätte er später kaum das Amt eines Altesten und Aufsehers übernehmen können."
Und als Quelle seiner Aussage beruft sich Weber auf die Studien von Gordon Zahn „Er folgte seinem Gewissen" (S. 127f.). So mag es auch angebracht sein, die diesbezügliche Aussage von Zahn näher zu sichten. Letzterer schreibt:

„Heute noch sind viele Radegunder der Ansicht, die enge Beziehung zu dem Bibelforscher-Vetter habe eine besondere Rolle dabei gespielt. Die Dorfbewohner betonten immer wieder, die beiden hätten stundenlang über religiöse Fragen diskutiert und gemeinsam die Bibel gelesen. …So ist es vielleicht natürlich, daß für die Bauern des Ortes einfach zwei mal zwei vier ergab und sie dann schnell mit der Antwort waren, Jägerstätters Wehrdienstverweigerung wäre auf den Einfluß seines Vetters zurückzuführen."

Dazu äußert dann Zahn:
„Diese Deutung kann jedoch leicht entkräftet werden. Für jene, die Franz zu der Zeit am nächsten standen, ist es ganz klar, daß dies nicht der Fall sein konnte. Einer von ihnen erwähnte sogar zu meinem Erstaunen, Franz habe seinen Vetter im Grunde gar nicht sehr gut leiden können.

Auch Jägerstätters Witwe beharrt fest darauf, daß sein Vetter nie den geringsten Einfluß auf ihren Mann gehabt hätte. Am überzeugendsten aber ist die Aussage von Pfarrer Fürthauer und von der damaligen Gattin des Bibelforschers."

Genannten Pfarrer zitiert Zahn mit den Worten:
„In keiner ihrer Diskussionen, so sagte der Priester, hätte Franz jemals einen theologischen Grundsatz jener Sekte vorgebracht. Pfarrer Fürthauer erinnerte sich an die nahe Verwandtschaft zu dem Bibelforscher, und er wußte auch, daß die beiden oft und lange religiöse Gespräche führten.

Das hatte aber einen ganz bestimmten Grund. Franz bemühte sich, seinen Vetter zu bekehren und in die katholische Kirche zurückzuführen.
Ganz abgesehen davon, war der Vetter bereits eingezogen, als Jägerstätter im Februar 1943 die Einberufung erhielt."

Diese Aussage, muss man wohl als die Kernaussage ansehen. Der Bibelforscher-Vetter des Jägerstätter, war schon vor diesem, widerspruchslos zur Armee eingezogen worden.

Dann befragt Zahn als nächstes die damalige Ehefrau dieses Bibelforscher-Vetters. Offenbar ging diese Ehe dann irgendwann in die Brüche. Desweiteren drängt sich der Eindruck auf. Zwar sei der Vetter den Bibelforschern (Zeugen Jehovas) zugehörig gewesen, nicht jedoch seine damalige Ehefrau. Bezüglich ihrer Befragung liest man bei Zahn:

„Das Interview mit der Frau, die damals mit dem Vetter verheiratet gewesen war, fand in ihrer Wohnung in einem Nachbardorf von St. Ragund statt, wo sie in zweiter Ehe mit einem Zollbeamten verheiratet ist. Sie hatte keine Ahnung, wo sich ihr früherer Gatte aufhielt, glaubte nur gehört zu haben, er wäre 'ein Bischof oder sowas' bei seiner Sekte und viel auf Reisen in der Steiermark, wie sie meinte.
Auf meine Frage, wie stark sein Einfluß auf Jägerstätters religiöse Anschauungen und Gesinnung gewesen war, antwortete sie ohne Zögern und nachdrücklich:
'Er hatte überhaupt keinen Einfluß'.

Ihrer Meinung nach hatte Franz die Bibel von sich aus und ganz selbständig studiert, bis er schließlich in der Auslegung des fünften Gebotes und seiner Anwendung 'zu einseitig' geworden war - und dies habe ihn unbeeinflußt zu der Überzeugung geführt, er dürfe in dem Krieg nicht kämpfen.
Franz und ihr Gatte hatten über die Probleme des langen und breiten diskutiert; wenn aber schon von Einfluß die Rede sei, dann wäre, das könne sie bezeugen, Franz es gewesen, der ihren Mann 'bearbeitet' habe.

Ihr Mann (der Zeuge Jehovas) sei der Ansicht gewesen, der einzelne Gläubige dürfe sich nicht durch eine absolute Ablehnung des Wehrdienstes in eine hoffnungslose Lage bringen, stattdessen, glaubte er, sollte man sich bemühen, zu einer Einheit zu kommen, die keinen oder nur einen beschränkten Dienst mit der Waffe verlangte.

Jägerstätter habe immer auf der totalen Ablehnung des Militärdienstes beharrt, und als ihr Mann eingerückt war - zu einer Nachrichtentruppe, wie sie sich erinnerte -, blieb Franz dabei, daß es Unrecht von seinem Vetter gewesen sei, der Einberufung Folge zu leisten.
Nach dem Kriege allerdings, gab sie zu, habe ihr Mann seine Meinung geändert und Franz Recht gegeben; er habe ihr gesagt, er würde, sollte er nochmals in eine solche Lage kommen, dem Beispiel seines Vetters folgen.."

Das zusammenfassende Resümee lautet dann:
„Es ist also ganz klar, daß Franz Jägerstätters Haltung nicht auf den Einfluß jener Sekte zurückzuführen war. Pfarrer Korobath äußerte allerdings einen kleinen Vorbehalt:
Gewiß, die theologische Lehre der Sekte hatte keinen Einfluß auf Jägerstätters Handlungsweise, aber das Beispiel der Sektenmitglieder, die so unverbrüchlich an ihrem Glauben festhielten und für ihre Überzeugung alle Opfer auf sich nahmen, das mochte ihn wohl in seiner Haltung bestärkt haben."

In „Erwachet!" vom 8. 6. 1975 kommt die WTG, unter anderem auch auf das Buch von Gordon Zahn zu sprechen. Einen Hinweis jedoch, dass der Zeugen Jehovas-Vetter des Franz Jägerstätter Militärangehöriger wurde, findet man indessen darin nicht!


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